Pläne zur Verschärfung des Asylrechts: Seehofers liebstes Prestigeprojekt
Der Innenminister will das Abschieberecht deutlich verschärfen. Die Opposition sieht die Grundrechte in Gefahr, die SPD hält sich bedeckt.
Bereits Mitte April war der Gesetzentwurf, der vor allem eine Verschärfung der Abschiebepraxis von ausreisepflichtigen MigrantInnen vorsieht, vom Kabinett verabschiedet worden. Das „Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“, wie es auf Amtsdeutsch heißt, sieht zahlreiche Maßnahmen vor, die eine Verschärfung der Asylrechts bedeuten.
Neben der Einführung eines neuen Duldungsstatus soll mit dem Gesetz die Abschiebehaft erleichtert und ausgeweitet werden, außerdem soll eine sogenannte Mitwirkungshaft für Menschen eingeführt werden, die etwa Botschaftstermine im Rahmen der Passbeschaffung nicht wahrnehmen. Sozialleistungen sollen gekürzt und in bestimmten Fällen sogar ganz gestrichen werden können.
Zum Auftakt der Debatte im Bundestag preist Seehofer sein Gesetz. Von einer „Durchsetzung rechtsstaatlicher, klarer Regeln“ spricht der CSU-Minister. Es behebe „einige Mängel“ im bestehenden Asylrecht und folge einem klaren Prinzip: „Wer kein Bleiberecht hat, muss unser Land verlassen.“
Aktuell gelten 236.000 Menschen in Deutschland als ausreisepflichtig, haben also keinen Status, der es ihnen erlaubt, in Deutschland zu bleiben. 184.000 von ihnen sind geduldet. Sie können nicht abgeschoben werden, etwa, weil Papiere fehlen. Seehofer will mit dem Gesetz die Zahl der erfolgreichen Abschiebungen erhöhen. Dabei herrscht bereits über die Zahlen Uneinigkeit.
Die Opposition verweist im Zusammenhang mit der Aufnahme Schutzsuchender auf den hohen Wert der Grundrechte – passend dazu hatten die ParlamentarierInnen sich bereits am Morgen mit dem 70. Jubiläum des Grundgesetzes beschäftigt.
Kriminalisierung der Flüchtlingshelfer
„Sie werfen die Grundrechte über Bord“, ruft die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat dem Innenminister zu. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, sagt, die verbliebenen Rechte von Schutzsuchenden würden „bis in die Unkenntlichkeit verstümmelt“.
Polat und Jelpke stoßen sich vor allem an der Kriminalisierung der Flüchtlingshelfer. So sieht Seehofers Entwurf vor, dass sich Behördenmitarbeiter, die Betroffene vor einer geplanten Abschiebung warnen, strafbar machen. Proteste gegen eine Abschiebung seien eine legale Meinungsäußerung, so die Grüne. Von einem „ganz schäbigem Vorgehen“ spricht Jelpke.
Und die SPD? Der Koalitionspartner versucht sich, wie so oft, am Mittelweg. Die Union nicht unnötig vor den Kopf stoßen, aber trotzdem Kritik üben. Abschiebeverschärfungen seien für seine Partei ein „schmaler Grat“ zwischen humanitärer Verantwortung und rechtsstaatlicher Durchsetzung, sagt Abgeordnete Helge Lindh. Sein Parteikollege Lars Castellucci lobt vor allem das vergangene Woche debattierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz – die Union hatte ihre Zustimmung zu diesem Herzensanliegen der SPD davon abhängig gemacht, dass die Sozialdemokraten beim Abschiebegesetz kooperieren.
Der Bundesrat, der sich am Freitag mit dem Gesetz befasst, hat bereits Zweifel angemeldet. Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik etwa hält den Gesetzentwurf in weiten Teilen für verfassungs- und unionsrechtlich bedenklich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“