Petition der Woche: Eine Bilanz für das gute Leben

Der Verein Gemeinwohl-Ökonomie Deutschland setzt sich für eine ethische Wirtschaft ein. Sein Ziel: Das gute Leben für alle Menschen.

Drei Menschen sind von oben fotografiert, wie sie in einem grünen Feld liegen

Auf einer Wiese im Sommer zu liegen ist auf jeden Fall Teil eines guten Lebens Foto: Picture Alliance

Dass im Kapitalismus Unternehmen vor allem um ihr eigenes Wohlergehen bemüht sind, ist bekannt. Der Blick fürs große Ganze, ein Sinn fürs Gemeinwohl gar, spielt eine eher untergeordnete Rolle. Jutta Hieronymus will das ändern. „Mehr Markt, mehr Wachstum, mehr Wohlstand – das funktioniert nicht“, schreibt sie als Vorstandsmitglied des Vereins Gemeinwohl-Ökonomie Deutschland in ihrer Petition auf openpetition.de.

Die Bewegung setzt sich für ethisches Wirtschaften ein – die Gemeinwohl Ökonomie (GWÖ). Diese hat ein hehres Ziel – das gute Leben für alle. Die Wirtschaft soll stärker auf Werten wie Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung aufbauen.

Die Gemeinwohl-Bilanz

Um das zu erfassen, zieht die GWÖ eine Bilanz. Nach der werden Betriebe nicht nur an ihrer Kapitalrendite, sondern auch an ihrem Beitrag zum Gemeinwohl gemessen. Unternehmen, Gemeinden oder Bildungseinrichtungen erstellen dazu einen Bericht, der im Anschluss extern geprüft wird. Nach Feedback- und Entwicklungsgesprächen kann die Bilanz veröffentlicht werden.

Ob ein Unternehmen sich an den zwanzig Kriterien der GWÖ messen möchte, entscheidet es selbst. Einen politischen oder finanziellen Ansporn gibt es bisher nicht. Für Jutta Hieronymus ist das ein Missstand. In ihrer Petition fordert sie deshalb den Bundestag auf, Unternehmen zu mehr Gemeinwohl Ökonomie zu motivieren. Zum Beispiel soll die Bilanz als offizieller Nachhaltigkeitsbericht anerkannt und steuerliche Anreize und Wirtschaftsförderungungen an das Ergebnis geknüpft werden.

Verbesserungspotenzial erkennen

Der Ökostrom-Anbieter Polarstern hat sich auch ohne diese Anreize zu einer Gemeinwohlbilanz entschieden. Geschäftsführer Florian Henle sagt: „Unser Unternehmen ist nachhaltig eingestellt, doch wir sind nicht perfekt. Durch die Gemeinwohlbilanz können wir feststellen, in welchen Bereichen wir uns noch verbessern können.“

So führte Henle 2014 nach einer Gemeinwohlbilanz Lieferantenbefragungen ein und setzte schon vor Jahren um, worauf der kürzlich beschlossene Entwurf des Lieferkettengesetzes abzielt: Menschenrechte über globale Lieferketten hinweg schützen. Polarstern möchte die Bilanz auch in Zukunft etwa alle zwei Jahre erstellen, die aktuelle Version ist derzeit in der Finalisierung.

Umdenken in der Wirtschaft?

Neben dem Ökostromunternehmen haben mehr als 500 Betriebe eine Bilanz erstellt, aus dem Gesundheitswesen, der Lebensmittel-, Dienstleistungs- und Finanzbranche und dem Bereich Bildung. Ist das der Beginn des großen Umbruchs, einem grundlegenden Umdenken in der Wirtschaft?

Jutta Hieronymus jedenfalls ist sich sicher: „Ohne eine drastische Umpolung unseres Wirtschaftssystems hin zu Werten der Würde, können wir weder soziale Gerechtigkeit erreichen, noch die Klimakrise bewältigen“, so schreibt sie im Petitionstext. Doch auch die Allgemeinheit nimmt sie in die Pflicht:„Jetzt liegt es an jedem von uns die Gemeinwohl-Ökonomie zu etablieren.“ Und falls die Petition erfolgreich ist, würden in Zukunft vielleicht auch Unternehmen zu einer Bilanz gedrängt, die ihren – nicht vorhandenen – Beitrag zum Gemeinwohl lieber nicht veröffentlichen würden.

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