Petition der Woche: Die Gassen den Bewohner:innen!

Balkone sind Mangelware in der Heidelberger Altstadt. Eine Petition fordert nun, das Sitzen auf den Straßen zu legalisieren.

Verschwommene Silhouetten von Menschen laufen auf dem Kopfsteinpflaster in der Heidelberger Altstadt.

In der Heidelberger Altstadt sitzt man gern draußen – nicht nur in der Außengastro Foto: dpa/Uwe Anspach

Seit Jahrzehnten sitzt Kurt Baust vor seinem pittoresken Haus in der Heidelberger Altstadt. Mit Klappstuhl und Tisch am Rand der gepflasterten Pfaffengasse, um den 104-Jährigen herum Blumenkästen. Gemütlich sieht es aus, da nimmt man gern Platz.

Doch damit sollte Ende Juni Schluss sein. Mehrfach forderte der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) Be­woh­ne­r:in­nen der Heidelberger Altstadt auf, die schmalen Gassen vor ihren Häusern zu räumen. Öffentlicher Raum sei das, Rettungswege müssten frei bleiben.

Dass die parkenden Autos viel mehr Platz einnehmen – geschenkt. Diese sind schließlich leise, und man wolle „Biergarten-Chaos“ verhindern, zitiert die Rhein-Neckar-Zeitung die Stadt. Tou­ris­t:in­nen machen zwar auch Lärm, die Außengastro ebenso, aber Gott vergelt’s, hier geht es ums Prinzip!

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

So wurde Kurt Baust zum Symbol. Eine Online­petition für ihn sammelte mehrere tausend Unterschriften, und prompt folgte eine Reaktion der Stadt Heidelberg: Ordnungsbürgermeister Wolfgang Erichson von den Grünen erklärte, der Ordnungsdienst werde in Zukunft nur bei „Gefahr im Verzug“ eingreifen.

Herr Baust darf also wieder draußen sitzen, und als Marlene Hohenadl letztens in der Pfaffengasse vorbeischaute, tat er dies auch fröhlich. Für die gebürtige Heidelbergerin ist die Geschichte hier aber nicht zu Ende. Hohenadl hat eine weitere Petition gestartet und fordert: Das Draußensitzen soll für An­woh­ne­r:in­nen offiziell legal sein.

Bis vor Kurzem gab es dafür keinen Anlass. „In der Altstadt ist es gang und gäbe, dass die Leute mit Tischen und Stühlen in den Gassen laue Sommerabende genießen“, sagt die 30-Jährige. Erst durch das Einschreiten des KOD wurde ihnen bewusst, dass sie eigentlich nur geduldet werden.

Unter dem Motto „Unsere Stadt. Unser Gehsteig“ kamen bis Donnerstag knapp 500 Unterschriften zusammen. Hohenadl wünscht sich, dass „die Stadt, die Straßen, die Lebensräume“ den Bür­ge­r:in­nen gehören. Die Gastronomie hatte in der Pandemie ihre Außenbereiche erweitern dürfen. Das ist „charmant“, sagt Hohenadl, es füge sich in ihre Vorstellung von ihrer Heimatstadt. Doch angewiesen sollte man darauf nicht sein.

Die Stadt selbst möchte sich zur Causa nicht weiter äußern, die Pressestelle verweist in einer Mail nur nochmals darauf, dass der KOD nur bei „Gefahr im Verzug“ eingreifen werde. Also zum Beispiel, wenn ein Rettungsweg versperrt ist.

Ein Entgegenkommen, mit dem sich Hohenadl aber nicht zufriedengeben will. Es ärgert sie, dass die Be­woh­ne­r:in­nen die Bereiche vor ihren Haustüren hegen und pflegen, während eine Nutzung vom guten Willen des Ordnungsdienstes abhängt. Die Alt­städ­te­r:in­nen seien zusammengerückt, erzählt Hohenadl, für einen Moment war großer Kampfgeist zu spüren gewesen. Durch das Einlenken der Stadt sei dieser nun aber abgeflaut.

An Heerscharen von Tou­ris­t:in­nen habe man sich gewöhnt, das sei der Preis für das Leben in einer Stadt wie Heidelberg. Mehr stören Marlene Hohenadl die parkenden Autos, die in der Altstadt den Lebensraum „zupflastern“, Rettungswege viel eher blockieren als Klappstühle. Am Ende bleibt die Frage, ob sich die Be­woh­ne­r:in­nen damit abfinden, nur geduldet zu werden. Oder ob – wie Hohenadl es formuliert – das System vor Ort „ganz basal infrage“ zu stellen sei.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.