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Politische Krisen in AfrikaEin Staat, zwei Regierungen

In immer mehr Ländern Afrikas beanspruchen mehrere Machthaber die politische Legitimität. Wie kann der Teufelskreis durchbrochen werden?

Gewählt, aber nicht anerkannt: Mosambiks gewählter Präsident Daniel Chapo mit seiner Frau Gueta nach der Inaugurationszeremonie Foto: Carlos Uqueio/ap

S eit Januar hat Mosambik zwei Präsidenten. Offiziell regiert seit der Unabhängigkeit 1975 die ehemals sozialistische Befreiungsbewegung Frelimo (Mosambikanische Befreiungsfront), die bei den Wahlen im Oktober 2024 an der Macht bestätigt wurde. Am 15. Januar wurde ihr Spitzenkandidat Daniel Chapo als neuer Staatschef eingeschworen.

Oppositionsführer Venancio Mondlane aber erkennt den Frelimo-Wahlsieg nicht an und hat sich daher selbst zum „Volkspräsidenten“ ausrufen lassen. Bei Unruhen sind über 360 Menschen getötet worden, das Land steht an der Schwelle zum Bürgerkrieg.

Seit Februar hat Sudan zwei Regierungen. Die aufständische Miliz RSF (Rapid Support Forces) des ehemaligen Vizepräsidenten Mohamed Hamdan Daglo Hametti unterschrieb am 23. Februar in Kenia zusammen mit Verbündeten eine Charta zur Bildung einer Gegenregierung, knapp zwei Jahre nach Beginn ihres Krieges gegen Sudans Armee- und Staatschef Abdelfattah al-Burhan.

Der Krieg hat Sudan verwüstet und die schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt hervorgebracht. Jetzt ist Burhan dabei, die umkämpfte Hauptstadt Khartum zurückzuerobern und Hametti richtet seine Gegenmacht in seiner Heimatregion Darfur ein.

Tendenz: Staatsfragmentierung

Der Trend zur Staatsfragmentierung in Afrika ist unübersehbar. In Äthiopien brach im März der 2022 beendete Krieg zwischen der Zentralregierung des Ministerpräsidenten und Friedensnobelpreisträgers Abiy Ahmed und der historischen Führung der einstigen Befreiungsbewegung TPLF (Tigray-Volksbefreiungsfront) in der Nordregion Tigray neu aus.

In der Demokratischen Republik Kongo hat dieses Jahr die von Ruanda unterstützte Rebellenbewegung M23 dieses Jahr Ostkongos zwei große Provinzhauptstädte Goma und Bukavu erobert, richtet eigene Institutionen ein und ruft zur „Befreiung“ des ganzen Landes auf.

Aktuell steht Südsudan am Rande eines erneuten großen Krieges zwischen den beiden historischen Führern des seit 2011 unabhängigen Landes, Präsident Salva Kiir und sein mehrmals geschasster Vize Riek Machar.

Keine Blaupause für Befriedung

Was alle genannten Länder eint, ist das Nebeneinander zweier Machtzentren in einem einzigen Staat, den sie aber jeweils für sich ganz alleine haben wollen. Anders als in Mosambik und ­Sudan haben die Kontrahenten in Äthiopien, in der DR Kongo und in Südsudan zwar noch keine formelle Gegenregierung gebildet, aber der Trend ist klar: ein Staat, mehrere rivalisierende Regierungsapparate. Man braucht dazu, wie Mosambik zeigt, nicht unbedingt einen bewaffneten Konflikt; es genügt der Konflikt zwischen zwei politischen Legitimitäten.

Ein Staat, zwei Machtzentren – zwei erbitterte Rivalen können Jahre, gar Jahrzehnte gegeneinander Krieg führen und ihr Land verwüsten, und es gibt keine Blaupause dafür, wie so etwas zu lösen ist. Der übliche Weg besteht darin, die Kontrahenten an einen Verhandlungstisch zu bringen, damit sich alle doch noch im Staat wiederfinden und gemeinsam regieren, zumindest übergangsweise.

Dass dieser Weg zum dauerhaften Frieden führt, ist eher die Ausnahme als die Regel, meist bereitet er den Warlords nur eine Verschnaufpause zwischen zwei Kriegsrunden. Das zeigen Dauerkrisenherde wie Somalia, Südsudan oder die DR Kongo.

Nur Libyen kann sich zwei Regierungen leisten

Zielführender ist der Weg der militärischen Entscheidung, also der Sieg einer Seite. Das gab es in der Vergangenheit in Angola, in Ruanda oder auch in der Elfenbeinküste – drei ehemalige Bürgerkriegsländer, in denen heute niemand mehr die Regierung militärisch herausfordert.

Aber so sehr sich die bedrängten Machthaber in Sudan, Süd­sudan, Äthiopien und der DR Kongo heute abmühen, so vergeblich und auch unmenschlich scheint dieses Ansinnen dort heute, mit Hunderttausenden Toten, Hungersnöten und dem Zusammenbruch aller funktionierenden Strukturen in den Konfliktgebieten.

Wenn von zwei Rivalen keiner stark genug ist, um den Sieg davonzutragen, wird Dauerkonflikt zum Dauerzustand. Muster für einen Dauerkonflikt, der funktioniert, wäre Libyen, wo seit dem international unterstützten Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi 2011 keine Stabilität mehr eingekehrt ist. Nach mehreren Bürgerkriegsrunden hat sich eine faktische Teilung Libyens zwischen Ost und West etabliert, mit zwei Parallelregierungen, die beide einen Machtanspruch auf das ganze Land erheben, in Wahrheit aber in friedlicher Koexistenz miteinander leben.

Meist reicht das Geld nicht mal für eine Regierung

Der Schlüssel dafür ist darin zu finden, dass sie beide Zugriff auf Libyens Öleinnahmen über die Zentralbank wahren, aus der heraus beide Regierungs- und Militärapparate bezahlt werden. Im ölreichen, aber spärlich besiedelten Libyen ist genug Geld für alle da – der libysche Staat kann mehr als eine Regierung unterhalten.

Ist das das Geheimrezept? Sudans langjährige Militärdiktatur, deren Erben Burhan und Hametti sich jetzt um das Aas streiten, überlebte dank des Zugriffs der Generäle auf Sudans Banken und Ölgelder. Im laufenden Krieg wahren beide Seiten die Kontrolle über einzelne Finanzhäuser.

Kongos Regierung versucht die M23-Rebellen finanziell auszutrocknen: Sie schneidet das Rebellengebiet vom Bankensystem ab, also auch von Staatsgehältern und staatlichen Transfers. Eine ähnliche Blockadepolitik führte im letzten Krieg Äthiopiens Staat gegen die TPLF in Tigray. Sudan, Kongo und Äthiopien sind eben nicht so reich wie Libyen, das Geld reicht nicht für mehrere Regierungen. Eigentlich reicht es nicht einmal für eine einzige.

Man kann jetzt nur hoffen, dass Mosambik, das selbst eine Geschichte verheerender Bürgerkriege hinter sich hat, nicht ebenso im Kreislauf der sich ständig selbst nährenden Gewalt versinkt. Mosambiks Träume, mittels der Ausbeutung neuentdeckter gigantischer Erdgasvorkommen vor der Küste zu einem Libyen des südlichen Afrika zu werden, sind aufgrund der Dauerkrise ohnehin längst zerschlagen. Wem gehören die Scherben?

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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5 Kommentare

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  • Ein Problem in Afrika ist sicher das die ehemaligen Kolonialmächte mit dem Lineal Grenzen erfunden haben. Die erfundenen Staaten sind jetzt bunt zusammen gewürfelte Völker die kein Gefühl der Zusammengehörigkeit haben.



    Die in den Ländern vorhandene Armut und Perspektivlosigkeit führt zur Unzufriedenheit.



    Nicht zuletzt werden die Staaten mit Bodenschätzen immer noch von den Industrienationen ausgebeutet. Dabei helfen die durch korruption geprägten Regierungen mit.



    Jeder karismatische Stammesführer kann seine eigene Herschaft aufrufen und den Völkern eine goldene Zukunft versprechen.

    Solange in den Industrieländern kein Wille besteht, nicht nur zu nehmen sondern auch zu geben, wird sich nichts ändern.



    Investitionen in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur oder Handelssperren bei Korruption sind notwendig. Diese Beispiele sind sicher nur ein Teil der Möglichkeiten in einem komplexen Problem.

  • Da fallen mir gleich mehrere Punkte ein:

    Afrika besteht aus 54 (oder 55 ?) Staaten. Die Mehrzahl der afrikanischen Staaten hat also nur eine Regierung.

    Das sog. Nation Building, der zum Großteil erst in den 1960ern in die Unabhängigkeit entlassen kolonialen Kunststaaten, ist noch lange nicht abgeschlossen. Volksgruppen mit einer langen, unterschiedlichen Geschichte, alten und neuen Konflikte, müssen erst einmal zusammenfinden.

    Das von den (ehemaligen) Kolonialstaaten eingeführte Model des Nationalstaats ist vielleicht nicht die beste und die nicht überall passende Lösung. Unsere westlichen Begriffe von Monarchie, Demokratie, Ethnie, Nation reichen nicht aus, um die vielfältigen lokalen Traditionen auf dem afrikanischen Kontinent zu beschreiben. Die Menschen dort sollten die Möglichkeit bekommen, ihre eigene Geschichten fortzuschreiben und nicht durch internationalen Machtpolitik, Diplomatie und Entwicklungshilfe auf Linie gebracht werden.

  • Fast immer handelt es sich um Stammeskonflikte, die darauf zurückzuführen sind, dass man Stämme, die sich jahrhundertelang erbittert bekriegt hatten, in der Zeit des Kolonialismus willkürlich bei den durch die damaligen europäischen Mächte vorgenommenen Grenzziehungen mit dem Lineal ohne Rücksicht auf gewachsene territoriale Abgrenzungen gemeinsam in einem künstlich geschaffenen Land "einsperrte." Solange die Kolonialmächte mit überlegener Gewalt "den Deckel auf dem Topf hielten" und sich mit einem der Stämme verbündeten, um die anderen unten zu halten, funktionierte das Ganze. Nach der Entkolonialisierung brachen die uralten, lange unterdrückten Konflikte wieder auf. In Europa erlebten wir das sehr intensiv während des Auseinanderbrechens des Vielvölkerstaats Jugoslawien nach Titos Tod. In Afrika verhält es sich kaum anders, wie man auch bei den Gräueltaten im 2. Quartal 1994 in Ruanda erleben musste. "Frieden" wird in solchen Situationen meistens durch Druck von außen herbeigeführt. Wer sich meistbietend an den stärksten externen Verbündeten verkauft, der gewinnt die Kontrolle und schafft einen sehr fragilen Frieden oder eine etwas länger andauernde Friedhofsruhe.

  • Vielleicht ist es kein Zufall, dass auf einem Kontinent, dessen Staatsgrenzen von Kolonialmächten mit dem Lineal über die Karte gezogen wurden, viele Territorialkämpfe stattfinden.

  • Keine Erwähnung, dass es sich hier meistens um ethnische Konflikte handelt? Oder daß "Frieden" in solchen Konflikten immer mit massiver Korruption und Vetternwirtschaft einhergeht? Pardon, Herr Johnson, aber mMn fehlt da die Hälfte der Geschichte.