piwik no script img

Petition für Warmwasser im Freibad„Man hält diese Kälte nicht aus“

Ralf Wendling hat eine Petition gestartet. Er fordert 25 Grad Beckentemperatur in Freibädern. Die könnten auch mit Solarpanelen heizen.

Ein glücklicher Schwimmer im Becken – aber nicht in Berlin Foto: Matthias Bein/dpa
Erik Peter
Interview von Erik Peter

taz: Herr Wendling, sind Sie ein Warmduscher?

Ralf Wendling: Nein, überhaupt nicht. Ich bin trainiert, schwimme regelmäßig seit 20 Jahren. Wie kommen Sie darauf?

Im Interview: Ralf Wendling

Ralf Wendling wohnt seit 28 Jahren in Berlin und geht seit 20 Jahren drei bis viermal die Woche schwimmen.

taz: Nachdem die Bäder-Betriebe angekündigt haben, die Freibäder bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr zu beheizen, fordern Sie in einer Petition mindestens 25 Grad Beckentemperatur. Ist das nicht ein bisschen viel?

Wendling: Die normale Wassertemperatur, egal ob im Olympia- oder im Prinzenbad, betrug früher 26 oder 27 Grad. Mit der Energiepreiskrise vor drei Jahren wurde das dann auf 22 Grad gedrückt, was auch schon unangenehm sein kann. Ich halte 25 Grad für eine angemessene Temperatur, aber über ein, zwei Grad kann man sich unterhalten.

taz: Die Bäder werden dieses Jahr mit 12 Grad kaltem Wasser befüllt und sollen sich dann durch die höhere Außentemperatur und Sonneneinstrahlung erwärmen. Warum lehnen Sie das ab?

Wendling: Man hält diese Kälte einfach nicht aus. Ein ordentliches Schwimmprogramm für die körperliche Fitness besteht aus 1.000 Metern, dafür braucht der normale Schwimmer 30 Minuten. So lange bleiben Sie aber nicht im Wasser. Da kühlen die Extremitäten dermaßen aus, es kann zu Unterkühlungen kommen. Auch an Schwimmunterricht für Kinder ist dann nicht mehr zu denken.

taz: Wie lang wird es dauern, bis die Temperaturen auf ein aushaltbares Maß ansteigen?

Wendling: Im Mai haben wir noch Nachttemperaturen von 7 bis 10 Grad und es dauert lange am Morgen, bis die Sonne aufs Wasser scheint. Ein Becken mit Bodentiefen von zwei Metern erwärmt sich nicht so schnell. Deswegen wird es im Juni noch knüppelhart, vor Juli wird man da kaum schwimmen können. Das Problem ist: Dann bleiben die Besucher aus, wie schon nach der Absenkung auf 22 Grad viele weggeblieben sind. Aber wenn niemand mehr kommt und Eintritt zahlt, wird das letztlich zu Bäderschließungen führen. Und in den verbliebenen beheizten Bädern stauen sich dann die Besucher.

taz: Beheizt werden nur noch jene Bäder mit Solarabsorberanlagen. Können Sie das aus ökologischer Sicht verstehen?

Wendling: Es ist richtig, mit regenerativen Energien zu heizen. Aber dann wäre jetzt doch der Zeitpunkt für eine Umstellung in allen Bädern. Solarabsorber und -panels sind so günstig geworden. Kombiniert mit Natrium-Ionen-Batterien als Energiespeicher wäre das die ideale Lösung.

taz: Die Bäder argumentieren, ihnen ist der Heizkostenzuschuss vom Senat gestrichen worden, der spart auch in anderen Bereichen. Wen sehen Sie in der Verantwortung?

Wendling: Es geht gar nicht um eine Schulddiskussion, es sollte hier einfach nicht der Rotstift angesetzt werden. Die Einsparungen bewegen sich gemessen am Haushalt im Promillebereich. Aber Schwimmen ist Volkssport und trägt viel zur allgemeinen Gesundheit bei. Was da eingespart wird, zahlen später die Krankenkassen wegen Fettleibigkeit.

taz: Sind die angekündigten Preiserhöhungen nicht das viel größere Problem?

Wendling: Es ist einfach alles eine Unverschämtheit. 7 Euro Eintritt sind für Menschen ohne Geld eine richtige Melodie. Das wird dazu führen, dass sich viele keine Karte mehr leisen können. Normalerweise müsste der Volkssport allen gratis zur Verfügung stehen.

taz: Was wollen Sie mit der Petition erreichen?

Wendling: Wenn jetzt hier keiner muckt, werden die Dinger bald zubetoniert. Ich hoffe also auf 100.000 Unterstützer. Auch habe ich schon eine Klage gegen den Senat vorbereitet, die ich beim Verwaltungsgericht einreichen werde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • Wo ist denn die Petition? Oder wie heißt sie, zum selber finden?



    Ich bin wasserscheu und nutze Bäder eh nicht aber kenne genug Leute die das nutzen und das ist ja tausendmal gesünder als diese blöden Muckibuden wo man noch den Strom verbraucht während man eigentlich welchen herstellen könnte und hinterher für verschlissene Gelenke unendlich viel Geld verbraucht dass auch meins ist also: Freibäder FREI!

  • Achja, früher. Das war was. In meiner Jugendzeit hatten die Schwimmbäder generell nur im Winter geöffnet. Manchmal mussten wir vorm Schwimmuntericht die Eisdecke aufpickern und am Beckenrand Schnee schippen. Da waren wir dann auch gleich so aufgewärmt, dass wir glücklich waren, uns für den Rest der Schwimmstunde bei lauwarmen 4 Grad Beckentemperatur erfrischen zu können.

  • Hätten wir eine dickere Haut, oder uns fehlen die Temperaturrezeptoren, könnten wir auch durchs Eismeer schwimmen.

    Nun ist der Mensch aus evolutionstechnischen Gründen immernoch ein Dschungelbewohner und benötigt, trotz Aufkommen von Klimaanlagen, warme Temperaturen. Noch nach 2 Millionen Jahren beherrscht er ohne Zutun Brachiation und Klettern (halbwegs), das mit dem Schwimmen unter 20 Grad benötigt er Hilfsmittel, ein dichtes Fell oder dickere Haut.

    Durch physikalische Effekte, wie die Wärmeleitfähgikeit und die Wärmekapazität kann tatsächlich erklärt werden, warum Menschen bereits bei unter 20 Grad Wassertemperatur stark frieren und es bei 15 Grad oder weniger bereits lebensgefährlich wird.

  • Ja Dankeschön! Recht hat Ralf Wendling.

    Mit der heutigen Technik (Solarabsorber, Erdwärme, Wärmepunpe, Solarzellen) ist es ein leichtes Schwimmbäder ab spätestens Mai auf 25 Grad zu halten.

    Für Erdwärmebohrungen ist auf den meisten Wiesen der meisten Schwimmbäder ausreichend Platz, die Dächer der neuen Pumpstation können mit Solarzellen vollgepflastert werden, um die Geothermieanlage/Wärmepumpe mit (fast) kostenlosem Sonnenstrom zu betreiben.

    Solarabsorber können im großen Stil (etwas höher) (als Sonnenschutz) direkt auf die Wiesen der Freibäder montiert werden.

    Alles problemlos machbar und seit 20 Jahren millionenfach bewährt.

    Müssen nur wollen... .

    Planschen statt Panzer! :-D

  • Also jetzt mal ehrlich...



    Zu der Zeit, als ich schwimmen lernte, gab es gar keine beheizten Freibäder, und zum Schulschwimmen wurden wir bedenkenlos in 15°C "warmes" Wasser gejagt.



    Mein bevorzugter Badesee wird bis heute nicht beheizt, und die Ostsee meines Wissens auch nicht.

  • Wer Geld hat, schwimmt im Warmen.



    Wer keins hat, braucht nicht schwimmen, wir brauchen das Geld ja für andere Zwecke.

  • In meiner Kindheit war das Wasser im Schwimmbad so kalt, dass wir uns blau froren wenn wir nur kurz bewegungslos blieben. Besonders beim Schulschwimmen war das furchtbar, immer dann wenn man auf irgendwas warten musste. Aber das Konzept Schwimmbad war einfach ein ganz anderes: 45 min (inkl. Umziehen) waren im Ticket inbegriffen, man ging ins Wasser nur um zu schwimmen. Schwimmbäder heute sind eher Wellnesseinrichtungen, in denen man oft mehrere Stunden bleiben möchte. Hygienisch und energetisch entstehen da vermutlich sehr hohe Kosten, die kaum zu stemmen sind.

  • Bei der Absenkung damals konnten wir nur mit Neoprenanzug schwimmen gehen. Mein Kind hätte sonst im Wasser gefroren. Den Schwimmkurs mussten wir dann unterbrechen, weil man da keinen Neo tragen durfte. Wir Erwachsene verstehen ja noch, dass es vielleicht besser wird, wenn wir uns bewegen, gerade kleine Kinder nicht unbedingt, die bleiben dann zitternd sitzen oder wollen raus.

  • bei uns wude die Temperatur immer an einer Tafel angeschrieben. und ok. unter 17 Grad war es kühl. Da musste die Sonne schon ordentlich scheinen. Aber auch das war möglich. ist am Ende Gewöhnungssache. 25 Grad hatten wir nie, wir fanden 22 schon als pi . warm.



    Solarheiznung mit solarthermischen Kollektoren wäre ok, hat aber den Nachteil dass die Heizung erst so ab 11 Uhr morgens oder so richtig anfängt. Und man braucht die Fläche und die Investitionsmittel.



    Mein Kommentar zum Herrn Wendling wäre abgewandelt zum alten Werbespruch von "Fisherman´s Friends":



    "Sind sie zu stark, bist Du zu schwach"!

  • Für Solarabsorber sind keine Batterien nötig, da sie das Wasser direkt erwärmen.

  • Noch toller wäre natürlich, die Flüsse chemikalienfrei zu bekommen. Die werden ja nu immer wärmer.

  • Wie absurd ist das eigentlich? In einem der reichsten Länder der Welt diskutieren wir ernsthaft darüber, ob Warmwasser im Freibad „zumutbar“ ist. Für Kinder, die schwimmen lernen sollen, ist kaltes Wasser oft das Ende des Unterrichts, bevor er überhaupt beginnt. Und für Menschen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen ist es eine unsichtbare Ausgrenzung mit Ansage.



    Warmwasser ist kein Wellness – es ist die Voraussetzung für Teilhabe, Sicherheit und Würde. Wer das nicht versteht, hat den Sinn öffentlicher Einrichtungen nicht begriffen.



    Diese Petition ist ein Aufschrei gegen die soziale Kälte, die sich in kaltem Chlorwasser spiegelt. Wer will, dass Kinder schwimmen lernen und alle Menschen Zugang zu Bewegung im Wasser haben, muss jetzt unterschreiben. Alles andere ist zynisch.

    • @Jörg Radestock:

      Ich habe bei uns im Dorfteich schwimmen gelernt und alle anderen auch. Ok wir hatten blaue Lippen aber das Tpben im Wasser hat allen Spass gemacht.

  • "Die normale Wassertemperatur, egal ob im Olympia- oder im Prinzenbad, betrug früher 26 oder 27 Grad."



    Ehrlich jetzt? Seit wann hat Berlin Thermalquellen?



    Ernsthaft, kann das jemand bestätigen? Ich kann mich nicht an solche Badewannentemperaturen erinnern.

  • Schwimmen lernen/können… diese Basisqualifikation wird so auch weiter erschwert…