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Politik gegen Zigaretten und VapesVerbotsdebatte, bitte hier lang!

Die Diskussion über ein Rauchverbot ist wahrscheinlich fast so alt wie Zigaretten selbst. Es braucht neue, mutige Verbotsdebatten: für E-Mails etwa.

Fluch oder Segen: die „letzte“ Zigarette Foto: imago

A nkündigungen, etwas verbieten zu wollen, sind ein beliebtes Drohmittel. Seit Jahrzehnten kündige ich meinem Kühlschrank und meinem Feuerzeugarsenal an, sie zu strikten Verbotszonen erklären zu wollen.

Weder werde es künftig erlaubt sein, die Tür zu den kühlen Regalen zu öffnen und etwas anderes als Magerquark rauszuholen, noch da etwas reinzustellen, was auch nur in die Nähe von Schmelzkäseecken kommt.

Meine Hausverwaltung stellte mir zur Unterstützung sogar einen neuen Gasherd bereit, der sich von selbst entzündet, sodass es für den Besitz von Feuerzeugen, die doch nur dazu verführen, eine Zigarette anzuzünden, keinen triftigen Grund mehr gibt.

Nun hat die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides diese Woche eine andere, jahrzehntelange Verbotsdebatte aus der Mottenkiste gekramt und den EU-Mitgliedsländern empfohlen, Zigaretten samt elektronischen Varianten zu verbieten – und zwar auch draußen.

Angeblicher Kampf um die Volksgesundheit

Der SPD- Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut begrüßte das und ließ wissen: „Niemand sollte unfreiwillig dem gesundheitsschädlichen Rauch von Zigaretten, E-Zigaretten und anderen Dampfprodukten ausgesetzt sein. Deshalb ist es sinnvoll, ein generelles Rauch- und Dampfverbot überall dort auszusprechen, wo sich Kinder, Jugendliche und auch erwachsene Nichtraucher und Nichtraucherinnen aufhalten müssen.“

Die Anklage an das Passivrauchen ist so alt, man wird eines Tages wahrscheinlich auch Notizen von Adorno dazu finden. Für Po­li­ti­ke­r*in­nen ist sie die billigste Variante, um zu demonstrieren, dass man sich mutig, entschlossen und ohne faule Kompromisse in den Kampf um die Volksgesundheit wirft. Sie existiert auf europäischer Ebene übrigens schon seit mindestens über 20 Jahren.

Dieser neuerliche „Vorstoß“ der EU ist auch nur wieder ein weiteres Beispiel für den in den letzten Jahren enorm im Trend liegenden Stil namens Symbolpolitik. Mittlerweile sind schon Menschen aus ihren Mietwohnungen geworfen worden, weil sie in ihnen geraucht haben und gerichtlich festgestellt wurde, dass sobald Rauchen objektiv als „wesentliche Beeinträchtigung Dritter“ zu werten ist, Nachbarn den Qualm nicht mehr tolerieren müssen.

War die EU-Gesundheitskommissarin in den vergangenen Jahren schon mal auf einem Kinderspielplatz? Weiß sie, dass der Angriff der Eltern auf dort Rauchende ungefähr so kompromisslos ist wie der israelische auf die Hamas?

Debatte von vorgestern

Die Rauchverbotsankündigungsdebatte ist echt von vorgestern. Wenn schon Verbot, dann endlich mal mit Mut und Esprit zu was Neuem. Es liegt doch noch so viel Zeug rum, über das man eine Verbotsdebatte lostreten könnte. Zum Beispiel das Verbot der Anklage: „Du hast deine Mails nicht gelesen.“

Es ist zu begrüßen, wenn Mails zu Litfaßsäulen werden. Man geht so lange an ihnen vorbei, bis man sich eines Tages fragt, wann eigentlich das Lady Gaga Konzert ist, zu dem man doch vielleicht gehen wollte. Dann guckt man auf die Litfaßsäule mit dem Konzertplakat, um zu erfahren, dass es grade gestern stattgefunden hat.

„Niemand sollte unfreiwillig der gesundheitsschädlichen Anklage ‚Du hast deine Mails nicht gelesen‘ ausgesetzt sein.“ Deshalb ist es sinnvoll, ein generelles Anklageverbot an ungelesene Mails überall dort auszusprechen, wo sich Kinder, Jugendliche und auch erwachsene Nichtmaillesende aufhalten müssen.“

Rauchen macht Krebs, impotent und fördert Amputation. Und die Mails? Machen Burn-out, bestehen zu 90 Prozent aus Werbung und Betrug und sabotieren wissenschaftlich erwiesen die Zusammenarbeit. Die Rolle digitaler Kommunikationsmittel für den Aufstieg der Rechten ist bekannt. Sie schaden der Volksgesundheit mehr als jede Zigarette. Verbotsdebatte, bitte hier lang.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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9 Kommentare

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  • Wann spricht es sich endlich herum, daß weder Whataboutism noch überzogene Vergleiche (Israel-Hamas) noch der Hinweis, daß die Gegenseite seit 20 Jahren dasselbe sagt, in irgend einer Weise stichhaltige Argumente sind?

    Kommentare gekürzt. Btte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

     

  • Viele Verbote sind ebenso wenig zu Ende gedacht, wie manche Gegenargumente. Wenn es dann noch mehr Meinungsvielfalt als ein Pro und ein Kontra gibt, dann kommen alle, inklusive der Medien, an ihre Belastungsgrenzen. Ein Sprung auf die Metaebene und schon stellt sich wieder eine einfache, überschaubare Ordnung ein. Der liberale Geist findet dort seinen Ausweg: 'Verbote sind immer das Gegenteil individueller Freiheit!' Er findet sein pragmatischstes Gegenargument: 'Verbote nur, wenn sie zu 100% umsetzbar sind!' Erweicht die Herzen mit seinem populistischem Wehklagen: 'Was will man uns den noch alles verbieten?'

    Am Ende verbietet sich so jedes Verbot, auch wenn es im Einzelfall gute Gründe für ein Verbot gibt: Gründe, die die eigene Verantwortung gegenüber den Mitmenschen und der Welt nahelegen.

  • Was wäre denn die Alternative zu einem Verbot? Das beides, wenn auch nur bedingt zu vergleichen, schädlich ist, ist klar. Ein staatliches Monopol für alle Drogen mit teuren Preisen und ohne Werbung hätte sicher auch Wirkung. Oder eine Sozialpolitik welche den Drogenmissbrauch unnötig macht. Aber in allen genannten Fällen wären es Dinge die der Staat tun müsste. Angesichts der aktuellen neoliberalen/faschistischen Entwicklung unwahrscheinlich. Die Frage wäre also was wir selbst tun können!? Wie werden wir eine soziale Gesellschaft ohne Herrschaft?

    • @Caspar Hirsch:

      Mensch und Tier hat schon immer und wird auch weiter Drogen nehmen.

      Sinnvoll wäre eine Schadensreduktion aller beteiligten.

      Eigenanbau komplett legalisieren.

      Konsument:innen nicht verfolgen.

      Kostenfreie flächendeckende Drogenchecks für Partydrogen.

      Konsumräume mit sauberen Spritzen, usw.

      Das sind die einfachsten Schritte die alle eine postive Wirkung hätten.

      Dann könnte man einnen Schritt weiter gehen.

      Partydrogen wie MDMA sollten auch auf legalem Weg erwerbbar sein.

      Heroin für Süchtige könnte es vom Staat geben um Phentanyl wieder vom Markt zu drängen.

      Am wichtigsten ist MEHR AUFKLÄRUNG für einen Bewusster Umgang mit phsychoaktiven Mitteln.

      Also auch Caffee, Alkohol und co. und die Wechselwirkungen.

      • @sociajizzm:

        Sicher, allerdings sind wir uns doch schon einig das Abhängigkeiten ob psychisch oder körperlich nicht wünschenswert sind und das Gegenteil von Freiheit bedeuten? Nicht alle Drogen bieten so eine große Gefahr für Abhängigkeiten und anderes, diese Drogen könnte man doch gut verfügbar machen. Bei gefährlichen muss man schauen wie man den Konsum gesenkt bekommt, aber auch da sicher nicht durch Substanzverbote. Ich finde es sinnvoller gesellschaftliche Umstände so zu verändern das man keine Drogen "braucht" um sie zu ertragen. Natürlich kann man trotzdem Drogen nehmen, soweit man anderen nicht damit schadet.

  • Ich mag Polemik, aber sehr entäuschend ist, das der Autorin als Gegenpart zum absoluten Rauchverbot nichts uninspirierteres, gähnlangweiliges als ein E-Mail-Verbot einfällt . Und das nun schon unendlich oft gelesene Politikerbashing verschlimmbessert es nur.



    Wenn schon Polemik, dann endlich mal mit Mut und Esprit zu was Neuem.

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    Dampf ist Wasser mit Geschmack. Es riecht nichtmal nach was. Wie in jeder Disko. Aber was kümmert es die Politik?

  • Stimmt. Die vapes mit ihren lithiumbatterien sind ja auch besonders gut fuer die umwelt. Ueber ein verbot nachzudenken, ist definitiv unsinnig.

    • @Hannes Petersen:

      Es sollen ja nicht die Vapes verboten werden, sondern das Dampfen und Rauchen in Außenbereichen. Außerdem handelt es sich um eine "Empfehlung an die Mitgliedstaaten", also ungefähr das zahnloseste, was die Kommission zu bieten hat.