Petition der Woche: Nicht einfach nur müde

Wer an ME/CFS erkrankt, muss oft um den Status „krank“ kämpfen, um nicht einfach nur als „müde“ zu gelten. Eine Petition macht darauf nun aufmerksam.

Mann mit geschlossenen Augen

Dauerkrank im dunklen Zimmer Foto: Javier Sanchez Mingorance/imago-images

Ein Video geht in den sozialen Netzwerken um, es zeigt zwei Bilder von jeweils ein und derselben Person. Links: jung, strahlend, vielleicht im Urlaub oder mit Freunden. Rechts: offensichtlich erschöpft, abgeschlagen, meist im Bett. Geteilt wird das Video von der Initiative SIGN­forMECFS. Die hat eine an den Bundestag gerichtete Petition gestartet, die auf die Lage von ME/CFS-Patient:innen in Deutschland aufmerksam machen soll.

Eine der Initiatorinnen ist Claudia Schreiner. Sie leidet seit 13 Jahren an der Krankheit. „Ich liege 97 Prozent des Tages im abgedunkelten Zimmer“, erzählt sie. Elementare Dinge wie Zähneputzen oder der Gang in die Küche sind für die Berlinerin eine Herausforderung. Früher ging sie arbeiten, traf sich mit Freunden und war leidenschaftliche Bäckerin. Dann erkrankte sie an ME/CFS und all das war nicht mehr möglich. Von ihrem Bett aus kämpft sie für die Anerkennung der Krankheit und eine bessere medizinische Versorgung.

Denn diese gilt als besonders schlecht: Viele Ärztinnen und Ärzte wissen gar nicht erst von der Krankheit, berichtet Schreiner. So habe sie schon zu hören bekommen, das mit ihrer „Hardware“ alles in Ordnung sei, stattdessen gebe es ein Problem mit ihrer „Software“.

Alles nur psychisch? Die Weltgesundheitsorganisation sieht das anders. Seit 1969 führt sie ME/CFS als schwere neuroimmunologische Multisystemerkrankung. ME steht für „myalgische Enzephalomyelitis“, wird aber auch als „Chronisches Fatigue Syndrom“ – CFS – bezeichnet. Eine Begrifflichkeit, die viele Betroffene ablehnen. Wer erkrankt, ist nicht einfach nur müde, sagen sie. Zu den Symptomen gehört noch viel mehr, etwa eine ausgeprägte Belastungsintoleranz, Muskelschmerzen, Schlafstörungen und kognitive Einschränkungen. Die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS schätzt die Zahl der Betroffenen in Deutschland auf 250.000.

Es gibt noch viel Forschungsbedarf

Bislang ist die Krankheit kaum erforscht. Viele haben Schwierigkeiten, überhaupt eine Diagnose zu bekommen. Das bestätigt auch die Ärztin Patricia Grabowski. Sie arbeitet am Fatigue Centrum der Berliner Charité, eine der wenigen Anlaufstellen für ME/CFS-Erkrankte in Deutschland. „Die Patienten werden alleingelassen“, sagt sie. Auslöser für die Erkrankung sei meist eine Infektion, von der sich die Pa­ti­en­t:in­nen nicht mehr erholten. „Man bleibt dauerkrank.“

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Um die Krankheit besser zu verstehen, gebe es noch viel Forschungsbedarf, sagt Grabowski. Doch genau da liege das Problem: „Bis jetzt hatte man kaum eine Chance, an Forschungsgeld zu kommen.“ Erst durch die Aufmerksamkeit rund um Long Covid habe sich das etwas geändert. Derzeit läuft ein Projekt mit Mitteln des Gemeinsamen Bundessausschusses zur Entwicklung erster Therapieansätze in Höhe von 2,8 Millionen Euro.

Konkret fordern die Betroffenen in ihrer Petition die Aufnahme der Krankheit in den Paragrafen § 116b SGB V, der die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Fachleuten ermöglichen soll, sowie höhere Forschungsinvestitionen aus staatlichen Mitteln. Um ihr Anliegen im Petitionsausschuss des Bundestags vorbringen zu können, benötigen sie 50.000 Unterschriften. Bislang haben sie etwas mehr als die Hälfte zusammen. Bis zum 9. November kann noch unterschrieben werden.

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