Politische Krisen in Afrika: Ein Staat, zwei Regierungen
In immer mehr Ländern Afrikas beanspruchen mehrere Machthaber die politische Legitimität. Wie kann der Teufelskreis durchbrochen werden?

S eit Januar hat Mosambik zwei Präsidenten. Offiziell regiert seit der Unabhängigkeit 1975 die ehemals sozialistische Befreiungsbewegung Frelimo (Mosambikanische Befreiungsfront), die bei den Wahlen im Oktober 2024 an der Macht bestätigt wurde. Am 15. Januar wurde ihr Spitzenkandidat Daniel Chapo als neuer Staatschef eingeschworen.
Oppositionsführer Venancio Mondlane aber erkennt den Frelimo-Wahlsieg nicht an und hat sich daher selbst zum „Volkspräsidenten“ ausrufen lassen. Bei Unruhen sind über 360 Menschen getötet worden, das Land steht an der Schwelle zum Bürgerkrieg.
Seit Februar hat Sudan zwei Regierungen. Die aufständische Miliz RSF (Rapid Support Forces) des ehemaligen Vizepräsidenten Mohamed Hamdan Daglo Hametti unterschrieb am 23. Februar in Kenia zusammen mit Verbündeten eine Charta zur Bildung einer Gegenregierung, knapp zwei Jahre nach Beginn ihres Krieges gegen Sudans Armee- und Staatschef Abdelfattah al-Burhan.
Der Krieg hat Sudan verwüstet und die schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt hervorgebracht. Jetzt ist Burhan dabei, die umkämpfte Hauptstadt Khartum zurückzuerobern und Hametti richtet seine Gegenmacht in seiner Heimatregion Darfur ein.
Tendenz: Staatsfragmentierung
Der Trend zur Staatsfragmentierung in Afrika ist unübersehbar. In Äthiopien brach im März der 2022 beendete Krieg zwischen der Zentralregierung des Ministerpräsidenten und Friedensnobelpreisträgers Abiy Ahmed und der historischen Führung der einstigen Befreiungsbewegung TPLF (Tigray-Volksbefreiungsfront) in der Nordregion Tigray neu aus.
In der Demokratischen Republik Kongo hat dieses Jahr die von Ruanda unterstützte Rebellenbewegung M23 dieses Jahr Ostkongos zwei große Provinzhauptstädte Goma und Bukavu erobert, richtet eigene Institutionen ein und ruft zur „Befreiung“ des ganzen Landes auf.
Aktuell steht Südsudan am Rande eines erneuten großen Krieges zwischen den beiden historischen Führern des seit 2011 unabhängigen Landes, Präsident Salva Kiir und sein mehrmals geschasster Vize Riek Machar.
Keine Blaupause für Befriedung
Was alle genannten Länder eint, ist das Nebeneinander zweier Machtzentren in einem einzigen Staat, den sie aber jeweils für sich ganz alleine haben wollen. Anders als in Mosambik und Sudan haben die Kontrahenten in Äthiopien, in der DR Kongo und in Südsudan zwar noch keine formelle Gegenregierung gebildet, aber der Trend ist klar: ein Staat, mehrere rivalisierende Regierungsapparate. Man braucht dazu, wie Mosambik zeigt, nicht unbedingt einen bewaffneten Konflikt; es genügt der Konflikt zwischen zwei politischen Legitimitäten.
Ein Staat, zwei Machtzentren – zwei erbitterte Rivalen können Jahre, gar Jahrzehnte gegeneinander Krieg führen und ihr Land verwüsten, und es gibt keine Blaupause dafür, wie so etwas zu lösen ist. Der übliche Weg besteht darin, die Kontrahenten an einen Verhandlungstisch zu bringen, damit sich alle doch noch im Staat wiederfinden und gemeinsam regieren, zumindest übergangsweise.
Dass dieser Weg zum dauerhaften Frieden führt, ist eher die Ausnahme als die Regel, meist bereitet er den Warlords nur eine Verschnaufpause zwischen zwei Kriegsrunden. Das zeigen Dauerkrisenherde wie Somalia, Südsudan oder die DR Kongo.
Nur Libyen kann sich zwei Regierungen leisten
Zielführender ist der Weg der militärischen Entscheidung, also der Sieg einer Seite. Das gab es in der Vergangenheit in Angola, in Ruanda oder auch in der Elfenbeinküste – drei ehemalige Bürgerkriegsländer, in denen heute niemand mehr die Regierung militärisch herausfordert.
Aber so sehr sich die bedrängten Machthaber in Sudan, Südsudan, Äthiopien und der DR Kongo heute abmühen, so vergeblich und auch unmenschlich scheint dieses Ansinnen dort heute, mit Hunderttausenden Toten, Hungersnöten und dem Zusammenbruch aller funktionierenden Strukturen in den Konfliktgebieten.
Wenn von zwei Rivalen keiner stark genug ist, um den Sieg davonzutragen, wird Dauerkonflikt zum Dauerzustand. Muster für einen Dauerkonflikt, der funktioniert, wäre Libyen, wo seit dem international unterstützten Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi 2011 keine Stabilität mehr eingekehrt ist. Nach mehreren Bürgerkriegsrunden hat sich eine faktische Teilung Libyens zwischen Ost und West etabliert, mit zwei Parallelregierungen, die beide einen Machtanspruch auf das ganze Land erheben, in Wahrheit aber in friedlicher Koexistenz miteinander leben.
Meist reicht das Geld nicht mal für eine Regierung
Der Schlüssel dafür ist darin zu finden, dass sie beide Zugriff auf Libyens Öleinnahmen über die Zentralbank wahren, aus der heraus beide Regierungs- und Militärapparate bezahlt werden. Im ölreichen, aber spärlich besiedelten Libyen ist genug Geld für alle da – der libysche Staat kann mehr als eine Regierung unterhalten.
Ist das das Geheimrezept? Sudans langjährige Militärdiktatur, deren Erben Burhan und Hametti sich jetzt um das Aas streiten, überlebte dank des Zugriffs der Generäle auf Sudans Banken und Ölgelder. Im laufenden Krieg wahren beide Seiten die Kontrolle über einzelne Finanzhäuser.
Kongos Regierung versucht die M23-Rebellen finanziell auszutrocknen: Sie schneidet das Rebellengebiet vom Bankensystem ab, also auch von Staatsgehältern und staatlichen Transfers. Eine ähnliche Blockadepolitik führte im letzten Krieg Äthiopiens Staat gegen die TPLF in Tigray. Sudan, Kongo und Äthiopien sind eben nicht so reich wie Libyen, das Geld reicht nicht für mehrere Regierungen. Eigentlich reicht es nicht einmal für eine einzige.
Man kann jetzt nur hoffen, dass Mosambik, das selbst eine Geschichte verheerender Bürgerkriege hinter sich hat, nicht ebenso im Kreislauf der sich ständig selbst nährenden Gewalt versinkt. Mosambiks Träume, mittels der Ausbeutung neuentdeckter gigantischer Erdgasvorkommen vor der Küste zu einem Libyen des südlichen Afrika zu werden, sind aufgrund der Dauerkrise ohnehin längst zerschlagen. Wem gehören die Scherben?
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