piwik no script img

Petition zum Deutschen HerbstWohin mit der „Landshut“?

1977 entführten mit der RAF verbündete palästinensische Terrorist*innen das Flugzeug bis nach Mogadischu. Was soll jetzt aus der „Landshut“ werden?

Die am 13. Oktober 1977 entführte „Landshut“ nach der Landung in Mogadischu Foto: dpa

Gabriele von Lutzau erinnert sich gut an die dröhnende Hitze im Flugzeuginneren unter der Sonne Mogadischus – und an das Gefühl der Freiheit, nach fünf Tagen Geiselnahme wieder an die frische Luft zu kommen. Am 13. Oktober 1977 war sie als junge Flugbegleiterin an Bord der „Landshut“ von Mallorca losgeflogen – mit Frankfurt als Ziel. Doch die „Landshut“ wurde entführt.

Vier Terrorist*innen der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ hatten die Lufthansa-Maschine unter ihre Kontrolle gebracht und erzwangen deren Flug mit Tankstopps in Zypern, Dubai, Jemen bis nach Somalia. Am vierten Tag erschossen sie den Piloten Jürgen Schumann.

Gabriele von Lutzau, damals 23, behielt Ruhe: Sie habe ihre Verantwortung gespürt, jetzt für die Passagiere da zu sein, erzählt sie der taz. Am fünften Tag schließlich gelang es einer Einheit der GSG-9, die entführte Maschine in Mogadischu zu stürmen. Drei der Terrorist*innen wurden dabei getötet, alle Geiseln befreit.

Hinter der Entführung steckte auch die Rote Armee Fraktion (RAF). Die terroristische Vereinigung zielte unter anderem durch diese Aktion darauf ab, ihre inhaftierte Spitze freizupressen. Doch als die Nachricht der „Landshut“-Befreiung bekannt wurde, beging ein Teil der Inhaftierten im Gefängnis Suizid. Die darauf folgende Ermordung des entführten Hanns Martin Schleyer durch weitere RAF-Mitglieder markiert das Ende der Krisenzeit, die als „Deutscher Herbst“ in die Geschichtsschreibung der BRD einging.

Historisches Objekt oder Flugzeugwrack?

Doch was geschah mit der „Landshut“? 30 Jahre lang flog die Boeing 737 noch für verschiedene Airlines quer durch die Welt. Dann wurde sie ausrangiert und fand auf dem Flugzeugfriedhof von Fortaleza in Brasilien ihre vorerst letzte Ruhe. 2017 reiste Gabriele von Lutzau dorthin, um das Flugzeug zu besuchen, das sie „meine kleine ‚Landshut‘“ nennt. Nach 40 Jahren stand sie so ein zweites Mal auf der Tragfläche des schon rostigen Flügels.

Nun wurde auch das deutsche Außenministerium unter Sigmar Gabriel auf die „Landshut“ aufmerksam – sie wurde im selben Jahr zum Schrottpreis gekauft und in zwei Teilen nach Deutschland geholt. Nach einigem Hin und Her soll sie nun ins Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Berlin-Gatow kommen.

Doch das findet Gabriele von Lutzau sinnbefreit. Die „Landshut“ sei ein Zivilflugzeug und selbst die GSG-9 gehöre ja zur Polizei. „Dagegen musste ich mich wehren, auch im Namen der anderen Geiseln.“ Mit einigen steht sie heute in Kontakt. Insbesondere mit Kopilot Jürgen Vietor verbindet sie eine „Schicksalsfreundschaft“. Die beiden haben nun eine Petition an den Deutschen Bundestag gestartet.

Ihr Vorschlag: ein Museum des Deutschen Herbstes im ehemaligen Flughafen Berlin-Tempelhof – mit einer begehbaren „Landshut“ als Herzstück. „Darin könnten Tondokumente, Zeitungsartikel, Kunst gezeigt werden“, sagt von Lutzau.

Doch nicht alle ehemaligen Geiseln sind begeistert. taz-Mitarbeiterin Gaby Coldewey war 1977 als Achtjährige ebenfalls an Bord der „Landshut“. Die kollektive Erinnerung an den Deutschen Herbst sei wichtig. Doch ein Flugzeugwrack teuer zu restaurieren, hält sie für übertrieben. Sie regt stattdessen an, der RAF-Geschichte und dem Deutschen Herbst 1977 eine Abteilung im Haus der Geschichte in Bonn zu widmen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Ein Museeum zur RAF fände ich gut. Aber es muss richtig und vollständig gemacht werden.



    Die Anfänge der APO, deren Ziele und warum es in Gewalt umschlug.



    Denn seien wir mal ehrlich: politisch ist es eher schlimmer geworden seit damals und somit besteht die Gefahr einer Wiederholung.



    Vielleicht haben wir das sogar schon, nur diesmal von rechts, gemischt mit Querfurzern.



    Die Frage, die sich vermutlich immer mehr stellen, ist: kommen wir gegen Korruption, Lobbyismus, Totalüberwachung überhaupt noch friedlich an?

  • Verschrotten.



    Sonst nichts.

    • @fly:

      Aber wieso?

      Dann könnte man auch das Stasi-Gefängnis und die Topografie des Terrors schleifen.

      Ich fände das Flugzeug als begehbares Museum gar nicht übel.

      Immerhin ist das ein Stück finsterer deutscher Geschichte.

  • Die Restaurationskosten sind doch "Peanuts". Lasst den Vogel wieder etwas hübsch anmalen und dann ab mit ihm ins Museum.