Politische Satire: Prekäre Angelegenheit
Schlechte Zeiten für die, die gern politische Witze reißen. Die Herrschenden der Welt sind schon so absurd, dass sie für Satire kaum noch taugen.

V or Kurzem entbrannte, wie man so sagt, in der taz eine Debatte über einen satirischen Text, der einen Freizeitpark zum Gaza-Krieg imaginierte. Was kann, was darf und was muss Satire? Eine Frage, die sich immer wieder neu stellt und immer wieder anders beantwortet werden muss. Ein schlichtes „alles“ war wohl nie angebracht, anders denn als Herausforderung an den realen und imaginären Zensor. Denn wenn Satire auch alles darf, heißt das ja nicht, dass man für sie keine Verantwortung übernehmen muss.
Wenn Satire alles darf, heißt das: Sie darf nicht verboten werden. Es heißt nicht: Sie darf nicht kritisiert werden. Durch Kritik entwickelt sich Kultur, durch Verbot schrumpft sie ein. Wir leben allerdings derzeit in einer Gesellschaft, in der sowohl das Kränken als auch das Gekränktsein nicht bloß ein psychosozialer Zustand ist, sondern immer auch eine rhetorische und politische Waffe. Jener intellektuelle Liberalismus, in dem man mit scharfer Kritik und nicht mit melodramatischer Empörung auf Verstöße gegen Gebote von Moral und Vernunft reagiert, hat wohl für längere Zeit Pause.
Aber genau diese Ununterscheidbarkeit zwischen Empfinden und Rhetorik macht auch Satire zu einer prekären Angelegenheit. Satire soll und muss wehtun. Aber wem? Und auf welcher Ebene seiner sozialen Seele? Die erste Forderung an Satire also ist, dass sie genau sein muss und sich ihrer Methoden und Wirkungen sehr bewusst. Eben das, was der rechte Kulturkampf gerade aus ihr macht, darf Satire niemals sein: ein Deckmantel oder eine Ausrede für Hetze und Propaganda.
Zur Wohlfühloase für moralische Überlegenheit darf sie allerdings auch nicht dienen. Die langlebige US-amerikanische Satire-Serie „South Park“ etwa scheint auf einer sicheren Seite, weil sie einfach alle Seiten der politischen Konfliktlinien und alle Milieus des ewig währenden Kulturkampfes gleichermaßen mit Hohn und Spott überzieht. Man kann daher die gelegentliche Treffsicherheit bewundern, aber auch den Fatalismus dahinter kritisieren.
Kritik an herrschenden Menschen und Meinungen
Satire ist Herrschaftskritik, das heißt ein literarisches oder bildnerisches Aufbegehren gegen Macht, das Mittel der Verzerrung, der Übertreibung, der Verdichtung und der Übertragung verwendet, um an einen Wesenskern dieser Macht zu gelangen. Wenn eine Art von Herrschaft „satirisch“ behandelt wird, um einer anderen zu dienen, haben wir es nicht mehr mit Satire, sondern mit mehr oder weniger witziger Propaganda zu tun. Herrschaft meint im Übrigen nicht nur herrschende Menschen und ihre Institutionen, sondern auch „herrschende“ Meinung, herrschenden Geschmack, herrschende Gewohnheit. Von da an wird’s kompliziert.
Denn wenn wir auch von einer Satire verlangen, gleichermaßen kritisch-komisch gegen jeden Anspruch und jede Methode von Herrschaft vorzugehen, dürfen wir von ihren Autorinnen und Autoren doch auch eine Haltung erwarten. Das beschreibt eine Grenze zwischen boshafter Gerechtigkeit und Zynismus, zwischen ästhetischem Protest und Nihilismus. In guten Zeiten akzeptiert man vielleicht sogar solche Grenzverletzungen. Aber dies sind keine guten Zeiten.
Früher behauptete man gern, dass schlechte Zeiten gute Zeiten für Satire seien. Derzeit allerdings beklagen sich etwa Kabarettistinnen und Kabarettisten sehr zu Recht, dass die Herrschenden dieser Welt sich so obszön, skrupellos und narzisstisch benehmen, dass keine Satire mehr ihren Auftrag erfüllen könnte, sie „zur Kenntlichkeit zu verzerren“. Die Grundfrage lautet: In welchem Namen spricht Satire gegen wen oder was? Und man kann antworten: Die Satire spricht im Namen der Menschen gegen die Macht.
Oder im Namen der Opfer gegen die Täter. Es gibt kaum etwas Abscheulicheres als „Satire“, die von oben nach unten, im Namen der Macht (und sei’s die Macht der Mehrheit, der „Normalität“ oder der Mitte) gegen die Minderheiten agiert. Anders gesagt: Rechte Satire ist ein Widerspruch in sich. Im Übrigen gehört es zur Kunst der Satire, auch sich selbst nicht zu schonen. So wie ja auch Kritik keinen Sinn macht, wenn sie nicht die Fähigkeit zur Selbstkritik einschließt.
Satiriker leben gefährlich
Satire nutzt den Humor als Waffe, aber sie ist keineswegs darauf beschränkt, eine Erleichterung durch das Lachen zu verschaffen. Sie reicht auch in Sphären, in denen einem das Lachen vergehen kann. Es gibt Dinge, über die man wahrhaft keine Witze machen soll, aber Satire ist eben genau das nicht: Witze machen.
Daher ist ein satirischer Text, in dem auf die Leiden von Menschen, die Brutalität von Herrschenden und das schreckliche Chaos zwischen menschlichem Mitgefühl und ideologischer Parteilichkeit mit der Projektion eines „Freizeitparks“ reagiert wird, zwar schwer auszuhalten, aber er trifft durchaus die Macht von Unterhaltungsindustrie und medialer Ausbeutung. Über die Gelungenheit eines solchen Textes kann man diskutieren.

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.
Und natürlich kann eine Redaktion darüber befinden, ob ein solcher Text zur eigenen Position und zum eigenen Geschmack passt oder nicht. Worüber man indes nicht diskutieren kann, ist ein grundsätzliches Recht, auf die Schrecken der Welt mit dem verzweifelt-komischen Mittel der Satire zu reagieren. Wer es mit der Satire ernst meint, lebt durchaus gefährlich. Auch Jonathan Swift, auf den sich auch hierzulande die Vertreter einer härteren Satire beziehen, wurde von Staat und Kirche verfolgt.
Was wäre das auch für eine Satire, die sogar den Mächtigen oder dem herrschenden Mainstream gefallen würde? Die Kunst der Satirikerin oder des Satirikers ist also zugleich gefährlich und anspruchsvoll. Die Suche nach den eigenen Grenzen gehört zu dieser Kunst. Dort wo Menschen anderen Menschen die Hölle bereiten, zieht das Mitleiden der Satire vielleicht eine weitere Grenze. Offensichtlich gibt es Zeiten, die so schlecht sind, dass sie nicht einmal gut für Satire sind.
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