piwik no script img

Petition der WocheStalking ist kein Kündigungsgrund?

Eine Betroffene von Stalking zieht aus ihrer Wohnung und erklärt, dass es als Kündigungsgrund genügt. Die Hausverwaltung sieht das anders.

Für Cara-Julie Kather war der Auszug die einzige Möglichkeit zum Selbstschutz Foto: snapshot-photography/T.Seeliger/imago

Der Fall von Cara-Julie Kather liest sich wie ein Albtraum. Im Dezember vergangenen Jahres sah sich die 22-jährige Studentin nach nur zwei Monaten gezwungen, wieder aus ihrer neuen Wohnung auszuziehen. Ihr Kündigungsgrund: Stalking durch den Nachbarn nebenan.

Der Begriff Stalking stammt aus dem Englischen und bedeutet auf Deutsch „belästigen“ oder „belauern“. Der Nachbar, ein 55-jähriger Mann, stellte der Studentin nach, lauerte ihr vor der Haustür auf und klingelte Sturm, um ihr Texte mit expliziten sexuellen Fantasien zu übergeben.

Bereits von Anfang an war ihr der Mann suspekt, doch als er mit übergriffigen Nachrichten um die Ecke kam, zog die Studentin lieber wieder aus. Dabei hatte sie sich beim Einzug so sehr über die Wohnung gefreut.

Kather war der Schutz der körperlichen Unversehrtheit wichtiger als die Wohnung. Und dieser Schutz war für sie ein ausreichender Kündigungsgrund. Ihre Hausverwaltung sieht das allerdings anders und ging vor Gericht.

Wenn Stalking kein Kündigungsgrund ist, was dann?

Als der Prozess begann, startete Kather eine Petition. In dieser fordert sie mehr Schutz für Betroffene von Stalking und die Option der außerordentlichen Kündigung. Diese Form der Kündigung ist nach derzeitiger Gesetzeslage dann möglich, wenn eine Einhaltung des Vertrages für eine der beiden Parteien unzumutbar ist (§ 543 Abs. 1, § 569, Abs. 2 BGB). Kather selbst sieht ihre Situation vom Gesetz erfasst. In Deutschland ist allerdings derzeit juristisch nicht geklärt, ob Stalking als eine solche Unzumutbarkeit aufgefasst wird.

Laut der polizeilichen Kriminalprävention wird Stalking als ein wiederholtes widerrechtliches Verfolgen, Nachstellen, Belästigen, Bedrohen und Terrorisieren einer Person gegen ihren Willen definiert. Auch die Rechtsanwältin Elisabeth Aleiter ist überzeugt, dass Stalking ein Kündigungsgrund sein muss.

Anders als Kather sieht sie das Problem allerdings nicht mit dem Auszug allein geklärt. „Es gibt ein, zwei größere Vermieter, die eine alternative Wohnung zur Verfügung stellen können, wenn so ein Fall auftritt“, sagt Aleiter. „Die Frage ist nur, wie lange das hält. Denn viele Täter bleiben auch nach dem Umzug am Opfer dran und verfolgen dieses weiterhin.“

Mehr Sensibilität für Betroffene

Kather selbst erstattete Anzeige gegen ihren ehemaligen Nachbarn und hat vorerst Ruhe vor ihm. Der Konflikt mit der Hausverwaltung aber bleibt. Daher adressiert die Studentin staatliche und politische Institutionen, um auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Aber auch Menschen aus den Rechtswissenschaften sollten sich mit der Problematik befassen: „Dass zum Beispiel Menschen, die juristische Literatur verfassen, also Kommentare zu Mietrecht schreiben, diese Thematik mit aufgreifen“, fordert sie.

Die Rechtsanwältin ist da skeptisch. „Wenn man ehrlich ist“, so Aleiter, „haben solche Einrichtungen kein Interesse, an dem derzeitigen Gesetz etwas zu ändern. Denn eine solche Änderung ist mit viel Aufwand verbunden und die meisten Leute kommen mit der derzeitigen Situation zurecht.“

Zu hoffen ist, dass die Petition Erfolg hat und sich Verantwortliche diesem Thema widmen. In Deutschland wird die Dunkelziffer von Stalking auf 600.000 bis 800.000 Fälle geschätzt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Vielleicht eine kleine Ergänzung meinerseits (besagtes Stalking-Opfer aus dem Artikel): Das Anliegen ist keine Gesetzesänderung!



    Es geht um die Frage der Lesart der bestehenden Gesetzeslage. Zu dieser gibt es an dieser Stelle keine bereits etablierte Interpretation. Die Petition betrifft eine juristische Leerstelle und macht einen Vorschlag, diese zufüllen. Die berechtigte Hoffnung auf die Möglichkeit eines Erfolges ist deshalb sicherlich höher als wenn eine Gesetzesänderung nötig wäre. Es geht ja "nur" darum das geltende Recht zu außerordentlicher Kündigung auf Stalking anzuwenden.

  • Schade, das dem Stalker nicht gekündigt wird.