E-Zigaretten-Fachmann der Behörde BfR: Tabaklobby „kauft“ Experten

Der früher wichtigste Experte des Bundesinstituts für Risikobewertung geht zur Tabakindustrie. „Skandal“, sagen Nichtraucher-Aktivisten.

Jemand hält eine dampfende E-Zigarette in die Kamera

Mit E-Zigaretten kennt sich Frank Henkler-Stephani aus Foto: Panthermedia/imago

BERLIN taz | Frank Henkler-Stephani, ehemals wichtigster E-Zigaretten-Experte des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), wird Lobbyist der Tabakindustrie. Der Chemiker habe am BfR an der Zulassung von Produkten wie Tabak­erhitzern sowie „an Normungsvorhaben für Tabak­erzeugnisse und E-Zigaretten sowie der Jugendschutzgesetzgebung“ mitgewirkt, gab der Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse bekannt. Der 54-Jährige werde am 30. April beim Staat aufhören und am nächsten Tag bei dem Verband beginnen, sagte dessen Hauptgeschäftsführer Jan Mücke am Donnerstag der taz.

Für die Nichtraucherorganisation Forum Rauchfrei ist das ein „handfester Skandal“: „So ein Experte darf nicht zur Tabakindustrie wechseln, auch nicht nach einer Wartezeit“, forderte der Sprecher der Initiative, Johannes Spatz. „Er stellt mit seinem Wissen und seinen Kontakten eine nicht zu unterschätzende Gefahr für das BfR dar.“ Schließlich kenne der Wissenschaftler Interna der Behörde, die er an die Industrie verraten könne. „Henkler-Stephani muss wissen, dass er in Zukunft die Marionette eines Verbandes sein wird, dessen Mitglieder mitverantwortlich sind für 127.000 jährliche Todesfälle alleine in Deutschland“, so Spatz.

Der Wissenschaftler selbst sieht seine neue Aufgabe dem Industrieverband zufolge aber „nicht als Seitenwechsel, sondern vielmehr als Chance, das gesundheitspolitische Potenzial von E-Zigaretten“ zu bewerben. Der Chemiker wolle „zu einer Versachlichung politischer Entscheidungen beitragen“. Soll wohl heißen: Henkler-Stephani wird dazu beitragen, elek­tri­sche Zigaretten als möglichst ungefährlich darzustellen, damit sie zum Beispiel nicht so stark besteuert werden.

Die Industrie preist E-Zigaretten zwar als „eine (potenziell risikoärmere) Alternative“ des Nikotinkonsums zum Rauchen an. Da in den Geräten nichts verbrannt, sondern eine nikotinhaltige Flüssigkeit verdampft wird, würden nicht so viele schädliche Stoffe frei. Doch laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung lässt sich mangels Studien noch nicht abschätzen, wie schädlich der Konsum von E-Zigaretten ist, die eben auch gesundheitsgefährdende Substanzen enthalten. Da beim Ziehen an E-Zigaretten ein ähnliches Verhalten ausgeübt wird, könnten sie den Einstieg ins Tabakrauchen fördern.

Portrait von Frank Henkler-Stephani

Frank Henkler-Stephani Foto: BVTE

Industrieverband: „Ausreichende Karenzzeit“

Gefährden Seitenwechsel die Unabhängigkeit von BfR-Mitarbeitern? Die Behörde ging in ihrer Antwort für die taz darauf nicht ein, sondern beharrte einfach darauf, dass ihr Personal unabhängig arbeite. Henkler-Stephani ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Sein künftiger Chef Mücke aber wies den Vorwurf eines ­Interessenkonfliktes ­zurück. Der Chemiker habe sich seit eineinhalb Jahren beim BfR nicht mehr mit Tabakfragen befasst. Mücke sprach von „­ausreichender ­Karenzzeit“. Nichtraucher Spatz überzeugt das nicht. „Henkler-Stephani ist immer noch Teil des Instituts, hat dort alle Türen offen und gilt als Top­­fachmann“, sagte der Arzt.

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