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Pflegebedürftige mit SozialhilfeAnstieg um 22 Prozent in 10 Jahren

440.000 Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig und auf Sozialhilfe angewiesen. 2006 war es noch knapp ein Fünftel weniger.

Immer häufiger auch finanziell auf Hilfe angewiesen: Pflegebedürftige in Deutschland Foto: dpa

Saarbrücken afp | Im vergangenen Jahr waren einem Bericht zufolge fast 440.000 Pflegebedürftige auf Sozialhilfe angewiesen. Das ist gut jeder sechste Pflegebedürftige in Deutschland, wie die Saarbrücker Zeitung am Freitag berichtete. Auf Unterstützung des Sozialamts waren sie angewiesen, weil ihre Einkünfte zusammen mit den Leistungen aus der Pflegeversicherung nicht ausreichten. In diesen Fällen springen die Sozialämter mit der sogenannten Hilfe zur Pflege ein.

Demnach ist die Zahl der pflegebedürftigen Sozialhilfeempfänger in den vergangenen zehn Jahren um rund 22 Prozent gestiegen. Im Jahr 2006 gab es erst 360.000 Betroffene. Auch die entsprechenden Nettokosten haben seit 2006 deutlich zugelegt. Waren es damals noch 2,53 Milliarden Euro, so betrugen die Ausgaben 2016 schon fast 3,8 Milliarden Euro. Das ist ein Zuwachs um rund 50 Prozent. Die Daten stammen vom Statistischen Bundesamt.

„Die Sicherung der Versorgung bei Pflegebedürftigkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss solidarisch von allen unterstützt werden“, sagte der Präsident des Deutschen Pflegerates, Franz Wagner, der Zeitung. Niemand sollte wegen Pflegebedürftigkeit auf Sozialhilfe angewiesen sein.

Auch die Sozialexpertin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, hält es für „unakzeptabel, dass so viele pflegebedürftige Menschen zum Sozialfall werden“. Die Entwicklung zeige, dass die Pflegeversicherung als Teilkostenprinzip nicht funktioniere, da viele Betroffene und ihre Familien die Pflegekosten nicht finanzieren könnten.

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11 Kommentare

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  • VERWALTUNGSAUSGABEN DER SOZIALEN PFLEGEVERSICHERUNG

     

    Sämtliche Verwaltungskosten im Bereich Pflege müssen viel kritischer geprüft und hinterfragt werden. Letztendlich sind es die Versicherten (also alle Menschen in Deutschland) die diese Kosten tragen müssen durch die Zahlung unter Umständen viel zu hoher Beiträge.

     

    Von 1996 bis 2005 waren relativ stabil –der Höhe p.a. nach – verlaufen. Ab 2006 sind jährliche Steigerungen höher und in etwa gleich stabil kommen die Steigerungen jedes Jahr.

     

    Verwaltungskosten können aber nicht follständig linear proportional zu einem XY Ereignis in der Pflege (z.B. bei Leistungen) erfolgen. Es gibt auch Kosten die davon unabhängig anfallen.

     

    Kritik ganz grob:

     

    Werden etwa die Lohne und Gehälter von Pflegeversicherungsträgern und Dienstleistern in diesem Bereich abhängig von der Einnahmen aus Pflegebeiträgen erhöht?

     

    Oder wird die Ausgabenseite an die Einnahmen angepasst, also die Zahlen werden von den eben erwähnten Dienstleistern und Anbietern (auch nachträglich) „frisiert“?

    https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Statistiken/Pflegeversicherung/Finanzentwicklung/ab1995.pdf

    • @Stefan Mustermann:

      Die Pflegekassen wurden als rechtlich selbstständige Körperschaften des öffentlichen Rechts unter dem Dach der Krankenversicherung errichtet. Sie haben keine eigene Verwaltung. Die Angestellten der Krankenkasse nehmen die Aufgaben für die Pflegeversicherung wahr. Die Pflegekassen sollen angeblich über keine eigene räumliche, sachliche und personelle Infrastruktur verfügen. Für diesen Verwaltungsaufwand zahlen die Pflegekassen eine Pauschale an die Krankenkassen.

       

      //http://www.bundesversicherungsamt.de/fileadmin/redaktion/Pflegeversicherung/Finanzausgleich/Verwaltungskosten_01.pdf

       

      Und wie wird überhaupt die sachliche Richtigkeit und richtige Zuordnung dieser Kosten überhaupt geprüft?

      Falls da etwas falsch läuft, dann sind alle Versicherten die Dummen und zahlen zu hohe Beiträge.

    • @Stefan Mustermann:

      Es sollte genau geprüft und veröffentlicht werden, wofür genau und in welcher Höhe die Kranken- und Pflegekassen sowie Dienstleister und Anbieter im Bereich Pflege Geld ausgeben!

       

      Angeblich kommt es immer wieder zu Mehrausgaben, dabei bekommen Versicherte (also alle Menschen in Deutschland) immer weniger Leistungen und müssen immer mehr und immer öfter selbst zuzahlen.

      n!

  • Die Verwaltungskosten der privaten Pflegeversicherungsträger und Anbieter müssten immer noch höher sein, als bei gesetzlichen. Das schließt die Berechnung pro Fall bzw. pro Mensch mit ein. Und das müssen wir nicht schönreden und nennen es Bürokratie etc. Es ist eher ein Kalkül und ist nicht in Ordnung. Zudem darf es nicht sein, wenn gesetzliche Pflegeversicherungen die Kalkulation von Verwaltungskosten „nach oben“ anpassen, um mit privaten Pflegeversicherungen gleich zu kommen.

    https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/48585/Verwaltungskosten-im-Gesundheitswesen-Milliarden-koennen-eingespart-werden

    https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/47642/Verwaltungskosten-bei-GKV-und-PKV-unterschiedlich-hoch

  • Deutschland bietet schlechteste Bedingungen für Pflegeberufe im internationalen Vergleich

     

    Deutschland trifft der Sparkurs im Gesundheitswesen offenbar am härtesten, wenn man das Pflegepersonal im Krankenhaus betrachtet. Zu diesem Schluss kommt die Medizinjournalistin Sonja Schmitzer und beruft sich auf eine Studie von Wissenschaftlern des Fachbereichs Pflegewissenschaft der Universität Basel. Die ausgewerteten Daten gehen auf die internationale von der EU geförderten Studie „Nurse forecasting in Europe“ (RN4CAST) zurück. 33.659 Pflegende aus 488 Krankenhäusern in zwölf europäischen Ländern (Belgien, England, Finnland, Deutschland, Griechenland, Irland, Niederlande, Norwegen, Polen, Spanien, Schweden, Schweiz) wurden dazu befragt. Darunter waren 1.508 examinierte Pflegefachkräfte aus 49 deutschen Krankenhäusern.

    http://www.pflegekammer-niedersachsen.de/index.php/de/nachrichten/218-deutschland-bietet-schlechteste-bedingungen-fuer-pflegeberufe-im-internationeln-vergleich.html

  • Die Zahl der Pflegebedürftigen könnte bis 2060 auf 4,8 Millionen steigen. Damit wären rund sieben Prozent der Gesamtbevölkerung pflegebedürftig.

    https://www.demografie-portal.de/SharedDocs/Informieren/DE/ZahlenFakten/Pflegebeduerftige_Anzahl.html

     

    Wie alt kann der Mensch werden?

     

    Professor Markus Hengstschläger (Leiter des Instituts für Medizinische Genetik an der Medizinischen Universität Wien.): „Er hat keine unüberbrückbare Lebensspanne. Theoretisch kann er vielleicht sogar 200 Jahre alt werden. Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg, dass es eine unüberschreitbare Grenze gibt.“

    https://kurier.at/chronik/oberoesterreich/mensch-kann-200-jahre-alt-werden/716.885

     

    Hohes Alter muss nicht automatisch heißen: „pflegebedürftig“ oder erhöhte Wahrscheinlichkeit dessen bedeuten. Der Geist ist viel wichtiger als der Körper. Unter anderem die Medizin und vor allem die Besonderheiten der Gesellschaft, in der man lebt, spielen auch eine wichtige Rolle. Wie ist der Umgang mit arbeitslosen Menschen oder vielen Arbeitnehmern in unserem Land? Anteil von psychischen Erkrankungen in diesen Bevölkerungsgruppen?

     

    Es gibt sicherlich Möglichkeiten, präventiv gegen die Pflegebedürftigkeit vorzugehen!

  • Einen Hinweis auf deutliche Unterschiede in der Höhe der Zuzahlungen zwischen einigen europäischen Ländern gibt die Gesundheitsausgabenrechnung.

     

    Hiernach geben beispielsweise die privaten Haushalte in Belgien 340 Million (32 Euro je Einwohner), in Spanien 2,7 Milliarden (59 Euro je Einwohner) und in Frankreich 140 Millionen (zwei Euro je Einwohner) für Pflegeleistungen aus.

     

    In Deutschland werden von den privaten Haushalten rund neun Milliarden (109 Euro je Einwohner) für Pflegeleistungen ausgegeben. Damit liegt Deutschland in den erfassten privaten Pflegeausgaben deutlich über denen der anderen Länder.

     

    Der größte Anteil wird in Deutschland für die von der Pflegeversicherung nicht abgedeckte Verpflegung und Unterkunft in Pflegeheimen aufgebracht. Hinzu kommen die Ausgaben für Pflegeleistungen in Heimen, die über den Pflegesätzen der Pflegeversicherung liegen, sowie die Beiträge zu den Investitionskosten der Pflegeheime.

     

    Insgesamt beträgt der Eigenkostenanteil rund 55 Prozent.

    https://www.boell.de/de/2014/03/03/das-deutsche-pflegesystem-ist-im-eu-vergleich-unterdurchschnittlich-finanziert

  • Es ist toll, dass jemand Sozialhilfe erhält und damit gleichzeitig auch den Differenzbetrag mit dem die Kosten des Pflegeheims entsprechend der Pflegestufe komplett bezahlt werden.

    Wer gespart hat, dessen Geld wird, wenn Rente und Pflegeversicherungsleistung nicht reichen, sukzessive eingezogen.

    Es ist daher sinnvoll, rechtzeitig Ersparnisse abzuschmelzen. Man kann auch sagen in Anlehnung an die Tips von (auch) Stiftung Warentest, wie man nach Jahrzehnten günstig in der privaten KV versichert, frühzeitig im Alter in die GKV "einschleicht": Rechtzeitig das Geld auf die Seite schaffen, damit den Kindern oder Enkeln auch noch was bleibt. Die Sätze, die von deren Einkommen herangezogen werden, sind nicht so hoch. Es gilt oft: max. 150 € Zuzahlung von der Tochter zu 1000 € im Monat von der Ersparnis.

  • ???

    "Die Sicherung der Versorgung bei Pflegebedürftigkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss solidarisch von allen unterstützt werden“, sagte der Präsident des Deutschen Pflegerates, Franz Wagner, der Zeitung. Niemand sollte wegen Pflegebedürftigkeit auf Sozialhilfe angewiesen sein."

     

    Die Sozialhilfe ist doch genau die solidarische Unterstützung.

     

    Das man bei Pflegeheimkosten von 3000 Euro und mehr /Monat das nicht von der Rente bezahlen kann, ist keine Überraschung.

     

    Die Ungerechtigkeit liegt dann in der fehlenden gesamtgesellschaftlichen Unterstützung. Zum Ausgleich des Fehlbetrags von Rente und Versicherung zu den Pflegekosten, wird erst das individuelle Einkommen des Partners herangezogen, dann die Einkünfte der Kinder. Uneingeschränkt gesamtgesellschaftlich werden nur die kinderlosen Singles getragen.

    • @fly:

      Die Ersparnisse des Singels (und aller mit Vermögen) sind aber wesentlich schneller weg, da hier voll zugegriffen wird im Gegensatz zu den Zuzahlungen des Partners usw. Bitte mal in Netz Berechnungen anstellen. Auch das Vermögen der Familienmitglieder wird nicht angetastet. Die meisten werden rechtzeitig Vermögen auch übertragen. Da gibt es viele Möglichkeiten. Der Singel zahlt auch höhere Pflegebeiträge jahrzehntelang. Also keine neuen Fronten aufmachen.

      Gruß von einem Verheirateten.