Pastor vom Dienst suspendiert: Unerträglicher Andachtstext
Pastor Christian D. aus Alfeld wollte in einem „Wort zum Sonntag“ den Holocaust relativieren. Die Landeskirche distanziert sich „in aller Form“.
Schon im vergangenen Jahr machte eine antifaschistische Initiative öffentlich, dass die beiden Kinder des 56-Jährigen in der rechtsextremen Szene aktiv sind. Nun steht auch der Vater in der Kritik.
Die Lokalzeitungen hielten im Falle des „Wort zum Sonntag“ Rücksprache mit den höheren Stellen des evangelisch-lutherischen Landeskirchenamtes. Der Andachtstext sei „unerträglich“, sagt die Alfelder Superintendentin Katharina Henking.
Die Landeskirche zieht nun Konsequenzen: Eine Woche lang habe man überlegt, ob D. die Gemeinde weiter leiten solle, sagt der Pressesprecher des Landeskirchenamtes, Benjamin Simon-Hinkelmann der taz. Nun steht fest, der Pastor muss nach 18 Jahren die Gemeinde verlassen.
Benjamin Simon-Hinkelmann, Landeskirchenamt Hannover
Am 27. September wird er offiziell verabschiedet. Bis dahin werde der Pastor nicht mehr in der Kirchengemeinde erscheinen, sagt Simon-Hinkelmann. Die Landeskirche Hannover distanziere sich „in aller Form“ von dem Text: „Eine Formulierung, die auch nur den Anschein erweckt, dass sie den Holocaust relativiert, ist für uns in keiner Weise tragbar.“
Gegen D. wurde eine dienstrechtliche Prüfung eingeleitet. Sollte einer Verletzung der Amtspflicht vorliegen, könnte ein Disziplinarverfahren folgen. Bis auf Weiteres darf der Pastor keine Gemeindepfarrstelle übernehmen.
In der Verfassung der Landeskirche steht, dass die Kirche um die Schuld gegenüber den Jüd*innen wisse und eine besondere Verantwortung trage, jeder Form des Antisemitismus zu widersprechen.
Die Thematik sei für die evangelisch-lutherische Kirche „hochschmerzhaft“, da die Kirche selbst im Nationalsozialismus als „verfasste Kirche massiv Schuld auf sich geladen“ habe, sagt Superintendentin Henking. Gerade in der heutigen Zeit nähmen Übergriffe auf Jüd*innen wieder massiv zu. „Auf diesem gesellschaftlichen und historischen Boden ist dieser Text nicht der richtige Ort für einen Diskurs, unerträglich und überschreitet jede rote Linie.“
Niemand spreche beim „Wort zum Sonntag“ als Privatperson, sondern als Pastor, der das öffentliche Amt der Verkündigung innehabe und in besonderer Verantwortung für die Gemeinde stehe.
In Alfeld ist die Wahl des Pastors auch politisch: Seit dem 19. Jahrhundert besteht ein Patronatsvertrag mit der Stadt. In Alfeld wählt nicht nur der Kirchenvorstand den Pastor, sondern auch die evangelisch-lutherischen Stadtratsmitglieder.
So meldet sich auch der Alfelder Bürgermeister Bernd Beushansen (SPD) in der Sache zu Wort. Er spricht von einer „Kontinuität des Handels“. In einen offenen Brief habe D. 2015 die Flüchtlingspolitik der Stadt kritisiert. Er habe den Pastor an die Barmherzigkeit in der Bergpredigt erinnern müssen.
Auf dem antifaschistischen Blog „Ausgetobt“ wird auch auf das Nein des Pastors zur „öffentlichen Segnung gleichgeschlechtlicher Paare“ vor sechs Jahren hingewiesen.
Hier haben Aktivist*innen auch Fotos hinterlegt, die zeigen, dass der Sohn und die Tochter des Pastors Verbindungen in die rechte Szene haben. Der Sohn ist 2015 in die Junge Alternative (JA) eingetreten. Gerade die regionale Gruppe der Jugendorganisation war eng mit der rechtsextremen Szene verwoben. Der JA-Bundesverband löste 2018 den Landesverband Niedersachsen auf, weil das Landesamt für Verfassungsschutz ihn zu beobachten begonnen hatte.
Posieren in Wehrmachtsuniform
D.s Sohn mag Selfies: auf einen posiert er mit einem ewig gestrigen Wehrmachtssoldaten, auf einem anderen mit dem thüringischen AfD-Landtagsfraktionsvorsitzenden Bernd Höcke. Seine jüngere Schwester bewegt sich im Umfeld von Thorsten Heise, NPD-Bundesvize, Rechtsrock-Produzent und -Konzertveranstalter. Auf der Instagram-Seite „die.blitzmaedchen“ posiert sie in Wehrmachtsuniform.
Die Positionen des Vaters legen nahe, von wo der Impuls für die Kinder gekommen sein könnte. Doch hatte das familiäre Umfeld des Pastors Einfluss auf die Entscheidung der Landekirche? „Nein“, antwortet Simon-Hinkelmann der taz. Die „familiären Tätigkeiten“ von Angestellten würden erst relevant, wenn dienstrechtliche Belange betroffen seien.
D. selbst erklärt seine Weggang laut dem Evangelischen Pressedienst in einer Stellungnahme als eigenen Entschluss in Verantwortung für die Gemeinde vor Ort.
Richtigstellung: Wir haben in einer früheren Version versehentlich dem Wehrmachtssoldaten den Namen einer anderen Person, die auf dem Selfie mitposierte, zugeordnet. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen. Die Redaktion
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