Politik in der Klimakrise: Die EU-Komission fliegt Privatjet
Wie oft nutzen Kommissionschefin von der Leyen und ihr Team klimaschädliche Charterflüge? Dazu schweigt die EU-Kommission, trotz wiederholter Anfragen.
Flüge in Privatjets sorgen in Brüssel immer wieder für Schlagzeilen. Im April hatte das Magazin Politico enthüllt, dass EU-Ratspräsident Charles Michel mehrere Millionen Euro für gecharterte Flüge ausgegeben hat. Im Juni teilte die EU-Kommission dann mit, dass sie trotz der Klimakrise kein Verbot von Privatjets plane.
Nun erreicht der Skandal auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen und ihre Behörde. Denn von der Leyens Team schiebt kritische Fragen auf die lange Bank. „Wie oft hat die EU-Kommission Privatjets genutzt. Und wie groß ist das entsprechende Budget?“ – das wollte der Linken-Politiker Martin Schirdewan bereits Ende 2022 wissen.
Doch die Antwort, die EU-Budgetkommissar Johannes Hahn fünf Monate später schickte, war unvollständig: Sie enthielt keine Details über die Flüge und keine Angaben zu den Kosten. Ein Affront, meint Schirdewan, der als Co-Vorsitzender die Linken-Fraktion im EU-Parlament leitet.
Was ist aus von der Leyens „Green Deal“ geworden?
Auch die Chefin des Haushaltskontrollausschusses, Monika Hohlmeier (CSU), sieht Klärungsbedarf. Schließlich werden Flüge der Kommissare aus dem EU-Budget bezahlt. Sie hakte nach und drohte, den Streit zum Thema im Ausschuss zu machen. Doch eine Deadline, die das Parlament der EU-Kommission setzte, verstrich letzte Woche ohne Ergebnis.
Martin Schirdewan, Linken-Politiker
Nun herrscht dicke Luft in Brüssel. Von der Leyen muss sich auf unbequeme Fragen einstellen, wenn sie am Mittwoch vor dem Europaparlament ihre jährliche Rede zur Lage der EU hält. Es ist ihre letzte Ansprache in dieser Legislatur. Das Parlament will wissen, was aus dem „Green Deal“ und anderen großen Plänen geworden ist.
Schirdewan zieht eine kritische Bilanz: „Ursula von der Leyen und ihre Kommissare fliegen für einzelne Besprechungen durch ganz Europa, während die Mehrheit umweltbewusster leben und möglichst gar nicht mehr fliegen soll“, kritisiert er. Die Kommission predige Wasser, trinke selbst aber Wein.
Wie groß das Problem ist, lässt sich nur ahnen. Allein Ratspräsident Michel soll seit Beginn seiner Amtszeit 2019 bis Ende 2022 nicht weniger als 72-mal in gecharterten Maschinen geflogen sein. Bei den 27 EU-Kommissaren dürften die Zahlen noch höher sein.
Mangelnde Transparenz der EU-Kommission
Schriftliche Anfragen von EU-Abgeordneten müssen normalerweise nach sechs, bei dringenden Fragen sogar schon nach drei Wochen beantwortet werden. Doch von der Leyens Team hält diese Regel kaum je ein.
Nicht nur Schirdewans Frage wurde auf die lange Bank geschoben. Abgeordnete aller Parteien klagen darüber, dass ihre Anfragen nicht oder verspätet beantwortet werden. Auch die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly kritisiert immer wieder die mangelnde Transparenz der EU-Kommission unter von der Leyen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana