Plädoyer im Berliner Prozess: Vietnam-Entführer soll ins Gefängnis
Der Prozess um die Entführung des Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh geht zu Ende. Verteidigung und Anklage fordern Haft.
Im Prozess vor dem Berliner Kammergericht sprachen am Dienstag nach drei Monaten Verhandlung die Bundesanwaltschaft, die Nebenklage und die Verteidigung ihre Plädoyers. Während die Anklagebehörde vier Jahre forderte, votierten die Verteidiger auf drei Jahre und sechs Monate und baten das Gericht, das umfassende Geständnis des Angeklagten zu würdigen.
Dieses sei viel wert, weil der Angeklagte darin den vietnamesischen Geheimdienst und konkret einen der mutmaßlich Tatbeteiligten belastet hatte, so Verteidiger Alexander Sättele. Seine Eltern und Geschwister müssten darum in Vietnam mit Repressalien rechnen. Allerdings war das Geständnis zu einem Zeitpunkt gekommen, als die Beweislast gegen den Angeklagten durch Aussagen zahlreicher Zeugen bereits erdrückend war.
Trinh Xuan Thanh, ein ehemaliger hoher Funktionär und Chef eines staatseigenen Unternehmens, wurde letztes Jahr von Berlin nach Hanoi entführt. Er war zuvor nach Berlin geflüchtet, weil Vietnam ihm Misswirtschaft im dreistelligen Millionenbereich vorwarf und ihn dafür mit Haftbefehl suchte. Er selbst sah seine Verfolgung als Teil einer politischen Säuberungsaktion innerhalb der Kommunistischen Partei, der einzigen legalen Partei in Vietnam. Im Januar wurde Thanh in Hanoi wegen Korruption und Misswirtschaft zweimal zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Wie im Kalten Krieg
Die Entführung erinnere an Zeiten des Kalten Krieges, sagte Dirk Hackler von der Bundesanwaltschaft am Dienstag in seinem Plädoyer. Diese „eklatante Verletzung des Völkerrechtes“ habe sich zugetragen wie in einem Spionageroman. Die Entführung war nach seiner Überzeugung vom vietnamesischen Geheimdienst und der vietnamesischen Botschaft in Berlin generalstabsmäßig organisiert worden.
Der Angeklagte habe drei tatrelevante Fahrzeuge angemietet und Dienstleistungen für Vietnams stellvertretenden Geheimdienstchef Duong Minh Hung ausgeführt, der die Operation in Berlin mutmaßlich geleitet hatte. Er sei aber, was er auch gestanden hatte, von Beginn an in den Tatplan eingeweiht gewesen und habe ihn gebilligt.
Anwalt war gegen das Geständnis
Einer der Verteidiger, Stephan Bonell hatte bis zur letzten Minute versucht, seinen Mandanten zur Rücknahme des aus seiner Sicht „unglaubwürdigen“ Geständnisses zu bewegen. Als Bonell bei seinem Mandanten keinen Erfolg hatte, gab er sein Mandat zurück, was das Gericht auch akzeptierte.
Bonells Verteidigungsstrategie lief auf eine Kriminalisierung des Entführungsopfers hinaus, ähnlich wie sie die Regierung in Vietnam betreibt. Er stellte immer neue entsprechende Beweisanträge, denn, so Bonell: „Für das Strafmaß meines Mandanten ist es relevant, wer entführt wird.“ Bonell hatte sogar angeregt, die Bundeskanzlerin in den Zeugenstand zu rufen. Sie sollte erläutern, warum Trinh Xuan Thanh nicht nach Vietnam ausgeliefert wurde, obwohl ihr vietnamesischer Amtskollege das von ihr gefordert hatte.
Prozessbeteiligte warfen Bonell vor, propagandistisch für den vietnamesischen Staat zu arbeiten. „Wen verteidigen Sie eigentlich: Ihren Mandanten oder den Staat Vietnam?“, hatte Nebenklagevertreterin Petra Schlagenhauf ihn gefragt. Mitverteidiger Alexander Sättele unterstellte ihm „mutmaßlich verfahrensfremde Interessen zu vertreten. Die Verteidigung hat aber nur die Interessen ihres Mandanten zu vertreten.“
Während Long N. H. wahrscheinlich für lange Zeit hinter Gitter muss, haben sich die Rädelsführer der Entführung rechtzeitig nach Vietnam abgesetzt oder sie genießen diplomatische Immunität. Allerdings wird gegen mehrere vietnamesische Migranten aus Berlin und anderen Städten wegen einer möglichen Tatbeteiligung ermittelt.
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