Polizei in Berlin: Schwarz-rot rüstet auf
Der Senat will das Berliner Polizeigesetz verschärfen. Taser und Bodycams würden damit Standard, Präventivgewahrsam soll auf fünf Tage ausgeweitet werden.
Zu den ersten Maßnahmen – gedacht als Reaktion auf die Blockaden der Letzten Generation – gehört die Verlängerung des Präventivgewahrsams von maximal 48 Stunden auf fünf Tage. Dabei, so zeigen es Zahlen, die der taz vorliegen, scheitern schon jetzt die meisten Anträge auf vorbeugendes Gewahrsam vor Gericht. Seit Januar 2022 beantragte die Polizei in 325 Fällen einen Unterbindungsgewahrsam – 68 Mal wurde dies gerichtlich angeordnet. Seit April dieses Jahres gab es bei 68 Anträgen 11 Anordnungen.
Wie am Montag bekannt wurde, hat das Berliner Landgericht erstmals den Vorwurf der Nötigung gegen die Letzte Generation aufgrund von Straßenblockaden abgelehnt. „Ein Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr oder das Einplanen von mehr Zeit“ sei für Autofahrer:innen generell möglich, hieß es in der Entscheidung. Auch sei eine Blockade von etwas mehr als einer Stunde „moderat“ angesichts „der üblichen Stauzeiten“ in Berlin. Im Ausschuss berichtete Spranger derweil von 900 Fällen, in denen die Polizei Gebührenbescheide gegen die Letzte Generation prüfe: 669 Kostenbescheide seien bereits erlassen worden. Festgeklebten Personen würden 241 Euro für das Ablösen in Rechnung gestellt.
Mit der Asog-Novelle soll zudem der flächendeckende Einsatz von Bodycams für Polizeibeamte, auch innerhalb von Wohnungen, geregelt werden, ebenso der Einsatz von Dashcams für Feuerwehrfahrzeuge. Als neue Bewaffnung – über einen bislang begrenzten Testversuch hinaus – sollen Taser zur Ausstattung von Polizist:innen gehören. Spranger zeigte sich überzeugt: „Wir schränken keine Grundrechte ein, wir schaffen klare Rechtsgrundlagen.“
Deeskalation nicht erwiesen
Deutliche Kritik kam aus Reihen der Opposition: Niklas Schrader von der Linken sprach von einem „Kurswechsel des Rückschritts“ durch „Eingriffe in Grundrechte“. Der Grüne Vasili Franco kritisierte eine fehlende Datengrundlage für die Behauptung, dass Bodycams zur Deeskalation beitrügen. Er zeigte sich zudem enttäuscht, dass Schwarz-Rot ein Vorhaben der Vorgängerregierung gestrichen habe: Quittungen für Polizeikontrollen, um Racial Profiling entgegenzuwirken.
CDU-Innenpolitiker Burkhard Dregger sagte: „Uns geht es nicht darum, das Maß zu verlieren, weder bei der Intervention noch der Repression.“ Gleichzeitig warb er für weitere Vorhaben der Koalition: eine verstärkte Videoüberwachung, den Einsatz und die Abwehr von Drohnen und die Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung.
Weder Spranger noch Polizeipräsidentin Barbara Slowik distanzierten sich von Ermittlungen gegen den Tagesspiegel-Journalisten Julius Geiler. Gegen ihn hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen übler Nachrede und Verleumdung eingeleitet, nachdem er über den Berliner Polizisten und AfD-Lokalpolitiker André G. berichtet hatte. Zum Verfahren könnten sie sich nicht einlassen. Dass die Staatsschutz-Abteilung für politisch motivierte Kriminalität links gegen Geiler ermittelt, erkläre sich daraus, dass bislang „Pressedelikte“ beim Staatsschutz angesiedelt seien.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss