Philipp Schulte über das RWE-Klimaschutzurteil: Arbeitsverweigerung in Essen
Rechtsgeschichte wollte man am Landgericht Essen offenbar nicht schreiben und wies die international beachtete Zivilklage des peruanischen Bergbauern Saúl Luciano Lliuya gegen den RWE-Konzern als unzulässig ab. In dem Präzedenzverfahren verlangt der 36-Jährige, dass sich der Essener Braunkohlegigant an den Sanierungskosten für einen Damm beteiligt.
Ohne Sanierung wird der Damm eines Tages brechen und eine Flutwelle mit geschmolzenem Gletscherwasser auf das unterhalb gelegene Huaraz, die Heimatstadt des Klägers, niederstürzen. 120.000 Menschen leben unter dieser permanenten Bedrohung – ausgelöst von der globalen Erderwärmung.
Mit der Abweisung aus Rechtsgründen hat das Landgericht die Gelegenheit verspielt, auf dem langen Weg zu globaler Klima- und Ressourcengerechtigkeit ein Zeichen zu setzen. Dabei ist es gerade der Zweck von Gerichtsverfahren, unterschiedliche, mitunter gegenläufige Interessen in einem fairen Prozess auszugleichen. Dies muss heute auch international gelten, denn der Klimawandel schert sich nicht um den Geltungsbereich von Rechtsordnungen. Seine Auswirkungen zeigen sich bislang vor allem im globalen Süden, doch verursacht hat ihn der Norden. Allein RWE stößt mit seinen 30 Kraftwerksblöcken für fossile Energieträger in Deutschland fünfmal mehr CO2 aus als ganz Peru.
So bleibt eine wichtige Frage unserer Zeit weiterhin unbeantwortet: Mit welchem Recht genehmigen Regierungen in Deutschland Kraftwerke und Industrieanlagen, deren Emissionen Leben und Eigentum von Menschen auch in anderen Ländern beeinträchtigen?
Das Essener Gericht hätte sich der schwierigen Fragen annehmen, Argumente und Tatsachen hören, erste Lösungsansätze entwickeln müssen. Doch dem war die Kammer offenbar nicht gewachsen. Hoffentlich entscheidet die nächste Instanz anders. Die Zeit drängt.
Wirtschaft + Umwelt
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