Petition der Woche: Kein Platz für Geflüchtete

Geflüchtete bekommen trotz Traumata nur selten einen Therapieplatz. Das System ist unterfinanziert, kritisiert Diana Ammann.

Zersprengte Scheiben und ein verletzter Baum

Trümmer in Tschernihiw Foto: Vladislav Savenok/ap

BERLIN taz | Wenn der Körper nach der Flucht zur Ruhe kommt, sind es oft die Gedanken, die drücken, sind es Bilder, Erinnerungen und Geräusche, die verfolgen. Wie bewältigen Menschen mit Fluchtgeschichte ihre teils traumatischen Gewalterfahrungen, den Verlust der Heimat und den Tod von Angehörigen? Im besten Fall können Menschen vor Krieg und Gewalt fliehen, nicht aber vor ihren eigenen Gedanken. Der Zustand permanenter Anspannung bleibt oft bestehen. Hilfe ist notwendig, aber häufig nicht in Reichweite.

Eine Petition fordert nun von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, sich der Problemlage anzunehmen. Initiiert hat sie Diana Ammann, gemeinsam mit Julia Darboven, Psychologiestudentin aus Tübingen, sowie mit Joéva Lemieuvre, die als Schulpsychologin in Berlin tätig ist. Ammann startete bereits im Februar 2021 die Petition. Nun, durch den Krieg in der Ukraine, ist sie noch relevanter geworden.

Vor zwei Jahren wurde Ammann durch einen Bericht im Fernsehen auf die Versorgungslücke aufmerksam, sie war zunächst ungläubig, dann entsetzt. „Da ging es unabhängig von der Situation Geflüchteter zunächst darum, dass es zu wenige psychotherapeutische Kassensitze gibt.“ Als sie sich weiter informierte, habe sie gemerkt, dass es für Geflüchtete noch viel schwieriger ist, einen Therapieplatz zu bekommen.

Es gibt in Deutschland die sogenannten Psychosozialen Zentren, die auf Geflüchtete spezialisiert sind. Doch schon 2020 habe man dort auf einen Therapieplatz sieben Monate warten müssen, teilte die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) auf taz-Anfrage mit. 10.000 Geflüchtete habe man ablehnen müssen.

Lange Wartelisten und Sprachbarrieren

Laut Studien weisen jedoch rund ein Drittel aller Geflüchteten in Deutschland eine Traumafolgestörung auf. Die Psychosozialen Zentren konnten laut eigener Aussage nur knapp fünf Prozent des Bedarfs abdecken. Zwar können anerkannte Geflüchtete auch niedergelassene The­ra­peu­t:in­nen besuchen, doch auch dort sind Wartelisten lang, zudem haben viele dieser The­ra­peu­t:in­nen weder die nötigen Sprachkenntnisse noch die nötigen Schulungen, um Geflüchtete zu behandeln. Die Initiatorinnen der Petition fordern daher einen unbürokratischen und schnellen Zugang zu Therapieplätzen. „Jeder Mensch sollte unkompliziert und schnell psychologische Hilfe erhalten, wenn er sie benötigt. Da ist es doch ganz egal, ob geflohen oder nicht“, sagt Ammann. Es brauche finanzielle Mittel für geschulte Sprachmittler:innen. Außerdem müssten Schulungen zur Versorgung Geflüchteter Bestandteil der therapeutischen Ausbildung werden.

In den ersten Wochen des Kriegs sind bereits über 220.000 Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflohen. Die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) rechnet damit, dass sie psychotherapeutische Hilfe „in erheblichem Umfang“ benötigen. Die neue Fluchtsituation „kracht auf ein überlastetes System“, sagt Hans Strömsdörfer, Pressesprecher der DPtV, im Gespräch mit der taz. Pro Asyl schließt sich an: „Wir müssen damit rechnen, dass der Bedarf steigt und nun viele Menschen nach Deutschland kommen, die eine Akuttraumatisierung mitbringen“, so Andrea Kothen, Referentin von Pro Asyl.

Die Initiatorinnen der Petition hoffen auf Besserung. Das Thema in die Diskussion zu bringen ist dafür der erste Schritt.

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