Politische Gefangene in Ägypten: Erst eingesperrt, dann „begnadigt“
Ägypten hat zwei bekannte Menschenrechtler entlassen. Aktivisten fordern die Freilassung von Tausenden weiteren Gefangenen.
Zaki, ein ägyptischer Christ und Mitarbeiter der Ägyptischen Initiative für Persönliche Rechte (EIPR), hatte in Italien Gender Studies studiert. Im Februar 2020 wurde er festgenommen, kurz nachdem er zu einem Besuch in Kairo gelandet war. Im Dezember 2021 wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen, durfte Ägypten aber nicht verlassen.
Am vergangenen Dienstag schließlich verurteilte ihn ein Gericht wegen eines Meinungsartikels aus dem Jahr 2019. Der Vorwurf lautete unter anderem: Verbreitung von Falschnachrichten. In dem Text ging es um die Diskriminierung koptischer Christen in Ägypten.
Der Fall hatte international, vor allem in Italien, für Schlagzeilen gesorgt. Regierungschefin Giorgia Meloni erklärte, Zaki werde bereits am Donnerstag nach Italien zurückkehren, und bedankte sich bei al-Sisi für die „sehr wichtige Geste“. Sie erklärte, sie habe sich mehrfach gegenüber al-Sisi für Zaki eingesetzt.
Viele Muslimbrüder unter den Gefangenen
Meloni ist unter anderem deshalb um gute Beziehungen zu den nordafrikanischen Staaten bemüht, da sie mit Hilfe der autoritären Herrscher in der Region Menschen davon abhalten will, über das Mittelmeer zu fliehen.
Sanaa Seif, ägyptische Aktivistin
Der Anwalt Mohammed Baker, der bis Donnerstagnachmittag noch nicht auf freiem Fuß war, war 2019 festgenommen und 2021 verurteilt worden. Auch ihm wurden Falschnachrichten vorgeworfen. Amnesty International geht jedoch davon aus, dass er für seine Menschenrechtsarbeit bestraft werden sollte.
Baker hatte Ägyptens wohl bekanntesten politischen Gefangenen, den Aktivisten Alaa Abdel Fattah, vertreten, der seit knapp zehn Jahren mit kurzen Unterbrechungen im Gefängnis sitzt. Dessen Schwester Sanaa Seif schrieb nach Bekanntwerden der Begnadigungen am Mittwoch auf Twitter: „Zehntausende stehen noch aus, aber heute feiern wir.“
Wie viele politische Gefangene genau in Ägypten im Gefängnis sitzen, ist unklar. Schätzungen gehen von mehreren Zehntausend aus. Bei vielen handelt es sich um Anhänger/innen der Muslimbruderschaft und andere Islamist/innen, deren Schicksal im Westen wenig Aufmerksamkeit erhält. Das Militär unter al-Sisi hatte die Muslimbruderschaft 2013 entmachtet und geht seitdem rigoros gegen jegliche Gegner*innen der Militärherrschaft vor.
„Wir haben früher schon in einer Diktatur gelebt, aber nicht in einer so rigiden“, sagte Sanaa Seif kürzlich im taz-Interview. Sie beklagte, das in Ägypten mittlerweile – anders als vor der Revolution 2011 – jeglicher Raum für Meinungsäußerung fehle. Dies lasse Ägypten zwar äußerlich stabil erscheinen, jedoch habe sich viel Wut angestaut, so dass die Lage jederzeit eskalieren könne.
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