Pferde beim Karneval: Alaaf, helau, hühott
In zwei Wochen beginnt im Rheinland der Karneval. Das bedeutet: Brauchtum, heilloses Saufen – und gestresste Fluchttiere in Menschenmengen.
Der Einsatz von Tieren beim Karneval ist schon länger umstritten. Aus Gründen des Tierschutzes und der Sicherheit. Unfälle mit Huftieren gab es bei Umzügen nämlich schon öfter. 2017 zum Beispiel brach eine Stute während des Rosenmontagszugs in Köln zusammen. Hin und wieder rennt auch mal ein panisches Tier in eine Zuschauermenge. Ob es dabei eine Kutsche zieht oder einen Jecken trägt, ist ihm dann auch egal.
Während Karneval und Fasching in der Regel auf Bräuche zum Frühlingserwachen, zum Vetreiben der Wintergeister und zum Beginn der christlichen Fastenzeit zurückzuführen sind, kommt beim Rheinischen Karneval im 19. Jahrhundert noch eine weitere Tradition dazu. Das Rheinland nutzte den Karneval, um sich über das preußische Militär lustig zu machen, das damals die Region besetzte. Daher die Uniformen – und Pferde.
Außerdem sind Pferde praktische Nutztiere und in der Lage, schwere Gefährte zu ziehen. Postkutsche, Pflug oder Transportwagen sind für die muskulösen Tiere kein Problem. Und eben auch Motivwagen beim Karnevalsumzug.
Allerdings sind Pferde nicht nur Nutz-, sondern auch scheue Fluchttiere. Muss man sie also unbedingt im motorisierten Zeitalter noch durch Menschenmassen und laute Musik hindurchschieben?
Es gibt jetzt immerhin Richtlinien
Der Standpunkt der Tierschützer: Pferde haben bei Großveranstaltungen nichts verloren. Egal ob Karneval, Schützenfest oder Sankt Martin. Geben wir diesem Wunsch statt, ist klar, dass Karneval natürlich nicht mehr dasselbe wäre: Es würden die tänzelnden Pferdchen fehlen, der Geruch nach tierischen Ausscheidungen und die Schlagzeilen über Unfälle mit Pferden, wenn die Journalisten wieder nüchtern sind.
Faschingskultur in anderen Ländern zeigt aber, dass es möglich ist, ohne vierbeinige Lastenträger zu feiern. Der Karneval in Rio lebt allein von Kostümen (die gerne nach Pferd aussehen können) und von Tanz. Daran könnte man sich ein Beispiel nehmen und die steifen Gardetänzerinnen zur Tanzschule schicken, damit auf Pferdeschlagzeilen verzichtet werden kann. Dem alkoholisierten Amateurkostümierten wird das Fehlen der Tiere nicht auffallen, er hat am nächsten Morgen sowieso alles vergessen.
Immerhin hat das Bundesland Nordrhein-Westfalen jetzt Leitlinien zum Umgang mit Pferden in Karnevalszügen veröffentlicht. Nach diesen gelten für Reiter*innen künftig Alkoholverbot, Handyverbot und eine Gewichtsobergrenze. Das klingt nach vorbildlicher Sicherheit im Straßenverkehr, aber inwiefern es die Pferde beruhigen soll, ist unklar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?