Anfrage zu Waffen- und Sprengstofffunden: Die Dunkeltapper

Das Bundesinnenministerium kann nicht viel zu Waffen- und Sprengstofffunden sagen. Über politische Hintergründe weiß es angeblich sogar noch weniger.

Beschlagnahmte Waffen bei einer Pressekonferenz

Wie viele Funde gab es? Beschlagnahmte Waffen bei einem Rechten in Rheinland-Pfalz 2019 Foto: Harald Tittel/dpa/picture alliance

BERLIN taz | Auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zu Waffen- und Sprengstofffunden in der Bundesrepublik müsste man eigentlich eine routinierte Antwort des Bundesinnenministeriums erwarten können. Die Drucksache 19/21153 aus dem Ministerium von Horst Seehofer (CSU) offenbart aber gravierende Erkenntnislücken. Bei vierzehn von zwanzig Fragen antwortet das Bundesministerium, entweder „keine statistischen Daten“ oder „keine Informationen“ vorliegen zu haben.

„Nimmt man die Angaben der Bundesregierung für bare Münze, dann tappen die Sicherheitsbehörden beim Thema Waffenbesitz und Neonazis vollkommen im Dunkeln“, sagt Martina Renner, die für die Linksfraktion die Anfrage gestellt hat. Die Innenpolitikerin wollte wissen, welche Schusswaffen von 2017 bis 2019 die Polizei sichergestellt hat oder welcher politische Hintergrund bei den Sprengstofffunden gegeben war.

Ein Grund für die fehlenden Daten und Informationen sei eine „Ablösung des betreffenden Meldesystems durch den Polizeilichen Informations- und Analyseverbund (PIAV)“. Hier sei die Realisierung der „strategischen Komponenten noch nicht abgeschlossen“, so das Bundesinnenministerium. Ein weiterer Grund sei, das in der Polizeilichen Kriminalstatistik „dezidierte Angaben“ zu Art und Modellen der sichergestellten Schusswaffen „nicht ausgewiesen“ werden.

Bei der anhaltenden Radikalisierung im gesamten rechten Spektrum, von Kameradschaften bis Prepper-Gruppen, fragte Renner gerade bewusst genau nach. Doch auch bei den Fragen zu Personen, bei denen Waffen oder Sprengstoff sichergestellt wurden und bei denen rechte Straftatbestände oder Verurteilungen vorliegen könnten, heißt die Antwort „keine Information“.

Aus militärischen Beständen bedient

Nachdem bekannt geworden ist, dass beim Kommando Spezialkräfte (KSK) 48.000 Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoff verschwunden sind, wollte Renner zudem wissen, in wie vielen Fällen die sichergestellten Schusswaffen aus der Bundeswehr oder von der Polizei stammen. Der Bundesregierung liegen dazu jedoch nach eigenen Angaben keine statistischen Daten vor.

Aus der Antwort auf die Frage, in wie vielen Fällen die Polizei in den vergangenen Jahren Sprengstoff sichergestellt hat, können allerdings Rückschlüsse auf militärische Kreise angenommen werden. Denn Renner fragte auch nach „militärischen Sprengstoff“. Unter der Rubrik „Herstellung“ führt das Bundesinnenministerium über zehnmal „militärisch“ an. Das muss jedoch noch nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Explosivstoffe oder Handgranaten aus der Bundeswehr stammen, sie könnten ebenso aus ehemaligen Kriegen gekommen sein – wie dem Jugoslawienkrieg.

Renner hält die Antworten des Innenministeriums für mehr als nur fragwürdig. „Angeblich ist weder bekannt, ob bei sichergestellten Waffen Bezüge zur Rechten bestehen, noch ob sie aus Beständen von Bundeswehr und Polizei kommen“, sagt die Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion. Auch bei Sprengstofffunden könne die Regierung nicht sagen, ob sie in einem Zusammenhang mit Rechtsterrorismus stehen.

„Angesichts einer zunehmenden Zahl von Personen, die sich einen Tag X zum Losschlagen geradezu herbeisehnen, ist das verantwortungslos und hochgefährlich“, warnt Renner.

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