piwik no script img

Petition der WocheHessen braucht den Äppelwoi-Tag!

Die Bewohner des zentralsten Bundeslandes wissen es: Apfelwein ist ein verdammt edles Gesöff. Deshalb muss der Äppelwoi-Feiertag für Hessen her.

Hoch de Bembel! Auf die Schoppepetzer! Hessen braucht den Apfelweintag! Foto: Michaela Pucher/imago

Aus der kleinen ehemaligen Residenzstadt Büdingen schallt ein Ruf wie Donnerhall. Ein Zauber wohnt diesem Gründungsmythos eines neuen geeinten Hessen inne. Worum es geht? Der 35-jährige Christoph Walther, engagiert in der Kommunalpolitik und der Feuerwehr seines Heimatdorfs Vonhausen, will, dass es einen offiziellen Äppelwoi-Feiertag gibt.

In einer Petition fordert er, den Apfelweintag, der sich am 3. Juni 2023 zum zehnten Mal jährt, zum hessischen Feiertag zu erheben. Schließlich habe Hessen deutlich weniger gesetzliche Feiertage als etwa Bayern oder Berlin, argumentiert der junge Mann aus dem geografischen Mittelpunkt Deutschlands. Er fordert: Apfelweinfrei am 3. Juni für alle! Also, fast alle. Die Apfelweinwirte, die „Bretzelbube“ und „Hartkucheverkäufer“ natürlich ausgenommen.

Oigeplackte, Zugereiste und Nichthessen mögen gegen diese prickelnde Idee einwenden, Apfelwein sei ein saures Gesöff, nahezu untrinkbar. Doch das muss an dieser Stelle als schlimmes Vorurteil zurückgewiesen werden. Der Autor dieser Zeilen kam in den 1970ern aus einer gepflegten Weingegend in die Äpplerhauptstadt. Auch er schüttelte sich nach dem ersten „Schoppen“.

Doch schließlich bestätigte sich die alte Volksweisheit: „De Äppler“, das „Stöffche“, wird erst nach dem dritten Glas genießbar. Dann nämlich hat der Alkohol das Säureempfinden betäubt. Wer auch nur einmal die alten Herrn unter den Kastanien im Garten einer traditionellen Apfelweinschänke hat sitzen und „babbeln“ sehen, jeder sein individuell aus Holz gedrechseltes „Deckelche“ auf dem „Gerippte“, damit nichts reinfällt ins edle Stöffche, der kann sich der Erkenntnis nicht mehr verschließen: Der Apfelwein ist in Hessen und weltweit dafür berühmt, Kulturgut zu sein.

Eine Hymne für die neue hessische Nation gibt es ohnehin bereits. Die Rodgau Monotones liefern sie auf dem Album „Volle Lotte“. Im Leadsatz „Erbarme, zu spät, die Hesse komme“ klingt bereits der versöhnliche Grundton der aktuellen Apfelweinbewegung an. Schließlich trinken auch die Mainfranken oder Württemberger Apfelwein.

Mögliche Irritationen befreundeter Nachbarvölker werden kunstvoll integriert. „München stöhnt entsetzt, Oh Mei – Oktoberfest mit Äppelwoi!“ und weiter „Hamburgs heller Stern versinkt, wenn der Fischmarkt erst nach Handkäs stinkt“. Wie gut ist das denn? Sogar alkoholische Getränke mit Migrationshintergrund finden ihren Reim: „Was hat denn da de Pappa in de Flasch – De Pappa hat de Grappa in de Tasch!“. Der Song atmet die feine Selbstironie, derer der Hesse oder die Hessin an sich gemeinhin fähig ist.

Das Stöffche könnte deshalb die nötige Bindekraft für eine Art hessische Wiedervereinigung liefern. Hessen war jahrhundertelang geteilt. Auch Büdingen, die kleine Stadt mit den mittelalterlichen Stadtmauern, wurde vom hessischen Schisma hin- und hergerissen, von der Teilung der einst geeinten Landgrafschaft in Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt.

Erst die Alliierten schufen nach dem Zweiten Weltkrieg das Bundesland. Es fehlt bis heute das Narrativ der Einheit. Der Hessentag war ein Anfang. Der längst fällige Apfelweintag wäre die Vollendung.

Hoch das Gerippte! Hoch de Bembel! Auf die Schoppepetzer!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare