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Politologe zu Kongos Friedensprozess„Nur eine Atempause in der Mobilisierung“

Kongos Regierung und die M23-Rebellen haben in Katar eine Friedensvereinbarung getroffen. Der kongolesische Politologe Bob Kabamba ist skeptisch.

Das historische Foto: Händeschütteln bei der Unterzeichnungszeremonie in Katars Hauptstadt Doha Foto: Karim Jaafar/afp
Interview von François Misser

taz: Herr Kabamba, Regierung und Rebellen der Demokratischen Republik Kongo haben vor wenigen Tagen in Katars Hauptstadt ein Abkommen unterzeichnet. Gibt es jetzt Hoffnung auf Frieden?

Bob Kabamba: Nein, es ist nur eine Grundsatzerklärung. Auf Regierungsseite hat kein Regierungsmitglied unterschrieben, bei den AFC-M23-Rebellen weder der militärische Führer Sultani Makenga noch der politische Führer Corneille Nangaa.

Im Interview: Bob Kabamba

Der Politologe stammt aus der Demokratischen Republik Kongo und lehrt Politik an der Universität Lüttich in Belgien. Er war an der Entstehung von Kongos aktueller Verfassung beteiligt sowie an Friedensprozessen für Ostkongo.

taz: Ist das normal? Das führt ja dann nicht sehr weit.…

Kabamba: Genau. Man brauchte eine Trophäe, das Foto der Unterzeichnung. Aber die Krise wurde nicht gelöst.

taz: Das Abkommen wurde von den USA eingefädelt. Worum geht es ihnen?

Kabamba: Auf amerikanischer Seite gibt es zwei Faktoren. Zum einen der Umstand, dass China 80 Prozent der Mineralien der DR Kongo ausbeutet, und die Amerikaner würden das gerne ändern. Zum anderen möchte Donald Trump den Friedensnobelpreis und muss dafür etwas vorweisen. Aber eine Lösung für die Probleme der Region ist das nicht.

taz: Während der Doha-Gespräche sollen beide Kriegsparteien auch weiter aufgerüstet haben…

Kabamba: Doha war nur eine Atempause in der Mobilisierung beider Seiten. Die Regierung reorganisiert ihre Armee. Die AFC-M23 haben 8000 bis 10.000 Mann rekrutiert und kampfbereit ausgebildet. Ich sehe nicht, wie die in ihrem Gebiet von Lubero in Nord-Kivu bis Kamanyola in Süd-Kivu auf Stand-by bleiben. Sie haben die Mittel, weiter vorzurücken. Beide Seiten bereiten neue Kämpfe vor.

taz: Man hat auch nicht den Eindruck, dass die Wünsche der lokalen Bevölkerung bei den Verhandlungen eine Rolle spielten.

Kabamba: Die Vereinbarungen von Doha und davor von Washington haben wenig mit der kongolesischen Dynamik zu tun. Die bekannten Konfliktursachen werden nicht berücksichtigt.

taz: Auf Regierungsseite spielen vor Ort die sogenannten Mai-Mai-Milizen eine wichtige Rolle, heute heißen sie „Patrioten“ (wazalendo). Sind sie in irgendeiner Weise beteiligt?

Kabamba: Nein, und das macht deutlich, wie schwierig es sein wird, die Vereinbarungen umzusetzen. Diese Gruppen sind sehr autonom gegenüber der Regierung, sie agieren nicht national, sondern in einer lokalen Dynamik, zuweilen auf Dorfebene. Die Wazalendo nehmen keine Befehle an, sie leben in einer Logik von Krieg und Ausplünderung, erheben ihre eigenen Steuern. Sie sind Hilfstruppen der Armee, aber folgen nicht ihrer Agenda. Kinshasa wird es schwer haben, diese Gruppen im Zaum zu halten.

taz: Kann man in diesem Kontext sagen, dass Präsident Tshisekedi ehrlich verhandelt?

Kabamba: Nein, er ist nicht ehrlich. Die Regierungsdelegation enthielt keine Entscheidungsträger. Die Regierung hat das Abkommen von Doha noch nicht bestätigt. Es ist höchstens das Papier wert, auf dem es steht. Ein Beispiel: der versprochene Gefangegenaustausch. Wie soll das Internationale Rote Kreuz das ausführen, wenn Kongos Regierung die Vereinbarung nicht bestätigt?

taz: In der vorangegangenen Vereinbarung von Washington zwischen Kongo und Ruanda Ende Juni ist auch vom Bergbau die Rede. Kann das funktionieren?

Kabamba: Von welchem Bergbau reden wir denn Im Ostkongo gibt es Gold und Coltan. Das Coltan ist nur ein winziger Bruchteil der kongolesischen Rohstoffe. Was die Amerikaner interessiert, ist das Kupfer und Kobalt, das sich in Katanga im Süden befindet, nicht in Kivu im Osten, und zwar in chinesischen Händen. Das Lithium ist auch nicht in Kivu, sondern in der Provinz Tanganyika. Die für die Amerikaner interessanten Bergbaugebiete sind nicht im Konfliktgebiet.

taz: Die Vereinbarung von Doha nennt immerhin Mechanismen zur Friedenssicherung…

Kabamba: Da geht es zum einen um die UN-Mission Monusco. Die ist sehr geschwächt, aus Süd-Kivu ist sie schon abgezogen und die USA haben ihre Zahlungen für UN-Blauhelmmissionen eingestellt. Dann geht es um die regionalen Organisationen SADC und EAC des südlichen und östlichen Afrika. Aber damit die tätig werden, muss Kongos Regierung das beantragen. Dann muss ein Regionalgipfel die entsprechenden Mittel bereitstellen. Das dauert Monate.

taz: Es ist von einem Friedensabkommen am 18. August die Rede. Ist das realistisch?

Kabamba: Völlig unrealistisch. Es gibt keinen entsprechenden Regierungsbeschluss, kein Regionalgipfel ist in Sicht. Und die bestehenden Friedensprozesse des südlichen und östlichen Afrika wurden jetzt von Katar und den USA beiseitegeschoben, das sorgt für viel Misstrauen in Afrika.

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1 Kommentar

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  • Natürlich wird sich nichts ändern! Die USA interessiert sich einen feuchten Sch... für die Belange der Kongolesen und Ruander. Die haben nur Dollarzeichen im Auge und wollen etwas Brusttrommeln. Man sieht ja in anderen "Verhandlungen", wie sich das darstellt: gib uns all deine Schätze und wir helfen dir, damit du uns noch mehr geben kannst. Kolonialstil, aber auf modern. Es ist ein Ausplündeen, nicht mehr.



    Der Konflikt zwischen den verschiedenen Rebellengruppen um den Kivu ist etwa so einfach zu lösen wie der Gaza-Konflikt. Es würde schon helfen, wenn Kongo dafür Sorgen würde, dass die alten Hutu-Genozidäre nicht mehr die alten Tutsi-Flüchtlinge abgreifen, aber da wir bereits in Generation 3 post Genozid 1994 sind, hat sich das längst verselbstständigt. Für Ordnung sorgt Kinshasa schon nicht, weil sie den Landesteil kaum erreichen können. Zwei Wochen Fahrt ab Hauptstadt. Von Kigali aus ist man in 6 Stunden da. Das von den M23-Rebellen jetzt im Kongo kontrollierte Gebiet ist größer als Ruanda, nur um mal die Dimensionen zu fassen.



    Entweder die Regierungen einigen sich auf höchster Ebene oder nichts wird passieren.