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Pipeline-Lecks in der OstseeEben nicht im Interesse der USA

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Entgegen vieler Gerüchte haben die USA kein plausibles Motiv für einen Anschlag auf die Nord-Stream-Leitungen. Russland hingegen schon eher.

Leck an der Erdgaspipeline Nord Stream 2 in der Ostsee Foto: Swedish Coast Guard/dpa

D ass die USA die Lecks in den Nord-Stream-Pipelines verursacht haben, ist unwahrscheinlich – auch wenn Russlands Regierung und ihre Trolle im Internet nun das Gegenteil andeuten oder klar behaupten. Die Vereinigten Staaten hätten kein plausibles Motiv für einen Anschlag auf die Erdgasleitungen. Die US-­Frackingbranche kann sich EU-Länder auch ohne Gewalt dauerhaft als Kunden sichern und Russland als Konkurrenten ausschalten.

Denn Wladimir Putins Reich hat das selbst erledigt und Nord Stream 1 außer Betrieb genommen, um Druck auf den Westen auszuüben. Und nach Putins Überfall auf die Ukraine unternimmt zum Beispiel Deutschland alles, um russisches Gas zu ersetzen. Aus moralisch-politischen Gründen, aber auch, weil Russland sich als äußerst unsicherer Lieferant erwiesen hat. Solange Putin ­regiert, wird Deutschland auf russisches Gas verzichten wollen.

Eine Sprecherin des Außenministeriums in Moskau hat ihre Andeutungen Richtung Washington mit einer Äußerung von US-Präsident Joe ­Biden zu belegen versucht. Mehrere Wochen vor Kriegsbeginn hatte er gesagt, sollte Russland den Nachbarn überfallen, werde es kein Nord Stream 2 mehr geben. Und: „Wir werden dem ein Ende setzen.

Aus dem Kontext wird deutlich, dass das keine Drohung mit Anschlägen auf die Pipeline war. Das Zitat fiel bei einem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz im Weißen Haus. Dabei ging es auch um die Frage, ob die USA mit Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG versuchen könnten, eine Inbetriebnahme der Pipeline zu verhindern.

Unsicherheit spielt Russland in die Karten

Russland wiederum hätte sehr wohl ein Interesse an einem Anschlag auf seine eigenen Pipelines: Er könnte einen Keil zwischen die USA und die Europäische Union treiben. Die Explosio­nen passierten just am Tag vor der Einweihung der Baltic Pipe, die norwegisches Gas nach Polen bringen soll.

Mit den Lecks zeigt Russland der EU möglicherweise, dass es dasselbe auch mit Leitungen machen könnte, die für die Versorgungssicherheit wichtiger sind. Diese Unsicherheit hat prompt auch den seit einigen Tagen gefallenen Gaspreis wieder in die Höhe getrieben. Auch davon profitiert Russland.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik und die Lebensmittelindustrie. Journalistenpreis "Faire Milch" 2024 des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. 2018, 2017 und 2014 gewann er den Preis "Grüne Reportage" des Verbands Deutscher Agrarjournalisten. 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis (Essay "Mein Krieg mit der Waffe"), 2013 für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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