Politikwissenschaftler über Polizei: „Diesen Rassismus gibt es“
Überall gebe es latenten Rassismus, sagt Polizeiforscher Hans-Gerd Jaschke. Bei der Polizei sei das aber ein besonderes Problem für die Demokratie.
taz: Herr Jaschke, die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat gesagt, es gebe „latenten Rassismus“ bei der Polizei. Dafür bekommt sie viel Kritik, auch aus der eigenen Partei. Eine vermessene Behauptung?
Hans-Gerd Jaschke: Nein, denn diesen Rassismus gibt es. Das zeigen die wenigen Untersuchungen, die wir haben. Natürlich gibt es auch in anderen Berufsgruppen latenten Rassismus, insofern würde ich das nicht dramatisieren, aber: Die besondere Bedeutung bei der Polizei liegt darin, dass sie über das Gewaltmonopol verfügt. Wenn der Lokomotivführer rassistische Überzeugungen hat, aber mich trotzdem gesund zu meinem Ziel bringt, dann kann ich ihm das vielleicht nachsehen. Aber wenn der Polizeibeamte mit ethnischen Minderheiten zu tun hat und dort seine Überzeugungen auslebt, dann ist das sehr gefährlich für die Demokratie.
Warum fällt es der Polizei so schwer, strukturellen Rassismus anzuerkennen?
Die Polizeiführung und die Innenbehörden haben sich jahrzehntelang sehr schwer getan, überhaupt einen kritischen Blick in das Innere der Polizei zuzulassen. Wir haben erst seit wenigen Jahren Ombudsleute, andere europäische Länder sind da weiter. Wir haben Anfang dieses Jahres erstmalig in der Bundesrepublik eine Untersuchung zu rechten Tendenzen in der Polizei durchgeführt, nämlich in Hessen. Andere Bundesländer sollten hier nachziehen. Es ist wichtig, einen genauen Blick auf die Polizei zu werfen, doch die Polizeiführung scheint mir auf dem richtigen Weg.
Sie haben sich schon in den 90er Jahren mit Rassismus der Polizei beschäftigt. Wieso wird das Problem noch immer nicht klar benannt?
Die Entwicklung der Polizei zu einer Institution, in der es so gut wie keinen Rassismus gibt, ist ein dickes Brett, das man bohren muss. Es sind einige wichtige Schritte eingeleitet worden. Die Erhöhung des Anteils ethnischer Minderheiten in der Polizei und die Erhöhung des Frauenanteils gehören dazu. Ehe sich das in der Polizeikultur niederschlägt, dauert es sicher viele Jahre.
Manche mögen diese Zeit haben, andere fühlen sich jetzt von der aktuellen Polizeikultur bedroht. Was kann akut getan werden?
Innerhalb der Polizei muss an einem Betriebsklima gearbeitet werden, das offener ist. Es braucht Polizisten, die ihrer Führungsposition besser nachkommen können, weil sie sich fortbilden können. Es kann nicht sein, dass dienstliche Einsätze zu knapp oder gar nicht aufgearbeitet werden. Es muss auch gegen Racial Profiling mehr getan werden. Es darf nicht sein, dass Schwarze Menschen nur aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert werden. Das würde ich rassistisch nennen.
Hans-Gerd Jaschke, 67 Jahre alt, ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Von 2002 bis 2007 leitete er den Fachbereich Rechts- und Sozialwissenschaften an der Hochschule der Polizei in Münster.
Man muss aber auch sehen, dass die Polizei mitunter Schwerpunkteinsätze fährt, in der Personen nach ihrem Erscheinungsbild kontrolliert werden. Wenn bei Risikospielen im Fußball Hooligans befürchtet werden, muss die Polizei weiße Männer im Alter von 16 bis 35 verstärkt kontrollieren. Hier muss die Polizei mehr Aufklärungsarbeit leisten – im öffentlichen Diskurs wird Rassismus häufig mit notwendiger Überprüfung vermischt.
Dieser Tage haben viele Menschen ihre Rassismuserfahrungen mit der Polizei öffentlich gemacht. Haben die sich etwa alle in der Nähe von Drogenumschlagplätzen aufgehalten?
Es gibt rassistisches Verhalten in der Polizei, das ist unumstritten. Ebenso unumstritten ist es, dass die Polizei Schwerpunkteinsätze fahren muss, in der bestimmte Gruppen kontrolliert werden müssen. Wir wissen viel zu wenig darüber, wie sich das zahlenmäßig verhält.
Menschen, die Racial Profiling durch die Polizei erleben, empfinden es häufig nicht als sinnvoll, die Vorfälle polizeilich zu melden. Kann ein unabhängiger Polizeibeauftragter dabei helfen?
Den wird es in Berlin geben, und es sollte auch bundesweit Beschwerdestellen außerhalb der Polizei geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren