Politische Gewalt in Mexiko: Wahlkampf ist, wenn Blut fließt
In Mexiko sind vor den Regionwahlen allein 35 Kandidaten und Kandidatinnen getötet worden. Die Kartelle kämpfen um Einfluss in den Rathäusern.
Es ist Wahlkampf in Mexiko. Über 90 Millionen Bürgerinnen und Bürger sollen am kommenden Sonntag mehr als 15 Gouverneure, 30 regionale Abgeordnetenhäuser, das Parlament und knapp 2.000 Bürgermeisterämter entscheiden. Doch mit jedem Tag, mit dem die umfangreichste Wahl in der Geschichte Mexikos näher rückt, nimmt die Gewalt zu.
Mit dem Mord an Barragán in der vergangenen Woche steigt die Zahl der getöteten Kandidatinnen und Kandidaten auf 35. Insgesamt starben nach Angaben des Instituts Integralia bis Ende April schon 143 Wahlkampfhelfer, Politikerinnen oder Angehörige. Kein Tag vergeht, an dem nicht Amtsanwärter bedroht, entführt oder verletzt werden.
Nach Angaben von Integralia finden die meisten der Verbrechen auf kommunaler Ebene statt. „Für die organisierte Kriminalität, die in fast allen Regionen Mexikos präsent ist, spielt die Kontrolle über die Rathäuser eine wichtige Rolle. Wer den Bürgermeister finanziert, hat auch Polizei und Behörden auf seiner Seite, wenn es gilt, Drogen zu transportieren, Schutzgeld zu erpressen oder illegal Eisenerz abzubauen.
Der Einfluss ermöglicht es den Kartellen, Informationen über Sicherheitsstrategien und rivalisierende Organisationen zu bekommen“, erklärt Carlos Rubio von Integralia. „Und sie haben Zugang zu den Finanztöpfen der Gemeinden.“ Aus diesem Grund liefern sich auch abseits der Kartelle verfeindete Gruppen innerhalb der Kommunen blutige Kämpfe.
Die Parteizugehörigkeit ist Nebensache
Bei den Angriffen spielt das Parteiabzeichen meist keine Rolle. Barragán war für die oppositionelle „Bürgerbewegung“ angetreten, Galván für die ehemalige Staatspartei PRI, die sich ebenfalls in der Opposition befindet. Aber auch viele Politiker der regierenden Partei Morena des Präsidenten Andrés Manuel López Obrador wurden Opfer gewaltsamer Angriffe.
Nach dem Tod Barragáns machte der Staatschef die Mafia und, mit Blick auf die korrupten Strukturen von Politik und Wirtschaft, die „Verbrecher mit den weißen Kragen“ für die Tat verantwortlich. Zugleich kritisierte er, dass die Presse die Gewalt im Wahlprozess hochspiele.
Allerdings steht López Obrador, der im Dezember 2018 sein Amt übernahm, wegen seiner Politik gegen die Kartelle in der Kritik. Der Präsident setzt in erster Linie auf Sozialprogramme, um arbeitslose Jugendliche von der Mafia fernzuhalten. Um die wirtschaftliche Lage armer Familien zu verbessern, fördert er die ländliche Entwicklung.
Doch solche Projekte wirken langfristig. Seine Strategie „Umarmungen statt Schüsse“ zeigt noch keinen Erfolg: Mit mehr als 35.000 Morden sind die vergangenen zwei Jahre die gewalttätigsten, seit diese Verbrechen aufgezeichnet werden. Seine eigens zur Bekämpfung der Mafia gegründete Nationalgarde musste 2020 einen Chef des Sinaloa-Kartells wieder freilassen, weil sie dem massiven Terror der Organisation nicht gewachsen war.
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