Pflege und Löhne: Diakonie drückt sich
Die Dienstgeber in der Diakonie lehnten die Abstimmung über einen Pflegetarifvertrag ab. Damit ist der Branchentarif fürs Erste vom Tisch.
Die Kommission ist paritätisch mit VertreterInnen von ArbeitgeberInnen und -nehmerInnen besetzt. Der Sprecher der MitarbeiterInnenseite, Andreas Korff, sagte dem Evangelischen Pressedienst, die ArbeitgeberInnen hätten die Abstimmung abgelehnt. Korff zeigte sich enttäuscht. Die MitarbeiterInnenseite habe abstimmen und damit trotz des Neins der Caritas ein Zeichen für einen Branchentarif setzen wollen.
Die ArbeitgeberInnen im Deutschen Caritasverband hatten dem allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrag am Donnerstag die Unterstützung verweigert und damit breite Kritik von Politik und Verbänden auf sich gezogen. Auch der Vorstandsvorsitzende der diakonischen Arbeitgeber in Niedersachsen, Rüdiger Becker, kritisierte das Veto der Caritas gegen den allgemeingültigen Flächentarifvertrag.
Innerhalb der Caritas gab es auch ArbeitgeberInnen, die sich für den Branchenvertrag aussprachen. In der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas wäre aber eine Zweidrittelmehrheit für den Branchenvertrag nötig gewesen.
12,40 Euro mindestens
Die Zustimmung beider kirchlicher Sozialverbände ist erforderlich, damit der Tarifvertrag für die Altenpflege von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Dieser Tarifvertrag hätte damit ab August den bisher geltenden Pflegemindestlohn ersetzt. Schon mit der Ablehnung der Caritas ist eine solche Allgemeinverbindlichkeitserklärung allerdings nicht mehr möglich.
Den Tarifvertrag hatten die Gewerkschaft Verdi und die 2019 gegründete Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) Anfang Februar abgeschlossen. Er sieht für ungelernte Pflegekräfte einen Stundenlohn von mindestens 12,40 Euro vor, der damit über dem derzeit geltenden gesetzlichen Pflegemindestlohn von 11,60 Euro (Osten: 11,20 Euro) liegt.
Caritas und Diakonie müssten der Allgemeinverbindlichkeit des Branchentarifvertrags zustimmen, da sie mit insgesamt 300.000 Beschäftigten relativ viele Angestellte in der Pflegebranche haben. Die Kirchen und ihre Verbände verhandeln die Löhne für ihre Beschäftigten im Rahmen des sogenannten „Dritten Weges“ autonom in ihren eigenen arbeitsrechtlichen Kommissionen.
Die Löhne in den kirchlichen Einrichtungen hätten auch weiterhin im „Dritten Weg“ vereinbart, nur eben nicht niedriger sein dürfen als in einem allgemeinverbindlichen Branchentarifvertrag. Die Löhne der Caritas liegen in der Regel sogar über denen, die im Verdi-Branchentarifvertrag ausgehandelt wurden.
Probleme mit den Entgeltstufen
Ein Problem seien die Differenzierungen der Entgelte in den Einstiegstarifen gewesen, sagte Norbert Altmann, Sprecher der Arbeitgeberseite der Caritas, der taz. Der Branchentarifvertrag Altenpflege hätte in Strukturen der kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien eingegriffen, die bei den Entgelten für Betreuungskräfte und ungelernte Hilfskräfte andere Differenzierungen vorsehen. Im Einstiegstarif des Verdi-Tarifvertrags seien ab dem Jahre 2023 Stundenlöhne von 14,40 Euro festgelegt gewesen.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zeigte sich „enttäuscht“ über das Scheitern eines allgemeinverbindlichen Branchenvertrages. In der Altenpflege arbeiten schätzungsweise 1,2 Millionen Beschäftigte in 15.000 Heimen und fast ebenso vielen ambulanten Pflegediensten. Gut 40 Prozent der Heime werden privat betrieben.
Mit der Ablehnung der Allgemeinverbindlichkeit gilt der von Verdi und der BVAP ausgehandelte Tarifvertrag nun nur für die Mitglieder von Pflege-Unternehmen, die der BVAP angehören. Darunter sind viele Unternehmen der Arbeiterwohlfahrt (AWO).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen