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Politische Bildung an SchulenDemokratie als Wahlfach

Das Netzwerk Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage unterstützt seit 30 Jahren Demokratiebildung an Schulen. Die ist oft optional und prekär.

Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage: Das Netzwerk feiert dieser Tage sein 30-jähriges Bestehen Foto: Philip Dulian/dpa

Knapp 5.000 Schulen sind bundesweit Teil des Netzwerks Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage. Automatisch frei von Rassismus seien sie dadurch zwar nicht, sagt die Direktorin des Netzwerks, Sanem Kleff. „Aber sie haben sich dazu verpflichtet, nicht wegzuschauen, wenn rassistische, antisemitische oder andere diskriminierende Vorfälle an der Schule passieren.“

Demokratiebildung sollte Bestandteil der Lehrpläne sein

Sanem Kleff, Direktorin des Netzwerks

Das Netzwerk feiert dieser Tage sein 30-jähriges Bestehen. Abgesehen von dem Selbstverständnis verbindet die teilnehmenden Schulen auch ein Beratungsangebot. 16 Koordinierungsstellen unterstützen Schulen dabei, wenn sie beispielsweise Projekttage organisieren, mit einer Geflüchtetenunterkunft zusammenarbeiten, oder für die Umbenennung einer Straße eintreten möchten, die den Namen eines Kolonialgenerals trägt.

Demokratiebildung nicht Teil des Lehrplans

Dass demokratiefördernde Inhalte meist durch die Initiative externer Akteure in Schulen getragen werden, hält Kleff für problematisch. Sie sollten viel mehr fester Bestandteil der Lehrpläne sein. Diesen Schluss legen auch die Ergebnisse des diesjährigen Schulbarometers nahe. Das Barometer ist eine repräsentative Umfrage der Robert Bosch Stiftung unter deutschen Lehrkräften. Demnach hält je­de:r zwei­te:r Leh­re­r:in die Demokratiebildung an Schulen für unzureichend.

Die Sozial- und Erziehungs­wissenschaftlerin Anja Besand kommentiert die Ergebnisse auf der Website der Stiftung. Auch ihr zufolge kommt Demokratiebildung in Schulen zu kurz, obwohl diese laut Landesverfassung und Schulgesetzen eigentlich einen demokratischen Auftrag haben. Lehrkräfte seien, so Besand, häufig nicht für die Vermittlung demokratiefördernder Inhalte ausgebildet. Das deutsche Bildungssystem sei zudem stark fachgebunden, Demokratiebildung aber eine fächerübergreifende Aufgabe.

Regionale Unterschiede

Um Demokratievermittlung in der Schule zu stärken, müssten nicht nur die Lehrpläne verändert werden, meint Kleff. Entscheidend sei auch eine demokratische Praxis in der Schule selbst. So könnten Kinder und Jugendliche lernen, wie demokratisches Mitentscheiden praktisch funktioniert.

Während die Ergebnisse des Schulbarometers einen Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland rund um das Thema Demokratievermittlung feststellt, betont Kleff vor allem Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie zwischen reichen und armen Kommunen. „Wo kein Geld für die Schwimmbadsanierung ist, sind auch die Schulen meist unterversorgt“, so Kleff. Im ländlichen Raum mangele es zudem häufig an Akteuren aus dem Bereich der Demokratiebildung.

Insgesamt zieht Kleff mit Blick auf die Entwicklung seit Gründung des Netzwerks eine gemischte Bilanz. Verglichen mit den 90er Jahren gebe es heute deutlich mehr Demokratiebildung. Dazu hätten maßgeblich bundesweite Förderprogramme beigetragen, die in den 2000er Jahren entstanden sind. Problematisch sei jedoch, dass die finanzielle Ausstattung dieser Programme mittlerweile stark abnehme, so Kleff. „Schließlich müssen wir eigentlich gerade jetzt, wo Rechte zunehmend Mehrheiten gewinnen, vorsorgen und demokratiefördernde Elemente in den Schulen fest verankern.“

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3 Kommentare

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  • Demokratiebildung, die sich im Abhaken einer Liste der Institutionen und Verfahren der Verfassungsdemokratie erschöpft oder in deren Lobhudelei ausartet, braucht kein Mensch. Sie ist nichts anderes als politische Indoktrination. Demokratiebildung sollte die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit und Bewertung von unterschiedlichen Entwürfen von Demokratie entwickeln. Es kann dabei nicht nur um explizit politische Bildung gehen. Fragen demokratischer Mitbestimmung sind schon im Alltag und im kleinen Kreis relevant und dürfen Themenbereichen wie Wirtschaft, Technik, Medien, Kultur usw. nicht ausklammern. Der Sinn für demokratische Mitbestimmung muss geschärft und demokratische Umgangsformen müssen praktisch erlernt werden.

    • @DemokratischeZelleEins:

      Als Zusatz:



      Demokratie kann man am Ende nicht lehren oder von oben verordnen. Demokratische Mitbestimmung muss man tagtäglich gegen jede Form von Obrigkeit, Herrschaft und Macht erkämpfen.

  • Zunächst sollte Demokratie an einer Schule praktiziert werden, z.B. durch Stärkung der Schülerparlamente und durch eine Lehrerschaft, die die demokratischen Werte vorlebt.



    Jedes Fach hat die Möglichkeit Demokratie als Inhalt des Unterrichts einzubeziehen.



    Warum die Fächer Politik und Geschichte zu wenig beisteuern, erschließt sich mir nicht.

    Religion ist ein Fach, welches mit seinen Sonderrechten nicht nur sehr viele Stunden erhält, sondern auch durch seine Sonderbehandlung (Anzahl der Wochenstunden, keine progressiven Unterrichtsinhalte, verschiedene Fakultas, Parallelunterricht aufgrund von Kursbildungen) den Schulbetrieb aufbläht und lähmt.



    Daher wäre der Staatsvertrag mit den Kirchen zu kündigen, um religionskundlichen Unterricht zu ermöglichen, gleichzeitig die Stundenanzahl zu kürzen. Die Kürzung wäre dann zu Gunsten der Schulung demokratischen Verständnisses. Hierfür braucht es Zeit, also Stunden.