piwik no script img

Plädoyers für Zschäpe im NSU-ProzessVerteidiger fordern Freilassung

Im NSU-Prozess hatten Beate Zschäpes Vertrauensanwälte zehn Jahre Haft gefordert. Ihre Pflichtverteidiger unterbieten diese Forderung noch.

Die Angeklagte Beate Zschäpe am Dienstag im Oberlandesgericht München Foto: ap

München dpa | Die drei ursprünglichen Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe fordern die sofortige Freilassung der mutmaßlichen Rechtsterroristin. Die heute 43-Jährige sei von den angeklagten Morden und Anschlägen freizusprechen und könne lediglich wegen einfacher Brandstiftung verurteilt werden, sagte Rechtsanwalt Wolfgang Heer am Dienstag in seinem Plädoyer im NSU-Prozess.

Zschäpes Vertrauensanwälte Mathias Grasel und Hermann Borchert hatten dagegen eine maximal zehnjährige Haftstrafe gefordert, wegen besonders schwerer Brandstiftung und Beihilfe zu Raubüberfällen.

„Beate Zschäpe ist keine Terroristin, sie ist keine Mörderin und keine Attentäterin“, sagte Heer. Sie habe keine Morde geplant, sie habe keine Waffen beschafft, an den Taten insgesamt nicht mitgewirkt und die Verbrechen ihrer Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt „auch nicht vom Küchentisch gesteuert“. Zschäpe sei deshalb von allen angeklagten Staatsschutzverbrechen freizusprechen. Zu verurteilen sei sie lediglich wegen der Brandlegung der letzten Fluchtwohnung in Zwickau, und zwar wegen einfacher Brandstiftung. „Dies ist alles, was von der Anklage des Generalbundesanwalts übrig bleibt“, sagte Heer.

Eine konkrete Strafmaß-Forderung nannte Heer nicht. Er argumentierte aber, die maximal mögliche Strafe sei mit der mehr als sechsjährigen Untersuchungshaft jedenfalls abgegolten.

Mit ihren ursprünglichen Pflichtverteidigern Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm hatte sich Zschäpe schon vor längerem überworfen. Eine Entpflichtung der drei lehnte das Oberlandesgericht aber mehrmals ab. Deshalb wird Zschäpe sozusagen von zwei Verteidiger-Teams vertreten. Das Plädoyer von Heer, Stahl und Sturm soll nun mehrere Tage dauern.

Die Bundesanwaltschaft hatte für Zschäpe lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Nach Überzeugung der Anklage war Zschäpe eines von drei gleichberechtigten Mitgliedern der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) und sollte deshalb als Mittäterin an sämtlichen Verbrechen der Gruppe bestraft werden. Dazu zählen zehn Morde, neun davon aus rassistischen Motiven, einer an einer deutschen Polizistin, sowie zwei Bombenanschläge.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Einerseits sagen die Altanwwaelte die Brandstiftung koennte kein versuchter Mord sein weil Zaschaepe ja versucht hat die Nachbarin zu warnen. Andererseits kann es auch keine besonders schwere Brandstiftung sein weil das Feuer nicht auf die andere Haushaelfte uebergreifen konnte. Aber das past doch nicht zusammen, wenn Zschaepe wirklich die Nachbarin warnen wollte dann nahm sie doch an dass das feuer uebergreift - also doch schwere Brandstiftung???

  • "Die Bundesanwaltschaft hatte für Zschäpe lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert."

     

    Ich finde zu recht. Zschäpe hat

    a) null Reue gezeigt,

    b) keinerlei Mitgefühl für die Hinterbliebenden der Opfer,

    c) keine Informationen gegeben, um weitere Verbrechen aufzuklären oder die bekannten zu rekonstruieren,

    d) hat sie sich explizit an ein Manual von Combat 18 gehalten und damit gezeigt, wo ihr Herz schlägt, wo sie wirklich steht e).

     

    Wenn eine Zschäpe frei rumlaufen könnte, wäre die Welt deutlich gefährlicher. Und damit wäre dann die Combat 18-Strategie des Führerloser Widerstands voll aufgegangen. Die Strategie, zum einen vor Gericht sich stumm zu stellen, andererseits nicht zu kooperieren und andere zu verraten, diese also weiter morden und Terror ausüben zu lassen, wäre aufgegangen.

     

    Es wäre wahrscheinlich weltweit der größte Erfolg dieser Richtung. Und Zschäpe, Böhnhard und Mundlos kannten nicht nur Combat 18 nur zu gut, sie haben sich an diesen Entwurf eines terroristischen Kampfes gehalten.

     

    Ich hoffe, dass die Richter nicht darauf reinfallen!

  • Ich hoffe sie bekommt Ihre angemesse, in meinen Augen hohe Strafe. Was ich aber wirklich zum kotze finde ist, dass wir 6 Jahre gebraucht habe um diesen Fall zu verhandeln. Ich will mir nicht vorstellen wie es für die hinterblieben sein muss 6 Jahre immer wieder in den Gerichtssaal zu kommen. Es wurden schon viel kompliziertere und schlimmere Fälle innerhalb eines Jahre bearbeitet.

    • @Henrik WM:

      "Es wurden schon viel kompliziertere und schlimmere Fälle innerhalb eines Jahre bearbeitet."

      Besonders im III. Reich und der ddr.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Wir kann ein Anwalt oder eine Anwältin, die solches von sich gibt, noch in den Spiegel schauen?

    • @98589 (Profil gelöscht):

      Ein Anwalt ist verpflichtet, die rechtsstaatlichen Mittel voll auszuschöpfen. Und das ist auch gut so.

  • Von diesem Prozess geht bereits eine aufmunternde Sendung an die rechte Szene aus. Falls diese Frau tatsächlich ein mildes Urteil bekommen sollte, wird der rechte Terror so richtig Fahrt aufnehmen.

    Denkbar wäre es leider.

    • @Hampelstielz:

      Ja!

      Gnade uns Gott, was dann passieren wird.

    • @Hampelstielz:

      Eine unabhängige Justiz wird das Urteil fällen. Das unterscheidet uns von vielen Staaten dieser Welt.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Hampelstielz:

      Keine Sorge. Die Hexe kriegt die Höchststrafe. Und verbockt hat sie es selbst. Der Verteidiger- und Strategiewechsel war ihr größter Fehler. Mit ihren halbgaren Einlassungen hat sie sich nicht nur keinen Gefallen getan, diese wird zur Steilvorlage in der Urteilsbegründung.

      • @60440 (Profil gelöscht):

        Sie hat nie wirklich kooperiert und nie echte Gefühle für die Opfer oder deren Hinterbliebende gezeigt. Die Verteidiger haben die Strategie wie in einem Indizienprozess aufgebaut - das war sicherlich ein Fehler, aber wir werden sehen, was wirklich im Urteil stehen wird.

      • @60440 (Profil gelöscht):

        "Die Hexe kriegt die Höchststrafe."

         

        wird wohl so sein. Wenn sie gestanden und ihr Wissen preisgegeben hätte, wäre sie wohl mit einfach lebenslang davongekommen. Zu bestreiten, was nicht zu bestreiten ist, war keine gute Strategie,