Politische Bildung an Schulen: Demokratie als Wahlfach
Das Netzwerk Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage unterstützt seit 30 Jahren Demokratiebildung an Schulen. Die ist oft optional und prekär.

Knapp 5.000 Schulen sind bundesweit Teil des Netzwerks Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage. Automatisch frei von Rassismus seien sie dadurch zwar nicht, sagt die Direktorin des Netzwerks, Sanem Kleff. „Aber sie haben sich dazu verpflichtet, nicht wegzuschauen, wenn rassistische, antisemitische oder andere diskriminierende Vorfälle an der Schule passieren.“
Sanem Kleff, Direktorin des Netzwerks
Das Netzwerk feiert dieser Tage sein 30-jähriges Bestehen. Abgesehen von dem Selbstverständnis verbindet die teilnehmenden Schulen auch ein Beratungsangebot. 16 Koordinierungsstellen unterstützen Schulen dabei, wenn sie beispielsweise Projekttage organisieren, mit einer Geflüchtetenunterkunft zusammenarbeiten, oder für die Umbenennung einer Straße eintreten möchten, die den Namen eines Kolonialgenerals trägt.
Demokratiebildung nicht Teil des Lehrplans
Dass demokratiefördernde Inhalte meist durch die Initiative externer Akteure in Schulen getragen werden, hält Kleff für problematisch. Sie sollten viel mehr fester Bestandteil der Lehrpläne sein. Diesen Schluss legen auch die Ergebnisse des diesjährigen Schulbarometers nahe. Das Barometer ist eine repräsentative Umfrage der Robert Bosch Stiftung unter deutschen Lehrkräften. Demnach hält jede:r zweite:r Lehrer:in die Demokratiebildung an Schulen für unzureichend.
Die Sozial- und Erziehungswissenschaftlerin Anja Besand kommentiert die Ergebnisse auf der Website der Stiftung. Auch ihr zufolge kommt Demokratiebildung in Schulen zu kurz, obwohl diese laut Landesverfassung und Schulgesetzen eigentlich einen demokratischen Auftrag haben. Lehrkräfte seien, so Besand, häufig nicht für die Vermittlung demokratiefördernder Inhalte ausgebildet. Das deutsche Bildungssystem sei zudem stark fachgebunden, Demokratiebildung aber eine fächerübergreifende Aufgabe.
Regionale Unterschiede
Um Demokratievermittlung in der Schule zu stärken, müssten nicht nur die Lehrpläne verändert werden, meint Kleff. Entscheidend sei auch eine demokratische Praxis in der Schule selbst. So könnten Kinder und Jugendliche lernen, wie demokratisches Mitentscheiden praktisch funktioniert.
Während die Ergebnisse des Schulbarometers einen Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland rund um das Thema Demokratievermittlung feststellt, betont Kleff vor allem Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie zwischen reichen und armen Kommunen. „Wo kein Geld für die Schwimmbadsanierung ist, sind auch die Schulen meist unterversorgt“, so Kleff. Im ländlichen Raum mangele es zudem häufig an Akteuren aus dem Bereich der Demokratiebildung.
Insgesamt zieht Kleff mit Blick auf die Entwicklung seit Gründung des Netzwerks eine gemischte Bilanz. Verglichen mit den 90er Jahren gebe es heute deutlich mehr Demokratiebildung. Dazu hätten maßgeblich bundesweite Förderprogramme beigetragen, die in den 2000er Jahren entstanden sind. Problematisch sei jedoch, dass die finanzielle Ausstattung dieser Programme mittlerweile stark abnehme, so Kleff. „Schließlich müssen wir eigentlich gerade jetzt, wo Rechte zunehmend Mehrheiten gewinnen, vorsorgen und demokratiefördernde Elemente in den Schulen fest verankern.“
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