Polit-Rückkehr in Afghanistan: „Schlächter von Kabul“ findet Frieden

Die UN heben Sanktionen gegen den berüchtigten Warlord Gulbuddin Hekmatjar auf. Seine Islamische Partei will jetzt wieder Politik machen.

Zwei Männer schütteln Hände

2016 schloss die Partei Hisb-i-Islami ein Friedensabkommen mit der afghanischen Regierung Foto: imago/Xinhua

KABUL taz | Eine der schillerndsten Figuren des Bürgerkriegs kehrt in die afghanische Politik zurück. Die Aufhebung der Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat hat den Weg frei gemacht für den Führer der Islamischen Partei Afghanistans (Hisb-i-Islami), Gulbuddin Hekmatjar. Vorausgegangen war ein Friedensschluss zwischen der afghanischen Regierung und der Islamischen Partei, die nach den Taliban die zweitstärkste Kraft in der afghanischen Aufstandsbewegung war. Im Gegenzug für die Aufnahme ins politische System des Landes beendet die Hisb ihren bewaffneten Kampf.

Bis zuletzt hatte vor allem Paris die Aufhebung der Sanktionen verhindert. Hekmatjars Kämpfer sind für den Tod von zehn französischen Soldaten verantwortlich, die im August 2008 östlich von Kabul in einen Hinterhalt geraten waren. Das war der größte Einzelverlust Frankreichs während seiner Beteiligung am Militäreinsatz in Afghanistan bis Ende 2012.

Rund 2.000 Gefangene der Partei könnten jetzt freikommen. Zudem hofft die Hisb-i-Islami darauf, wichtige Regierungsämter zu übernehmen. Ob das auch für den 69-jährigen Hekmatjar persönlich zutrifft, der trotz eines in den 1960er Jahren abgebrochenen Studiums von seinen Anhängern „Indschenir Sahib“ (Herr Ingenieur) genannt wird, ist bisher nicht klar.

Der Friedensschluss mit der Hisb-i-Islami wird als Vorbild für einen Friedensschluss mit den Taliban hingestellt. Deren Führung hatte aber schon im September wissen lassen, dass sie wenig beeindruckt ist. In der Tat war Hisb-i-Islami in den letzten Jahren militärisch nicht mehr bedeutend.

Menschenrechtler kritisieren

Eine Reihe von Führungskräften der Hisb-i-Islami hatte schon seit 2001 ihren Frieden mit der Regierung gemacht und dafür zum Teil hohe Regierungsposten erhalten. Schließlich registrierten sie ihre Partei unter dem alten Namen, was zwar für Spannungen mit Hekmatjar sorgte, aber nicht wirklich zum Bruch führte. Im Gegenteil: Man hielt Kontaktkanäle offen, durch die auch die ersten Verhandlungen angebahnt wurden. Hekmatjar war 1996 zum letzten Mal offiziell in Kabul, als er den Vormarsch der Taliban stoppen wollte, die schon vor den Toren Kabuls standen. Geholfen hat das damals nicht mehr.

Ende vergangenen Jahres war in Großbritannien der berüchtigte Hisb-i-Islami-Kommandeur Farjadi Sarwar Sardad entlassen worden, der dort 16 von 20 Jahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit abgesessen hatte – einer der wenigen Fälle, in denen Kriegsverbrechen in Afghanistan aktiv verfolgt worden waren. Die britische Regierung bestritt einen Zusammenhang mit dem Hisb-i-Islami-Friedensschluss. Aber dass Sardad in Kabul von Hisb-i-Islami-Anhängern als „Held“ begrüßt wurde, könnte einen Vorgeschmack auf die Rückkehr Hekmatjars geben.

In dem jetzigen Friedensabkommen ist auch ein „Protokoll“ für den Heimkehrer mit staatlich bezahlter Unterbringung und Leibwächtern vorgesehen – „in Anerkennung seiner Anstrengungen für Frieden und Sicherheit im Land und seine Bemühungen für die Freiheit Afghanistan“. Menschenrechtler kritisieren, dass Hekmatjar dadurch Straflosigkeit für begangene Verbrechen erteilt werde. Das aber trifft auch auf andere Warlords zu, die bereits in der Kabuler Regierung sitzen. Die Hisb-i-Islami hatte während der 1990er Jahre beim Raketenbeschuss der afghanischen Hauptstadt Tausende Zivilisten getötet. Der britische Guardian bezeichnete Hekmatjar deshalb als „Schlächter von Kabul“.

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