Petition gegen Bekleidungskonzern: Unschlagbare Angebote bei H&M
Der Mode-Discounter will 800 Stellen streichen – und vor allem Mitarbeitende loswerden, die abends und samstags nicht arbeiten können: Frauen.
Alle sind lockdowngebeutelt, sehnen sich nach einem stinknormalen Essen mit Freunden, dem Wiedersehen mit der Familie, einem Konzert, sogar nach einem langen Arbeitstag im Büro.
Besonders heftig trifft der Lockdown jedoch jene, die um ihre Jobs bangen müssen, vor allem in der Gastronomie und im Einzelhandel. Dass die beiden Lockdowns nicht spurlos an diesen Branchen vorbeigehen würde, war klar. Große Betriebe hingegen, so zumindest die Hoffnung, könnten mit einem blauen Auge davonkommen.
Experten prognostizieren, dass 2021 das große Jahr der Pleitewelle werde. Im Januar machte das Modeunternehmen Adler den Anfang. Nun trifft es auch größere Unternehmen – mit Folgen für die Beschäftigten. Der Parfümerie-Riese Douglas kündigt an, 600 Stellen in Deutschland streichen zu wollen. Beim Mode-Discounter Hennes & Mauritz, kurz H&M, ist von 800 Stellen die Rede.
Besonders vulnerable Gruppen
Inzwischen ist bekannt, dass H&M vor allem Mitarbeiter:innen loswerden will, die nicht an den umsatzstarken Abendzeiten sowie an Samstagen arbeiten können. Dagegen regt sich Widerstand, denn es trifft besonders vulnerable Gruppen wie Frauen mit Kindern. Die Geschäftsleitung hat dem Gesamtbetriebsrat ein Abfindungsprogramm für Mitarbeitende, die freiwillig gehen wollen, vorgeschlagen. In der Präambel dazu heißt es, dass insbesondere jene animiert werden sollen zu gehen, die „vorwiegend zu Zeiten eingesetzt werden können, in denen ein spezifischer Arbeitskräfteüberhang besteht“. Damit die Formulierung auch verstanden wird, werden Mitarbeiter:innen, die sich in Elternzeit befinden, also viele junge Mütter, Langzeiterkrankte und Schwerbehinderte, explizit als antragsberechtigt erwähnt.
Die Verdi-Gewerkschaftssekretärin Jaana Hampel macht dieses Gebaren fassungslos: „Normalerweise müssten diese besonders schützenswerten Gruppen durch einen Sozialplan geschützt werden, aber H&M pickt sich genau diese Menschen raus“, sagt sie. Deshalb hat sie bei change.org eine Petition gestartet, in der sie eine H&M-Filiale in Nürnberg als Beispiel nimmt, wo mehr als ein Viertel der Arbeitsstunden wegfallen sollen: „Stehe zu deiner Verantwortung, H&M“. Sie fordert, dass der drittgrößte Modekonzern der Welt in Verhandlungen mit Verdi tritt.
H&M weist die Vorwürfe zurück. Personal soll etwa in jenen arbeitszeitbezogenen Stellenprofilen abgebaut werden, wo „der Arbeitsanfall seit mehreren Jahren rückläufig ist“, teilt die Pressestelle mit. Bei H&M dreht man es nun so, als habe man diese Personengruppen explizit angesprochen, um sie vom Freiwilligenprogramm nicht auszuschließen. Sollten nicht ausreichend Kolleg:innen auf das Angebot eingehen, so H&M, komme es „selbstverständlich unter Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben“ zu betriebsbedingten Kündigungen. „Kolleg:innen in Abwesenheit, wie Elternzeit und Langzeiterkrankung etc., sind dann selbstverständlich ausgeschlossen.“
Kein Verständnis für H&M hat Katja Mast, Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion: Gerade jetzt müssten die Rechte von Arbeitnehmenden geschützt werden. Ein so unsoziales „Freiwilligenprogramm“ dürfe keine Schule machen. Der Umbau im Handel „muss mit den Beschäftigten bewältigt werden“. Die Pandemie beschleunige den Wandel, sei aber nicht die Ursache.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte