Petition gegen Rasterpsychologie: Die Psyche passt in kein Raster

Gesundheitsminister Spahn will Psychotherapien eine feste Stundenanzahl vorschreiben. Eine Petition und öffentlicher Protest stoppen das Projekt.

Eine Illustration von einem Therapeuten im Gespräch mit Patient auf einer Chaiselongue

Jens Spahns Vorschlag zur Rasterpsychotherapie erntet Kritik Foto: Malte Mueller/fStop Images/imago

Am Ende war der öffentliche Gegenwind zu groß. Nach einer Petition, die innerhalb von zwei Wochen mehr als 200.000 Unterschriften erhalten und einen Aufschrei in den sozialen Medien ausgelöst hatte, ist der Versuch einer grundlegenden Reform der Psychotherapie wohl abgewendet.

Diese hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kurzfristig angestoßen, um künftig jeder Diagnose im Voraus kategorisch eine feste Zahl an Behandlungsstunden zuzuweisen. Dadurch hätten The­ra­peu­t*in­nen nicht mehr im Zuge der Therapie beantragen können, wie lange Pa­ti­en­t*in­nen behandelt werden sollen, sondern ein schematisches Raster hätte entschieden.

Die Koalitionspartnerin gab nun bekannt, sie werde dem Vorhaben nicht zuzustimmen. Es ist damit gescheitert. Die Entscheidung begründet Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, der taz gegenüber damit, dass der Antrag des Gesundheitsministers mit der SPD weder inhaltlich diskutiert noch abgestimmt worden sei. Sie betont: „Wir halten ihn nicht für zielführend im Sinne der besseren Versorgung psychisch kranker Patientinnen und Patienten und lehnen diesen Vorstoß daher ab.“

Das Gesundheitsministerium scheint sich noch nicht geschlagen zu geben. So sagte ein Sprecher des Ministeriums der taz gegenüber nur, dass sich die Diskussion auf andere Themen konzentriere. „Die abschließende Beratung des Gesamtpaketes steht aber noch aus.“

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Das Ringen um notwendige Reformen

Großen Anteil an der öffentlichen Aufmerksamkeit hat die erwähnte Petition. Ihr Initiator, Uwe Hauck, zeigt sich jetzt vorsichtig optimistisch: „Ich bin erleichtert, aber bleibe noch skeptisch, bis das Gesetz endgültig beschlossen ist.“ Gemeint ist das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG), dem der Gesundheitsminister kurzfristig die befürchtete „Rasterpsychotherapie“ per Änderungsantrag hinzugefügt hatte, und das am 7. Juni im Gesundheitsausschuss und am 9. Juni im Bundestag abschließend beraten wird.

Uwe Hauck suchte selbst vor einem Suizidversuch ein Jahr lang nach einem Psychotherapieplatz. Die langen Wartezeiten sind immer wieder Ziel neuer Reformen, diesmal also über die Verkürzung der individuellen Behandlungsdauer. Dahinter steht der Verdacht, Therapien würden zu lange fortgeführt – ein Vorwurf, den Verbände der Psy­cho­the­ra­peu­t*in­nen zurückweisen. Für sie wäre Spahns Vorstoß ein unnötiger Eingriff in die Entscheidungshoheit der Behandelnden, da bereits heute fachliche Instanzen die Form und Dauer der Behandlung kontrollierten.

Auf Zustimmung stößt Spahns Vorhaben dagegen laut Neues Deutschland bei den Krankenkassen, die auf eine schnellere Vergabe neuer Therapieplätze setzen. Diese Argumentation läuft auf kurzfristige Einsparung durch verkürzte Therapien hinaus. Diese Logik steht für die Christine Kirchhoff, Professorin für theoretische Psychoanalyse in Berlin, für eine „möglichst weitgehende Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung“ – und geht häufig zulasten der Patient*innen.

Die Rasterpsychotherapie zu verhindern ist für Uwe Hauck nur ein Zwischenschritt. Langfristig setzt er sich für die Anerkennung psychischer Erkrankungen ein. Dazu gehört auch der Abbau gesellschaftlicher Stigmata.

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