Politiker über Razzien in der Rigaer Straße: „Schaden für die innere Sicherheit“

Sind die Razzien in der Rigaer Straße die Eröffnung des Berliner Wahlkampfs? Oder sind sie eine Racheaktion gegen die autonome Szene?

Zu Gast bei Freunden: Polizisten in der Rigaer Straße. Foto: dpa

Berlin taz | So viel Aufmerksamkeit hatte die autonome Szene Berlin-Friedrichhains schon lange nicht mehr: Seit Tagen beschäftigt die Diskussion über die Polizeieinsätze in der Rigaer Straße die Stadt. Der Ton wird dabei immer schärfer: Während Politiker der Regierungsparteien SPD und CDU die polizeilichen Maßnahmen verteidigen, übt die Opposition einhellig Kritik an den Einsätzen – wenn auch mit etwas unterschiedlicher Begründung.

Aus Sicht der Grünen-Abgeordneten Canan Bayram sind die Razzien und Kontrollen vor allem eins: Wahlkampferöffnung für den CDU-Innensenator Frank Henkel. „Vier Jahre lang hat er als Innensenator nichts getan, jetzt wird der Wahlkampf auf dem Rücken der Polizeibeamten ausgetragen.“ Angesichts der Klagen über eine personell schlecht ausgestattete Polizei seien die personalintensiven Maßnahmen nicht nachvollziehbar. „Mir haben Beamte vor Ort selbst gesagt, dass sie sich lieber an sinnvolleren Einsätzen beteiligen würden“, sagte Bayram am Mittwoch.

Als „ordinäre Racheaktion“ bezeichnete Oliver Höfinghoff, Abgeordneter der Piratenfraktion, die Einsätze. Die Polizei bewege sich „rechtlich auf sehr dünnem Eis“, Henkel nehme mit den Maßnahmen „bewusst eine Eskalation in der Stadt in Kauf“. Auch Hakan Taş,innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, betonte den „Schaden für die innere Sicherheit“, den ein solches Vorgehen mit sich bringe. „Statt das Gespräch mit den Anwohnerinnen und Anwohnern zu suchen, wird hier ein willkürliches Vorgehen auf dem Rücken der Stadt umgesetzt.“

Rigaer 94 nach der Razzia

Ordnung muss sein – wer weiß das besser als deutsche Ordnungshüter? Und wie macht man das? Am besten mit 550 Polizisten, SEK-Einheiten, Hubschraubern und Hundestaffel. Zu ordnendes Objekt: das linke Hausprojekt Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain. Foto: dpa

Die gelbe Wohnungstür stand den Ordnungshütern leider im Weg, ... Foto: Rigaer 94

... genau wie das Regal samt Inhalt im Wohnzimmer. Foto: Rigaer 94

Was im Plattenspieler versteckt war, konnte leider durch die durchsichtige Abdeckung nicht gesehen werden – deswegen wurde ein Guckloch reingemacht. Foto: Rigaer 94

Spieglein, Spieglein an der Wand... Wer ordnet am besten in diesem Land? Foto: Rigaer 94

Die Scherben eines zerstörten Bilderrahmens wurden unter der Bettdecke gefunden. Wo geordnet wird, da fallen Scherben. Foto: Rigaer 94

Hier schossen die Ordnungshüter etwas über das Ziel hinaus. Statt Ordnung zu bringen wurde übereifrig mit dem Abriss der Treppe begonnen. Foto: Rigaer 94

Ein Tornado? Ein Elefant? Nein, es war die Ordnungsmacht, die das Geländer entfernte, um die Treppe ausgiebig nutzen zu können. Foto: Rigaer 94

Ordnung muss sein. Nach der Aktion klebten die Einsatzkräfte eine Mitteilung an die Haustür, wo der Schlüssel abzuholen ist. Foto: Rigaer 94

Aus praktischen Gründen wurde die Haustür komplett entfernt. Stört eh nur, wenn so viele Menschen auf einmal ins Haus drängen. Foto: Rigaer 94

Koalitionsabgeordnete hingegen verteidigen das Vorgehen der Polizei, vorneweg der SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber, der bereits seit Monaten immer wieder die „Auswüchse linksextremer Gewalt“ kritisiert und sich auf dem Nachrichtendienst Twitter in diesen Tagen einen regelrechten Kleinkrieg mit Angehörigen der linken Szene liefert.

In der Nacht zu Dienstag hatten Unbekannte das Büro des SPD-Politikers und Parlamentspräsidenten Ralf Wieland beschmiert – der Schriftzug „#tomduarsch“ legte dabei nahe, um wen es eigentlich ging. Frank Henkel bekräftigte am Mittwoch erneut, keine Rückzugsräume für Gewalttäter zu dulden. Der Berliner SPD-Vorsitzende Jan Stöß hatte die autonome Szene zuvor als „Hobbyguerilla“ bezeichnet.

Comments

[Ansgar Reb]

Was wären besetzte Häuser ohne Polizei. Beide Seiten sollten sich Blumen schicken.

[Togijak]

Wer Wind sät wird Sturm ernten, dass werden Menschen wie Herr Henkel sicher irgendwann leidvoll lernen müssen und ein Jan Stöß wird sich seine "Hobbyguerilla" zurück wünschen wenn die Szene die Samthandschuhe auszieht. Noch sind es nur Farbbeutel, aber es gibt auch andere Mittel die dann richtig weh tun könnten. Eigentlich sollte man von Menschen die Politik machen so viel Verstand erwarten können, dass sie verstanden haben, dass Deeskalation das Mittel der Wahl wäre. Ich bewundere die Gelassenheit mit der die Bewohner der Rigaer Straße im Moment noch reagieren.

[tman]

Das sind keine Polizisten, eher sowas wie eine Sturmabteilung. Wer sowas tut, also unter Lügen gesetzwidrig, d.h. ohne Gerichtsbeschlüsse oder sonstige rechtlichen Grundlagen Gewalt anwendet und Leuten ihr Zeug inklusive Heizmitteln bei Minustemperaturen klaut, hat nicht nur sein Gewaltmonopol verspielt, er braucht sich auch nicht wundern, wenn das eskaliert und er mal RICHTIG was auf die Mütze bekommt, genau wie er es sich mit solchen Aktionen verdient hat.

[Jens Frisch]

@tman:

"... Leuten ihr Zeug inklusive Heizmitteln bei Minustemperaturen klaut"

 

Posten Sie gerade vom Südpol?

Welche Minusemperaturen?

[Sven Buchien]

Ich verstehe das "oder" in der Zwischenüberschrift nicht. Diese Aktion ist sowohl Wahlkampf von Herrn Henkel wie auch eine Racheaktion an der Linksautonomen Szene.

[Senza Parole]

Wenn man sich die Bilder so anschaut, scheinen einige Ordnungshüter ja doch viel Spass an dem Einsatz gehabt haben und sich nicht lieber an sinnvolleren Einsätzen beteiligt.