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Plädoyer der Verteidigung im NSU-ProzessZehn Jahre für Zschäpe gefordert

Drei Tage haben Beate Zschäpes Verteidiger plädiert. Sie fordern zwar eine lange Haftstrafe für ihre Mandantin, aber nicht wegen Mordes.

War nicht an den Tatorten, deshalb ist Beate Zschäpe nach Ansicht ihrer Verteidiger nicht des Mordes schuldig Foto: ap

München dpa | Die Verteidiger der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe haben im NSU-Prozess eine maximal zehnjährige Haftstrafe für ihre Mandantin gefordert. Die heute 43-Jährige sollte nur wegen besonders schwerer Brandstiftung und Beihilfe zu mehreren Raubüberfällen verurteilt werden, nicht aber wegen Mittäterschaft oder Beihilfe an den Morden und Bombenanschlägen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Das sagten ihre Vertrauensanwälte Hermann Borchert und Mathias Grasel am Donnerstag am Ende ihres Plädoyers vor dem Münchner Oberlandesgericht. Auch die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung seien nicht erfüllt.

Die Bundesanwaltschaft hatte für Zschäpe dagegen lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung gefordert. Nach Überzeugung der Anklage war Zschäpe eines von drei gleichberechtigten Mitgliedern der Terrorzelle NSU und sollte deshalb als Mittäterin an sämtlichen Verbrechen der Gruppe bestraft werden. Dazu zählen zehn Morde, neun davon aus rassistischen Motiven, einer an einer deutschen Polizistin, sowie zwei Bombenanschläge in Köln mit Dutzenden Verletzten. Zschäpe soll alle Taten ihrer Freude Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gewollt und unterstützt und einen Willen zur „Tatherrschaft“ gezeigt haben – auch wenn sie bei den Morden und Anschlägen nicht mit dabei war.

Diese Argumentation wiesen Zschäpes Verteidiger zurück. Die in mehreren höchstrichterlichen Urteilen aufgestellten Kriterien für eine Mittäterschaft seien nicht erfüllt. Zschäpe sei kein gleichberechtigtes Gruppenmitglied gewesen. Die Morde und Anschläge seien allein von Böhnhardt und Mundlos begangen worden. Zschäpe sei nachweislich an keinem der Tatorte anwesend gewesen, habe nie eine Waffe abgefeuert und sei nicht in die Tatplanungen eingebunden gewesen. Und auch dass sie Kassenwart des Trios gewesen sein und das gemeinsame Leben im Untergrund erst ermöglicht haben soll, reiche für eine Verurteilung als Mittäterin oder wegen Beihilfe nicht aus.

„Den nachvollziehbaren Wunsch, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und für ihre abscheulichen Taten zu bestrafen, rechtfertigt es nicht, meine Mandantin als einzige Überlebende des Trios für die Taten der beiden Verstorbenen verantwortlich zu machen“, sagte Grasel. „Der Rechtsstaat wird es aushalten müssen, dass es Verbrechen gibt, für die die eigentlichen Täter nicht mehr belangt werden können.“ Mundlos und Böhnhardt hatten sich nach einem misslungenen Banküberfall im November 2011 in Eisenach das Leben genommen.

Moralische Schuld soll keine Rolle spielen

Zschäpe hatte in schriftlichen Einlassungen lediglich eingeräumt, die letzte Fluchtwohnung des Trios in Zwickau in Brand gesteckt und von den Raubüberfällen gewusst zu haben, mit denen das Trio das fast 14 Jahre lange Leben im Untergrund finanzierte. Von den Morden und Anschlägen will sie dagegen immer erst im Nachhinein erfahren haben. Auch den Vorwurf des versuchten Mordes an einer Nachbarin und zwei Handwerkern im Zuge der Brandstiftung wiesen ihre Anwälte zurück.

Grasel zitierte mehrere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, mit denen Verurteilungen wegen Mittäterschaft in anderen Fällen kassiert wurden. Dieselben Kriterien würden auch für Beate Zschäpe gelten und stünden einer Verurteilung wegen Mittäterschaft an den Morden im Weg, betonte er. Bei Zschäpe seien allenfalls „Ansatzpunkte erkennbar, die auf ein Interesse am Erfolg der Taten schließen lassen könnten“. Dies alles reiche jedoch nicht aus, um eine Tatbeteiligung oder eine Tatherrschaft als gegeben anzunehmen. Vielmehr habe seine Mandantin „keine Einflussmöglichkeit auf die Durchführung der Taten“ gehabt.

Ganz am Ende des Plädoyers verwies Borchert darauf, dass Zschäpe habe vortragen lassen, dass sie sich „moralisch schuldig“ fühle, auch dass sie die Morde und Bombenanschläge nicht habe verhindern können. „Die moralische Schuld der Mandantin kann jedoch nicht Grundlage für eine Verurteilung im juristischen Sinne sein.“ Zschäpe sei „Schuld im juristischen Sinne“ nur im von ihm vorgetragenen Umfang vorzuwerfen, „so sehr dies auch in moralischer Hinsicht unbefriedigend sein mag“.

Die Anklage hatte in ihrem Plädoyer zudem argumentiert, Zschäpe habe mit ihren Komplizen die fanatische nationalsozialistische Gesinnung geteilt und „ein Drittel eines verschworenen Triumvirats“ gebildet. Grasel betonte nun allerdings, die Gesinnung sei „als Indiz für eine Tatbeteiligung und eine Tatherrschaft ungeeignet“. Er fügte außerdem hinzu, die innere politische Einstellung Zschäpes habe sich weiterentwickelt und verändert. „Aus zahlreichen Gesprächen in den vergangenen Monaten und Jahren bin ich der festen Überzeugung, dass bei Frau Zschäpe heutzutage keinerlei rechtsextremes, staats- oder gesellschaftsfeindliches Gedankengut vorhanden ist“, sagte Grasel.

Mit dem Start der Verteidiger-Plädoyers ist das seit Mai 2013 laufende Mammutverfahren in die letzte Etappe gegangen. Nach Borchert und Grasel sollen von der kommenden Woche an die Anwälte der insgesamt vier mitangeklagten mutmaßlichen Terrorhelfer das Wort für ihre Plädoyers bekommen, gefolgt von den drei Altverteidigern Zschäpes, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Wann das Gericht ein Urteil sprechen könnte, ist aber nach wie vor offen.

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21 Kommentare

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  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    So oder so wird es zu einem harten Urteil. Der politische, mediale und gesellschaftliche Druck ist zu hoch für das Gericht, um das zarte Blümchen der Objektivität heil zu lassen.

    • @97796 (Profil gelöscht):

      Heil dir - ach du zartes Pflänzchen !

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Auch wenn es weh tut. Zschäpes Anwälte hören sich richtig an.

    • @97796 (Profil gelöscht):

      Klar - so richtig, wie sich Goebels Reden für die Leute seinerzeit vor dem Krieg anhörten.

      • 9G
        97796 (Profil gelöscht)
        @Rainer B.:

        Ach Gottchen. Kurz mal n unpassender Nazivergleich und deren Gräuel relativieren.

        • @97796 (Profil gelöscht):

          Weder noch. Nazis mit Nazis vergleichen, das passt schon. Gräuel relativieren ist doch wohl eher so das Ding von Zschäpes Anwälten, aber für Sie hört sich das ja alles richtig an.

          • 9G
            97796 (Profil gelöscht)
            @Rainer B.:

            Ganz genau.

  • 9G
    96177 (Profil gelöscht)

    ja klar, auf derartige Belehrungen wg. Rechtssystem ist in bestimmten Fällen immer zu rechnen, hat nach 45 auch super funktionieren beim manchen Tätern bis zum ungesühnten friedlichen Verbrehertode im heimischen Bettchen. Die Unschuldsvermutung gilt im Rechtsstaat auch für kriminelle Autokonzerne und ihren Helfershelfer im Verkehrsministerium.

    Das Rechtssystem ist nämlich ganz schön ausgebufft, die hält sich an den Soll-Verfassungstexten auf und nicht am Ist der Realität, das macht das Ganze so bequem und man kann belehrend daherreden. Fragen Sie doch mal beim Verfassungsschutz nach, vielleicht könnten die Ihnen erläutern wie Beweisführung im Rechtsstaat herbeigeführt werden kann oder eben nicht .. oder im Verkehrsministerium wie Kriminalität so richtig rechtssystemmäßg gedeckt wird.

    • @96177 (Profil gelöscht):

      Und wie anders als per Rechtsstaat soll das denn ihrer Meinung nach funktionieren bitte sehr ? Wollen Sie einfach alle die einknasten, die Sie so gefühlt da sehen wollen oder was ?

    • 9G
      96177 (Profil gelöscht)
      @96177 (Profil gelöscht):

      für Thomas Schöffel

  • 9G
    96177 (Profil gelöscht)

    Er fügte außerdem hinzu, die innere politische Einstellung Zschäpes habe sich weiterentwickelt und verändert. „Aus zahlreichen Gesprächen in den vergangenen Monaten und Jahren bin ich der festen Überzeugung, dass bei Frau Zschäpe heutzutage keinerlei rechtsextremes, staats- oder gesellschaftsfeindliches Gedankengut vorhanden ist“, sagte Grasel....

     

    ist ja toll und die ermordeten Toten sind folgerichtig auferstanden?

    • @96177 (Profil gelöscht):

      In unserem Rechtssystem gilt die Unschuldsvermutung. Und auch, wenn tausend Zeitungen die Zschäpe im Knast sehen wollen, sie war an keinem Tatort und man kann ihr bis auf die zugegebene Brandstiftung nichts nachweisen. oder wollen Sie sie einfach einknasten, weil sie das so gefühlt richtig sehen, oder was ?

      • @Thomas Schöffel:

        „In unserem Rechtssystem gilt die Unschuldsvermutung.“

         

        Nee - das mag vielleicht früher mal so gewesen sein. Heute steht jeder Bürger permanent unter Generalverdacht, oder haben Sie etwa die neuesten Anpassungen der Polizeigesetze der Länder gar nicht mitbekommen? In Bayern etwa können - auch völlig verdachtsunabhängig - „vorbeugend bis zu drei Monate Freiheitsentzug angeordnet werden.“ NRW zieht da gerade nach - war wohl nix mit „Unschuldsvermutung“.

        • @Rainer B.:

          Da haben Sieleider recht. Und das ist schlimm genug, daß das so ist und das gehört selbstverständlich auch abgeschafft. Nur, wenn wir dieser Ungerechtigkeit versuchen dadurch zu begegnen, daß wir genauso ungerecht werden, dann begehen wir Selstmord aus Angst vor dem Tod.

          • @Thomas Schöffel:

            Na ja - Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, aber von „Unschuld“ kann bei der Frau Zschäpe doch tatsächlich überhaupt gar keine Rede sein.

            • @Rainer B.:

              Was heißt hier drehen und wenden ? Entweder das Gericht beweist ihre Schuld oder eben nicht. Und das müssen eben Tatsachen sein und nicht "irgendwie schuldig aus Gefühl und so".

              • @Thomas Schöffel:

                Davon können Sie auch ausgehen.

                • @Rainer B.:

                  Wir werden sehen.

                  • @Thomas Schöffel:

                    Rief der Blinde dem Tauben zu, als der dem Lahmen ein Bein stellen wollte (;-))

  • Zehn Jahre sind dann aber ein ganz ganz ganz kleines Bißchen mehr als „nur“ der ursprünglich von Zschäpe und Ihrer Verteidigung propagierte Freispruch.

     

    Morde ohne Mörder? Nach der künstlichen Intelligenz nun auch die künstlichen Morde?

    Vielleicht lässt sich so ja in Zukunft „die besondere Schwere der Schuld“ schon immer im Vorfeld vermeiden. Praktisch wär's doch.

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Die Mörder sind tot. Finden Sie sich damit ab.