Pech für Ypsilanti: Metzger-Nachfolger gegen Links
Dagmar Metzger (SPD) ist gegen eine Zusammenarbeit mit der Linken. Jetzt soll sie ihr Mandat niederlegen. Doch auch ihr Nachfolger wäre Linken-skeptisch.
FRANKFURT taz Es geschah am Frauentag in der Parteizentrale der SPD, Bezirk Hessen-Süd in der Frankfurter City: Von allen anderen Männern und Frauen im Parteirat, dem Landesvorstand und ihrer Landtagsfraktion verlassen, stand Dagmar Metzger im bodenlangen Kleid und mit hochgesteckten Haaren rauchend im gläsernen Foyer vor dem großen Sitzungssaal. Dagmar Metzger - die in diesem Augenblick wohl einsamste Politikerin Deutschlands.
SPD-Bundestagsfraktionschef Peter Struck: "Die Entscheidung Andrea Ypsilantis für eine Tolerierung durch die Linke haben weder Kurt Beck, seine Stellvertreter Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück noch ich begrüßt. Diese Entscheidung war kontraproduktiv zu dem, was wir in Bezug auf die Linken auf der Bundesebene planen." Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner: "Ich kann über dieses Fiasko nur noch den Kopf schütteln." Der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs: "Frau Metzger hat viel für die Glaubwürdigkeit der SPD getan. Es war und ist in der Sache richtig, das zu halten, was man dem Wähler versprochen hat". Der ehemalige Juso-Vorsitzende Björn Böhning: "Die Parteirechte ist nicht in der Lage, über den eigenen Schatten zu springen und unseren gemeinsam beschlossenen Kurs zu verteidigen. Kurt Beck ist als Parteivorsitzender nicht beschädigt. Er ist unumstritten."
Tristesse überall bei den hessischen Sozialdemokraten. Das Buffet mit den obligatorischen Buletten an Mostrich und dem Wickelkuchen zum Dessert ist längst leergeräumt, die wenigen Reste vergammeln auf abgewetzten Resopaltischen. Im Hof stapeln sich die vom Regen der letzten Wochen aufgeweichten Plakate mit dem Konterfei von Partechefin Andrea Ypsilanti. Ihr Lächeln darauf hat sich zur gewellten Grimasse verzogen. Metzger hat jetzt aufgeraucht. Sie zwängt sich durch den Journalistenpulk vor dem abgesperrten Foyer und blickt mit verkniffenem Mund um sich. Alle machen Platz, niemand spricht sie an.
Gut drei Stunden lang war die 49 Jahre alte Dissidentin aus Darmstadt an diesem Sonnabend von knapp 100 Funktions- und Mandatsträgern der hessischen SPD massiv unter Druck gesetzt worden. Sie habe ihren Widerstand gegen die Wahl von Ypsianti zur Ministerpräsidentin wegen der dafür einkalkulierten Stimmen der sechs Abgeordneten der Linken umgehend aufzugeben oder ihren Sitz im Hessischen Landtag zu räumen, hieß es unisono. Metzger aber widerrief nicht. Am späten Nachmittag erklärte sie dann jedoch, dass sich nach dem Landesparteitag am 29.März eine neue "Entscheidungssituation" für sie ergeben könnte. Sollte es dort zu einer großen Mehrheit für den von ihr für falsch gehaltenen Weg kommen, werde sie vielleicht doch noch ihr Mandat niederlegen. Nach der Fraktionssitzung am Abend sprach sie dann sogar davon, dass eine solche Entscheidung schon am Dienstag fallen könnte - nach Rücksprache mit ihrem Kreisvorstand und ihrer Familie.
Die geheim tagende Fraktion hatte den Druck auf die Abweichlerin nach einem einstimmigen Vertrauensbeweis für Ypsilanti - für den auch Metzger die Hand hob - noch einmal erhöht. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Schattensozialministerin im Kompetenzteam von Ypislanti, Petra Fuhrmann, warf Metzger schon vor Sitzungsbeginn vor, Partei- und Fraktion "in Geiselhaft" genommen zu haben. Dass sich Metzger jetzt als "einzige moralische Institution" aufspiele, sei "eine Frechheit". Zuvor schon hatte Schattenfrauenministerin Judith Pauly-Bender wütend angemerkt, dass es schließlich um die Eroberung der Regierungsmacht in Hessen gehe, und nicht um die "Gewissensnöte" einer einzelnen Abgeordneten. Das sorgte dann selbst bei Ypsilanti-treuen Parteigenossen für Irritationen.
Der Generalsekretär der hessischen SPD, Norbert Schmitt bezichtige Metzger im Gespräch mit der taz der Lüge. "Keinesfalls" habe die im Urlaub in der Schweiz weilende "Dame" vor Mittwoch letzter Woche bekannt gegeben, dass sie Ypsilanti nicht mitwählen wolle. Einige Parteifreunde habe Metzger lediglich wissen lassen, dass sie den eingeschlagenen Weg für falsch halte.
Das jedoch hätten auch andere SPD-Politiker wie etwa Fraktionsvize und Netzwerker Jürgen Walter gesagt, dann seien sie aber dennoch loyal zu Ypsilanti gestanden. "Niemand konnte vor dem Beschluss zur Bildung einer Minderheitskoalition mit den Grünen und für die Öffnung hin zu den Linken wissen, dass da eine Abgeordnete voll aus dem Ruder zu laufen gedenkt", sagte Schmitt.
Auch auf einer Sitzung des "Aufbruchs", wie sich die Netzwerker in Hessen nennen, kurz vor der Hamburgwahl habe Metzer nicht einmal angedeutet, sich enthalten zu wollen, falls Ypsilanti auf eine Unterstützung ihrer Wahl durch die Linken setze. Hätte sich Metzger entsprechend geäußert, hätte es diesen Beschluss zu diesem Zeitpunkt "doch nie gegeben", so Schmitt.
Und wie jetzt weiter? Die Sache sei jetzt erst einmal "auf Eis gelegt", beschlossen die Genossen am Samstag. Aufgegeben ist sie damit aber nicht. Andrea Ypsilanti habe den Auftrag, die künftige Regierungsbildung unter Führung der SPD herbeizuführen, heißt in dem einstimmig gefassten Beschluss aller Führungsgremien.
Für den 5. April schloss Ypsilanti eine Kandidatur zur Ministerpräsidentin allerdings aus. Die Regierung Roland Koch bleibt also wohl vorerst geschäftsführend in Amt und Würden. Man könne es auch im Mai oder Juni noch einmal probieren, meinte Fraktionsvize Petra Fuhrmann, wenn dann eine Mehrheit für die Wahl von Ypsilanti "gesichert" sei. Jetzt werde man erst einmal mit den Grünen sprechen und versuchen, zu gemeinsamen Positionen in Sachfragen zu kommen. Diese sollen dann als Anträge in den Landtag eingebracht werden, so etwa zur Reform der Bildungspolitik oder zur Abschaffung der Studiengebühren. "Aufbruch in die soziale Moderne" heißt das bei der hessischen SPD. Und deshalb, so Generalsekretär Schmitt zur taz, werde es in Hessen "garantiert keine große Koalition" geben; niemand in der Partei habe sich dafür ausgesprochen.
Sicher ist aber seit gestern auch, dass es nicht einfach ausreicht, Metzger zur Aufgabe ihres Mandats zu bewegen. Denn auch ihr Wahlkreis-Nachfolger, der Darmstädter Mediziner Aron Krist, hat Zweifel, ob eine Tolerierung ducrh die Linkspartei sinnvoll ist. Wie Metzger hätte er "Bauchschmerzen".
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