Polizei, Bundeswehr und Ballermann: 100.000 Mal den Schuss nicht gehört

Rechtsextreme am Polizeicomputer, Munition löst sich in Luft auf – und man kann noch nicht mal ordentlich auf Malle komasaufen.

Mallorca: Sonnebrillenverkäufer mit Mundschutz, im Hintergrund eine Gruppe trinkender Touris

Sicherheitsabstände wurden auf der so genannten Bierstraße in Palma nicht eingehalten Foto: Chris Emil Janssen/imago

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: 27 Prozent der ostdeutschen Männer würden derzeit AfD wählen. (Forsa)

Und was wird besser in dieser?

5 Prozent der westdeutschen Frauen würden derzeit AfD wählen. (Forsa)

Der Verfassungsgerichtshof in Thüringen hat das Landesgesetz zur paritätischen Besetzung von Männern und Frauen für rechtswidrig erklärt. Muss jetzt auch Brandenburg um sein Paritätsgesetz bangen?

Zwischenfrage: War der Verfassungsgerichtshof paritätisch besetzt?

Janine Wissler, Martina Renner, Anne Helm, Idil Baydar: Sie alle bekommen rechtsextreme Todesdrohungen, und von allen wurden sensible Daten von Polizeicomputern in Hessen abgerufen. Hat mal wieder nichts mit nichts zu tun, oder?

320.000 PolizistInnen haben Zugriff auf die Datenbank „InpolNeu“. Datenschützer monierten schon bei Einführung, die Nutzerberechtigungen sollten abgestuft, Daten pseudonymisiert werden. 2017 wurden in Mecklenburg Daten geraubt, um Linke zu doxen und gar um an Handynummern Minderjähriger zu gelangen. Nach dem Zugriff in Frankfurt 2018 hatte die Polizei-IT Jahre Zeit, ihr System zu verbrandmauern. Aber die spielen den ganzen Tag World of Wurstkraft oder warnen in der Grundschule Kinder vor mangelndem Datenschutz bei Tiktok. Gibt's bei InpolNeu ein Vieraugenprinzip? Jeder Angestellte, der in der Mittagspause Katzenpornos guckt, hat offenbar mehr Angst als Rechtsradikale am Polizeirechner.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz weiß anscheinend bereits seit 2019 von einem Verdacht der Finanzaufsicht Bafin gegen Wirecard. Wieso hat er das so lange für sich behalten?

Das geht jetzt aber ein bisschen schnell: von der Bafin als Spaßbehörde, die schon personell den metastasierenden Monstern der Finanzkriminalität hilflos gegenüberhockt, zur imponierenden Rechenschaftsbehörde, auf die die Politik besser mal hören sollte. Beide Betrachtungen zusammen ergeben einen Finanzminister, der eine alberne Ohnmachtsbehörde duldet und empörenderweise nicht auf diese alberne Ohnmachtsbehörde hört. Wirecard war ein offenkundig groß angelegter Banküberfall, und da ist es immer eine gute Idee, erst mal den Schalterbeamten zu verhaften.

Die Lokale am Ballermann müssen vorerst wieder schließen, weil viele Touristen, vor allem aus Deutschland, ohne Abstand und Maske gefeiert haben. Schämen Sie sich für Ihre Landsleute?

„Was heißt eigentlich auf Spanisch ’Könnt Ihr nicht zu Hause saufen'?“

Ersetze Ballern durch Kiffen, und wir hätten eine schicke Weltuntergangsdebatte über Drogen, ganz bestimmt ausländische Dealer und Einsatz der Bundeswehr im Görlitzer Park. Nüchtern betrachtet – und nüchtern ist da niemand – sind das nicht ganz untypisch deutsche Suff-Festspiele. Was heißt eigentlich auf Spanisch „Könnt Ihr nicht zu Hause saufen“?

Bootsfahrt bei Sonnenschein, Kutschfahrt zum Schloss und Mittagessen im großen Spiegelsaal. Markus Söder hat es sich mit Angela Merkel in Herrenchiemsee offenbar gut gehen lassen. Worüber die beiden wohl gesprochen haben?

Variante eins: Söder wird Kanzlerkandidat, unterstützt dafür überraschend eine Frau für den CDU-Vorsitz. Die Abteilung Junge Medien im Adenauerhaus produziert dazu ein Video mit AKK als sympathischer Zombie von der Saar. Variante zwei: Merkel handelt Söder das Zugeständnis ab, den ohnehin geschwächten Laschet zu unterstützen. Variante drei: Söder denkt nicht dran, Kanzlerkandidat zu werden, und beide hatten einen lustigen Fototermin. Merkel weiß, dass Söder vor zwei Jahren noch von „Asyltourismus“ geiferte und sein Grün-Turn zu seinen beliebten Faschingskostümen zählt. Was immer Söder nun anstellt, Merkel wäscht ihre Hände am Ufer des Flusses, in dem ihre Gegner und so weiter.

Die Bundeswehr vermisst seit 2010 mehr als 60.000 Schuss Munition. Dem KSK fehlen zusätzlich 48.000 Schuss und 62 Kilogramm Sprengstoff. Wo könnte das alles bloß hin sein?

Spricht für die neue Ordensklasse „100.000-mal den Schuss nicht gehört“. Denn alle drei Theorien sind wenig ehrenvoll: im Einsatz verschlampt, schlechte Buchführung oder Diebstahl. Der Generalinspekteur sieht „keine Kleinigkeit“, sondern ein Arsenal, das zu Attentaten ausreiche. Meine Hoffnung, es handle sich um subversive Pazifisten beim Bund, schwindet.

Und was machen die Borussen?

Geht Kovač zu Monaco, bleibt Favre in Dortmund. Eigentlich egal, mit wem wir Vize werden.

Fragen: Philipp Rhensius, Carolina Schwarz

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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