Plünderungen in Baltimore: Bis auf Weiteres geschlossen
Zahlreiche Geschäftsleute können sich keine Versicherung leisten. Der Ausnahmezustand und die Ausgangssperre bescherte ihnen finanzielle Verluste.
Als das Fernsehen zeigte, wie Plünderer ohne jede Behinderung durch die Polizei das Einkaufszentrum Mondawmin zertrümmerten und schwer beladen mit Turnschuhen, Klamotten und Elektronikgeräten heraus kamen, schickte Tony Harrison seine Angestellten nach Hause. „Ich konnte nicht für ihre Sicherheit sorgen“, sagt er. Eine Weile stand er mit zwei Freunden, einem Baseballschläger und seiner Dogge auf dem Bürgersteig. Dann verzog er sich allein in den hinteren Teil seines Pubs. Schaltete die Alarmanlage und das Licht aus. Und wartete.
Dutzende Läden wurden in der Nacht, die auf die Beerdigung von Freddie Gray folgte, in Baltimore zertrümmert. Die zerstörerische Wut begann auf der Westside, wo Freddie Gray im Polizeigewahrsam einen tödlichen Genickbruch erlitt. Sie weiteten sich aus bis zu dem Statteil Mount Vernon, wo Harrison auf der Lauer lag. Als die Plünderer Fenster seines „BBQ Brew“ einschlugen, machte er „ein Geräusch“, von dem er sicher war, dass es sie vertreiben würde. Die Plünderer rannten weg und räumten den benachbarten Musikgeräteladen aus. Über die Art des Geräusches will er sich nicht äußern.
Wie viele Geschäftsleute in Baltimore kann er sich die teure Versicherung nicht leisten. In Abwesenheit der Polizei an jenem Montagabend vor einer Woche griffen die Geschäftsleute zur Selbsthilfe. Wer eine Schusswaffe und einen Hund hatte, verteidigte seinen Laden am erfolgreichsten. Seither sind die Schaufenster vieler kleiner Läden in Baltimore – darunter auch Harrisons Pub – mit Holz vernagelt.
„Open“ steht darauf: „Bitte kommt rein.“ Hingegen haben manche Restaurants und Kaufhäuser, die zu großen Ketten gehören – auch solche, die nicht von den Plünderungen betroffen sind – in der Woche geschlossen; und ihre Beschäftigten – ohne Lohn – nach Hause geschickt.
Auf der Westside, wo es begann, griffen die Plünderer längst nicht alle Geschäfte an. Sie konzentrierten sich auf bestimmte Läden. Afroamerikanisch betriebene Geschäfte waren kaum betroffen, koreanische hingegen besonders stark. Am Abend der Plünderungen verhängten die Bürgermeisterin und der Gouverneur den Ausnahmezustand, verfügten eine nächtliche Ausgangssperre und holten Verstärkung beim Militär, der Nationalgarde und Polizei von auswärts. Plünderungen hat es seither nicht mehr gegeben.
Doch für viele Geschäftsleute ist der Ausnahmezustand, der die Kunden vertreibt, die zweite existenzbedrohende Krise binnen weniger Tage. Sie haben die Bürgermeisterin angefleht, auf die Uniformierten zu vertrauen und die Ausgangssperre aufzuheben. Doch Bürgermeisterin Stephanie Rawlings-Blake wartete mit der Aufhebung bis Sonntag. Für Harrison, der sein größtes Geschäft in den Stunden, die von der Ausgangssperre betroffen waren, macht, könnte es zu spät sein. Er beziffert seine Verluste auf mindestens 25.000 Dollar. Wie zahlreiche andere Geschäftsleute in Baltimore hat er längst einen Spendenaufruf im Internet veröffentlicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“