Polens neuer englischer Auslandssender: Gegen die „Feindpropaganda“
Überraschend hat Polen den Sender TVP World gestartet. Erster Interviewpartner war ein AfD-Politiker, der sich über Migration auslassen durfte.
Polen werde die Nato-Staaten auf Basis von Artikel 4 des Nordatlantikpakts zu Konsultationen einberufen, hieß die Hauptnachricht am Donnerstag. Dazu waren Bilder eines „Kampfs“ von „Angreifern“ zu sehen, die am geschlossenen Grenzübergang Kuźnica Steine und Erdklumpen von der belarussischen Seite auf die polnische schleuderten. Aus weiter Entfernung zeigten dann Luftbilder, wie sich „die Polen“ wehren: Drei Wasserwerfer schlugen bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt die „Migranten“ in die Flucht.
Was aus dem Bericht nicht hervorging, hatten zuvor BBC und CNN von der anderen Seite aus berichtet. Flüchtlinge und belarussische Sicherheitskräfte sind leicht auseinanderzuhalten. Die einen tragen graue Kapuzenpullover, die anderen meist mehrere Pullover übereinander und knielange Parkas. TVP World zufolge waren die Angreifer aber „aggressive Migranten“. Frauen und Kinder kamen kaum ins Bild, auch keine Nahaufnahmen von verzweifelten Geflüchteten. Nur ein kilometerlanger Stacheldrahtzaun, hinter dem inzwischen fast 20.000 polnische Sicherheitskräfte stehen, um Polen und die Europäische Union „heldenhaft, pflichtbewusst und patriotisch“ zu verteidigen.
Unabhängige Journalist:innen dürfen schon seit fast drei Monaten nicht mehr von der Grenze berichten. Polens Nationalpopulisten von der PiS-Partei haben entlang der 400 Kilometer langen Grenze eine 3 Kilometer breite Nachrichtensperrzone eingerichtet, aus der nur Bilder und Informationen des Innen- und Verteidigungsministeriums sowie der Geheimdienste an die Öffentlichkeit dringen sollen.
Gesendet werden soll im Stil des Staatssenders TVP Info
Das hat so lange funktioniert, wie auch der belarussische Präsident Lukaschenko keine unabhängigen Journalist:innen an die Grenze ließ. Als dort aber BBC und CNN auftauchten, waren plötzlich Bilder von der Grenze im Umlauf, die die PiS-Politiker bislang als „Feindpropaganda“ diskreditiert hatten.
Genau diese haben Polens Regierung offenbar veranlasst, den Start von TVP World vorzuziehen. Gesendet werden sollen Informationen aus Polen und der Welt im Stil des von der PiS kontrollierten Staatssenders TVP Info.
Der erste Interviewpartner, den sich Hauptmoderator Michał Rachoń in seine TVP-World-Sendung einlud, war der deutsche AFD-Europaabgeordnete Nicolaus Fest. Dieser hatte mit zwei weiteren Autoren einen Bericht zur EU-Migrationspolitik vorgelegt, kritisierte den angeblich hohen Lebensstandard von Flüchtlingen in Deutschland und machte Kanzlerin Merkel für die „Magnetwirkung Deutschlands auf die Armen der ganzen Welt“ verantwortlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit