Pferderennen in Bremen: Die Gefahr rennt mit
Auf der ehemaligen Bremer Galopprennbahn soll im September ein erstes Pferderennen stattfinden. Der Tierschutzverein protestiert.
Nachdem im Mai letzten Jahres die Wohnbebauung der 30 Hektar großen Fläche per Volksentscheid abgelehnt wurde, ist man auf der Suche nach einer langfristigen Idee für das Areal. Im Juni kam deswegen zum ersten Mal ein Runder Tisch zusammen, zu dem neben Vertreter*innen des Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialressorts auch Mitglieder der Bürgerinitiative Rennbahngelände (BI) gehören. Die Gespräche werden sich voraussichtlich über Jahre ziehen. Bis dahin kümmert sich die ZwischenZeitZentrale (ZZZ) um die Nutzung des Geländes.
Die Bürgerinitiative lädt nun für den 19. September zum Bürgerfest samt „Showrennen“ ein. Bei solchen Rennen, kritisiert der Tierschutzverein Bremen, würden die oft sehr jungen Pferde unter enormem Stress und extremer körperlicher Anstrengung leiden. Die Verletzungsgefahr für sie sei immens.
Vor über zwei Jahren fand das letzte Pferderennen auf der Galopprennbahn statt. „Eigentlich waren wir froh, dass sich das Thema erledigt hatte“, sagt Tanja Pollak vom Tierschutzverein. Tierschutz war aber nicht der Grund für den Stopp der Rennen: 2016 hatte die Stadt den Pachtvertrag mit dem Rennverein 1857 gekündigt, weil sie beabsichtigte, dort 1.000 Wohnungen zu bauen. „Wir haben nicht freiwillig aufgehört, sondern auf Druck der Regierung“, sagt Frank Lenk, Sprecher des Bremer Galopprennvereins.
Frank Lenk, Bremer Rennverein
Jetzt, nachdem klar ist, dass es keine Wohnungen geben wird, möchte der Rennverein wieder mitspielen bei der Nutzung. Man sei im Gespräch mit der ZZZ, sagt Lenk. Mittelfristig wolle man gerne wieder regelmäßige Rennen dort veranstalten – das Bürgerfest soll nur der Auftakt sein.
„Ob das Fest überhaupt zustande kommt, müssen wir erst mal abwarten“, sagt Pollak. Corona könne den Veranstaltern immer noch einen Strich durch die Rechnung machen. Bei den Behörden angemeldet ist das Fest auch noch nicht. Sollte es allerdings wie geplant stattfinden, werde der Tierschutzverein aber „sicherlich mit einem Stand vertreten sein und die Leute aufklären“, so Pollak. In einer Mitteilung appelliert der Verein „an die Veranstalter, auf das Rennen zu verzichten“ und bittet Bürger*innen, „solch ein Fest nicht zu besuchen.“
Die Kritik am Pferderennsport ist nicht neu. Laut der ARD-Wissenschaftssendung Quarks und Caspers sterben in Deutschland jährlich 20 Pferde auf der Bahn oder direkt nach den Rennen. Wie viele im Training getötet werden, ist unbekannt. Auf der Hamburger Rennbahn gab es 2018 und 2019 je zwei Todesfälle bei Rennen; auf der Bremer Bahn kam zuletzt 2015 ein Pferd nach einem Beinbruch ums Leben – laut Tierrechtsorganisation Peta die häufigste Todesursache bei Rennpferden. Die Verletzungen sind meist so schwer, dass die Tiere noch auf der Bahn eingeschläfert werden müssen.
Dazu kommt Kritik an den Trainingsbedingungen für die Tiere: Oft werden schon zweijährige Pferde bei Rennen eingesetzt, bevor sie ausgewachsen sind. Haltungsschäden und hoher Verschleiß der Gelenke können die Folge sein, so einige Tiermediziner*innen. Andere sehen im frühen Training durchaus auch eine hilfreiche Stärkung der Muskulatur.
Frank Lenk, seit sechs Jahren im Vorstand des Rennvereins Bremen, weist die Kritik zurück. „Wir distanzieren uns ausdrücklich vom Vorwurf der Tierquälerei“, so Lenk. „Das Wohl der Pferde und der Reiter hat für den gesamten Galopprennsport oberste Priorität.“ An Renntagen befänden sich Tierärzte und ein Tierschutzbeauftragter auf der Bahn. Galopprennen seien für Pferde „die natürlichste sportliche Verwendung überhaupt.“ Jeder Sport bringe ein Verletzungsrisiko mit sich.
In seiner gesamten Zeit im Vorstand habe es weder Kontaktaufnahmen noch Beanstandungen seitens des Tierschutzvereins gegeben. „Für einen konstruktiven Austausch im Sinne des Tierwohls stehen wir jederzeit gern zur Verfügung“, sagt er. Die aktuelle Kritik der Tierschützer*innen nehme der Rennsportverein mit Verwunderung zur Kenntnis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt