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Politischer Widerstand an der SchuleWie Kinder protestieren lernen

Rechte Politiker versuchen den kindlichen Gerechtigkeitssinn zu ersticken. Dabei sollte der gefördert werden – besonders jetzt.

Ein Kind malt Protestschilder bei einer Demo gegen Rechts auf Sylt am 2. Juni Foto: Bodo Marks/dpa

R echte haben Angst vor Kindern. Vor ihrer Empathie, vor ihrem Gerechtigkeitssinn und vor ihrem Wissensdurst. Das ist der Grund, warum in der großen Welle des Backlash, derer wir zurzeit Zeu­g:in­nen werden, wie in den USA versucht wird, Bücher zu Schwarzer Geschichte aus Schulbibliotheken zu verbannen.

Es ist der Grund, warum jeder noch so zarte Funken queerer Lesart im neuesten Trickfilm schon gebasht wird, bevor wir überhaupt Zeit hatten, Kinokarten zu kaufen. Und warum auch in München versucht wurde, Lesestunden mit Drag Queens in öffentlichen Bibliotheken zu verbieten.

Diese Angst zeigt sich auch darin, dass rechte Bewegungen alle Jahre wieder versuchen, sich die Sprache des Kindeswohls anzueignen. Tatsächlich geht es um nichts Geringeres als um politische Mündigkeit, um die Fähigkeit, selbst zu denken. „Schützen“ will die Rechte nur sich selbst, denn sie fürchtet sich vor wachsendem kritischen Denken, vor der Kompetenz, Ungleichheit zu erkennen und gegen sie einzutreten.

Umso größer ist mein Respekt für die Schü­le­r:in­nen der Grundschule Thadenstrasse in Hamburg, die im April auf eigene Faust beschlossen, auf dem Schulhof eine Demonstration gegen die AfD zu proben. Sie haben Schilder gemalt und sich Protestslogans gegen Rassismus ausgedacht.

Klare Einschüchterungsversuche

Jemand filmte sie aus einem benachbarten Haus und die AfD begann, mit dem Video auf den einschlägigen Medienplattformen eine Hetzkampagne gegen die Schüler:innen, ihre Eltern und Leh­re­r:in­nen der Schule zu starten. Der Elternrat der Schule hat nun eine Stellungnahme veröffentlicht und benennt die Einschüchterungsversuche klar.

Auch die GEW des Landesverbands Hamburg unterstützt die Stellungnahme. Die GEW ist die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, sie setzt sich für ihre Mitglieder ein und für die Bildungsinteressen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Ich frage mich oft, welche Fähigkeiten wir in Kindergärten, Schulen und der Erwachsenenbildung neben dem Erkennen von Diskriminierung noch vermitteln müssten, damit wir der Politik der Gewalt, mit deren Androhung und Ausübung der Faschismus operiert, begegnen können.

Protest muss man lernen

Politischen Protest in der Pause zu üben, ist in jedem Fall ein Anfang. Und es braucht das Wissen, dass andere hinter uns stehen und wir aufeinander aufpassen. Aus meiner Schulzeit am Gymnasium kann ich noch erinnern, wie wir als Klasse geschlossen zum Direktor gegangen sind, als unser Musiklehrer meinte, wir müssten nun alle Strophen der deutschen Nationalhymne singen, auch die erste und die zweite. Und wieder, als er einem unserer Mitschüler, den er ständig rassistisch auf dem Kieker hatte, vors Schienbein trat.

Ich erinnere auch noch, wie wir an einem Wettbewerb für den am schönsten geschmückten Weihnachtsbaum in der Kölner Innenstadt teilnehmen sollten. Wir hatten Anhänger gegen Nazis gebastelt, im Stil eines Warnschilds, auf denen ein Hakenkreuz durchgestrichen war. Sofort hieß es, wir sollten sie abhängen. Antirassismus war wohl nicht weihnachtlich genug.

Dabei war es die Zeit, in denen die Parolen kursierten, die gerade wieder vom bürgerlichen Nachwuchs auf Sylt gegrölt wurden. Den Preis gewannen wir nicht. Aber wir haben viel über die sogenannte Mitte der Gesellschaft gelernt.

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Noemi Molitor
Redakteur:in
Redakteur:in für Kunst in Berlin im taz.Plan. 2022-2024 Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA und promovierte an der Schnittstelle von Queer-Theorie, abstrakter Malerei und Materialität. Als Künstler:in arbeitet Molitor mit Raum, Malerei und Comic. Texte über zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.
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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Es ist schon bemerkenswert, dass unter "Protest" zwischenzeitlich verstanden wird, nicht etwa gegen die Regierung, sondern gegen eine Oppositionspartei zu demonstrieren.

    Überdies wäre man interessiert, ob die Schulstunde Protest genauso willkommen wäre, wenn Cindy und Ronny Plakate gegen das örtliche Asylbewerberheim malen würden?

    Insofern spricht viel dafür, die Schulen von einseitiger Parteinahme zu verschonen, selbst und gerade, wenn es nach eigener Auffassung die "richtige" Partei ist

  • Ich meine, dass in den Schulen (und womöglich zuvor im Elternhaus) gelernt werden muss sachlich zu argumentieren unter den Kernsatz"trenne Person und Sache"..



    Davor steht noch etwas: korrekte fachliche Information.



    Dazu gehört unbedingt mit den Schuljahren fortschreitende Medienkompetenz.

    Wahrhaftige Information, umfassende Medienkompetenz, rethorische Schulung in Diskussionsrunden können Eltern nicht umfassend bewältigen, jedoch zumindest in Gesprächen für den Anfang...

    Was mir fehlt, ist ausreichend Platz zu schaffen für all diese notwendigen Voraussetzungen im schulischen Alltag als Rüstzeug für eine immer kompliziertere Zukunft unserer Kinder.

    Wir sehen all die lauernden Gefahren für sie da und unternehmen ... fast Nichts!

  • "Umso größer ist mein Respekt für die Schüler:innen der Grundschule Thadenstrasse in Hamburg, die im April auf eigene Faust beschlossen, auf dem Schulhof eine Demonstration gegen die AfD zu proben."

    Glauben sie ernsthaft, dass Grundschulkinder, allein aufgrund ihrer Empathie und ihres Gerechtigkeitssinns auf die Idee kommen würden, gegen die AfD zu demonstrieren? Sollte es so sein: Willkommen in der postrationalen Welt!

    Kinder in dieser Altersklasse reagieren (immer noch) weitestgehend situativ auf individuell erlebtes/wahrgenommenes Verhalten. Werden einzelne Akteure dabei häufiger als "gut" oder "böse" wahrgenommen, kommt es mit der Zeit zu einer Einordnung in entsprechende Kategorien. Aber sie "identifizieren" dahinter keine, gesellschaftliche bedingten, Strukturen.

    "Mach meinen Kumpel nicht an!" (egal warum). Diesen (1986 gewerkschaftlich "geborenen") Ansatz gegen Diskriminierung und Rassismus verstehen auch Kinder im Grundschulalter, weil er situativ "einleuchtend" ist. Leider gilt auch das mittlerweile als diskriminierend (weil nicht geschlechtsneutral). Ich habe allerdings keine Idee, wie man "Kumpel" gendern könnte, ohne dass dabei die Aussagekraft verloren geht.