Parteitag der US-Demokraten: „Coach Walz“ rockt die Bühne

Der Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz hält beim Parteitag eine mitreißende Rede. Er gibt sich bodenständig und zeigt politischen Instinkt.

„Coach“ Tim Walz bei seinem Auftritt in Chicago Foto: Callaghan O'hare/Reuters

CHICAGO taz | Auf offener Straße würde man Tim Walz vermutlich kaum wahrnehmen. Mit Flanellhemd, Halbglatze und Brille wirkt der Gouverneur des US-Bundesstaates Minnesota im normalen Leben fast unscheinbar. Und trotzdem soll ausgerechnet er die Wähler erreichen, mit denen sich Vizepräsidentin Kamala Harris aktuell noch schwertut. Der 60-Jährige soll wichtige Wähler im mittleren Westen der USA ansprechen, vor allem Wähler in den so wichtigen Swing States Michigan, Pennsylvania und Wisconsin.

Der dritte Abend des diesjährigen Nominierungsparteitags der Demokraten stand deshalb ganz im Zeichen von Walz. Bis zu seiner Nominierung als Vizepräsidentschaftskandidat war Walz auf Bundesebene fast ein Unbekannter. Eine Umfrage im vergangenen Monat zeigte, dass nur 13 Prozent der Amerikaner überhaupt eine Meinung zu Walz haben. Der Rest wusste zu wenig über ihn, um sich eine Meinung zu bilden.

Während der letzten Wochen dürfte sich sicher geändert haben. Trotzdem ging es für Walz am Mittwochabend in Chicago vor allem darum, sich der Nation vorzustellen. Immerhin könnte er bald das zweithöchste Amt im Land bekleiden.

Ein kurzes Video zeigte den Werdegang des zweifachen Familienvaters. Vertont wurde das von seiner Frau Gwen Walz. Die eigentliche Vorstellung von Walz übernahm ein ehemaliger Schüler. Denn vor Walz, dem Politiker, gab es Walz, den Lehrer.

Walz als Mann von nebenan

„Er hat an uns geglaubt und uns geholfen, aneinander zu glauben“, sagte Walz' Ex-Schüler und Nachbar Benjamin Ingman. Zu ihm gesellten sich mehr als ein dutzend weiterer ehemaliger Studenten, die mit Walz als Trainer auch die High-School-Football-Meisterschaft in Minnesota gewinnen konnten.

Als Walz unter tobendem Applaus die Bühne betrat, zeigte er, dass er durchaus Politik kann. Er sprach über seine Kindheit in einer Kleinstadt in Nebraska, seinen Militärdienst und die Bedeutung, die die Arbeit als Lehrer und Trainer für ihn hatte. Die Delegierten in der Arena hielten derweil Plakate mit der Aufschrift „Coach Walz“, also Trainer Walz, in die Höhe.

Seine politische Karriere begann erst im Jahr 2005. Nur Jahr später gelang es ihm einen Wahlbezirk im Süden Minnesotas zu gewinnen, in dem die Republikaner die Oberhand haben. „Unterschätzen Sie niemals einen Lehrer an einer öffentlichen Schule“, sagte Walz über seinen unerwarteten Wahlsieg.

Nach zwölf Jahren im US-Kongress kehrte er nach Minnesota zurück und gewann die Wahl zum Gouverneur. In seiner etwas mehr als 16 Minuten lange Rede versuchte er, seine liberale Politik mit seiner Vergangenheit als Kind vom Land zu vereinbaren.

„In Minnesota respektieren wir unsere Nachbarn und die persönlichen Entscheidungen, die sie treffen. Und selbst wenn wir nicht die gleichen Entscheidungen treffen würden, haben wir eine goldene Regel: Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten“, erklärte Walz.

Verteidigung persönlicher Freiheitsrechte

Als es Demokraten vor zwei Jahren gelang, die Mehrheit im Parlament von Minnesota zu erringen, unterzeichnete Walz eine Reihe von Gesetzen, um verschiedene Freiheitsrechte zu sichern. Dazu zählte das Recht auf Abtreibung oder der Zugang zu geschlechtsangleichender Versorgung.

Walz erzählte außerdem, dass er ein passionierter Jäger sei, dies ihn aber nicht davon abhielt neue Waffenschutzgesetze zu erlassen. „Ich glaube an den 2. Verfassungszusatz (der den Waffenbesitz erlaubt), aber ich glaube, dass unsere erste Verantwortung darin besteht, die Sicherheit unserer Kinder zu gewährleisten“, sagte er mit Bezug auf Amokläufe an Schulen.

Walz versuchte darzulegen, wie ein Amerika unter Präsidentin Kamala Harris aussehen könnten. Für die im United Center anwesenden Demokraten war es genau das, was sie hören wollten. Ob sich konservative Amerikaner in Mittleren Westen allerdings davon angesprochen fühlten, ist fraglich.

Der Social-Media-Star des Abends war ohne Frage Gus Walz: Der 17-jährige Sohn des Vizepräsidentschaftskandidaten brach in Tränen aus, als er seinen Vater auf der Bühne sah. Von Emotionen und Stolz überkommen murmelte er immer wieder „Das ist mein Dad“.

Licht versus Dunkelheit

Im Vorfeld hatten bereits Ex-Präsident Bill Clinton, TV-Persönlichkeit Oprah Winfrey und Verkehrsminister Pete Buttigieg versucht den Kontrast zwischen Demokraten und Republikanern bei dieser Wahl zu verdeutlichen.

„Dunkelheit ist das, was sie (Republikaner) verkaufen. Die Sache ist die, ich glaube einfach nicht, dass Amerika heute auf dem Markt für Dunkelheit ist“, sagte Buttigieg.

Am Donnerstag wird Harris mit ihrem Auftritt den diesjährigen Parteitag offiziell beenden. Es wird erwartet, dass sie Einblicke in ihre politische Agenda gibt. Auch soll sie laut ihres Wahlkampfteams die täglichen pro-palästinischen Demonstrationen und den Krieg in Gaza direkt ansprechen.

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