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Parteinachwuchs zur AmpelDie Stimmungskiller

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Die Freude von Jusos und Grüner Jugend über die Ampelkoalition ist begrenzt. Ihren Frust laden sie beim Koalitionspartner FDP ab.

Vielen der jungen KlimaaktivistInnen ist die Ampelkoalition noch lange nicht grün genug Foto: Christian Mang/reuters

N un mag die politische Schlechtgelauntheit der Jusos und der Grünen Jugend, die auf ihren Versammlungen zum Regierungsvertrag der künftigen Ampelkoalition spürbar wurde, sehr viel mit Corona zu tun haben. Es ist ja auch verstörend: Wesentliche Teile der bundesdeutschen Einwohnerschaft berufen sich auf ihre persönlichen Freiheiten, um sich einer Impfung zu verweigern und damit tatsächlich alle in Gefahr zu bringen.

Die Jusos und die Grüne Jugend jedenfalls verströmten mit ihren Beratungen ein Gefühl, als stünde mit der SPD/Grünen/FDP-Koalition ein Bündnis auf den Fußmatten der Ministerien und des Kanzleramts, das kaum der sich erfreuenden Rede wert sein kann. „Von Ampel-Euphorie keine Spur“, so fasste die Tagesschau ihren Bericht von den Nachwuchsökos zusammen. Zu den zeitgleich tagenden Jusos heißt es in der Überschrift nur lapidar „Die Union kritisieren, nicht die Ampel“.

Es ist deprimierend, aber wahr: Die Nachwuchseliten von zwei der drei künftigen Regierungsparteien tun so, als sei alles wie immer – ein Land unter der Glocke der Union. Dass es die FDP ist, an der sich beide Nachwuchsorganisation, wie bei einem schlechten Voodoozauber, abarbeiteten, ist dafür nur ein platzhalterischer Umstand: Jusos und Grüne Jugend vermögen sich nicht grundsätzlich, dass dieser 16 lange Jahre dauernde gewisse Spuk der von der Union dominierten Regierungen ein Ende hat.

Die FDP ist die Puppe, in die man spitze Nadeln steckte – die Bösen, die Lindner-Jünger*innen, die Antisozialen. Bis in heutige Tage gelten in linken und in den sozialen Netzwerken beflügelten Bubbles die Liberalen als „Rechte“. Ohne Sinn und Verstand werden Buzzwords ins Orbit gemeinsam verblödender Universen der Selbstbestätigung gesandt.

Dass diese Atmosphäre auf den zentralen Versammlungen des Regierungsnachwuchses weder empört noch achtsam zurückgewiesen wurde, muss zu denken geben. Woran das liegt, weshalb also die künftigen Mover und Maker kaum ein gutes Haar an den Erwachsenen in ihren Parteien lassen, hat mit einer sehr deutschen Tradition zu tun: mit dem, was hier „Konsequentismus“ genannt sei, quasi die Entsprechung in der (linken) Szene zum Impfverweigerermilieu in puncto Corona.

Die FDP muss den Kopf hinhalten

Pocht man hier auf die persönliche Freiheit zulasten aller anderen, kommentiert man im Politischen mit: „Viel zu wenig“. Eigentlich ist die Spezialistin in dieser Disziplin in jüngerer Vergangenheit stets die Linkspartei gewesen – nichts war ihr je hinreichend. Immer folgte ein Appell, „endlich“ und „konsequent“ durchzusetzen, was demoskopische Umfragen angeblich belegten. Die gültige Währung war und ist indes das Wahlergebnis, nicht irgendeine Umfrage:

Und dem Wahlergebnis nach gibt es eine Koalition, in der SPD und Grüne keine Mehrheit haben, von ihr gar weit entfernt sind. Insofern war das Backenaufgeblase der Jusos und der Grünen Jugend mehr als eine Spur von den politischen Fakten entfernt. Sei’s drum: Wählende erwarten von der Politik konkrete Besserungen ihrer Lebensbedingungen. Und für eine Mehrheit der proletarischen Schichten ist zwar kein Manna vom Himmel zu erwarten, aber immerhin 12 Euro Mindestlohn.

Mehr als zehn Millionen Beschäftigte werden von diesem Gesetz profitieren. Das wissen sie und freuen sich darauf. Rent­ne­r*in­nen haben das Signal bekommen, dass ihre Altersgelder nicht gekürzt werden, und wer möchte – das übrigens ist der FDP zu verdanken –, kann länger arbeiten. Wer das nicht kann, kommt zu besseren Bedingungen in die Gunst einer Erwerbsminderungsrente.

Der Paragraf 219a-StGB wird abgeschafft, eine grauslige Bestimmung, die für die Union identitär war. Das Elternrecht lesbischer Paare wird diskriminierungsfrei. Und, last but not least: Hunderttausende von neuen deutschen Bürger*innen, die in unserem Land als Flüchtlinge im rechtlich prekärsten Zustand und dauernder Angst vor Abschiebung leben, bekommen einfache Wege zum deutschen Pass aufgezeigt.

Auch das war mit der Union nicht zu haben – ebenso wenig einen halbwegs konsistenten Plan, wie eine Klimakrisenpolitik mit der fundamental wichtigen Industriestruktur der Bundesrepublik vereinbar sein kann. Dass nicht alles das Paradies auf Erden verheißt, ist doch selbstverständlich. Alles wird ein bisschen und ein bisschen mehr besser werden.

Blindheit wie bei den Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ke­r*in­nen

Wer bei den Linken und Linksökos ermessen möchte, was sie da zuwege bringen könnten, würden sie es nur beherzt anpacken und nicht nur stimmungskillend benörgeln, muss sich nur die Statements der Union, der AfD und Linkspartei anhören. Letztere scheint dem Dasein als Unwichtige weiter entgegenzudämmern, die AfD ist nur noch mit sich selbst beschäftigt – aber die eigentlich Entsetzten sind die Leute der Union.

Man lese die FAZ oder andere Medien aus den altbürgerlich-konservativen Milieus: Hier dominiert so viel Hoffnungslosigkeit, wie es sie in bundesdeutschen Zeiten noch nie gab. Das sollte doch die Linksmittigen stimulieren. 1998, mit Kanzler Schröder, haben es die linken Schlau­meie­r*in­nen schon einmal versemmelt: Von der ersten Sekunde kaum mehr als Zwist und Hader – vom ersten Tag an war es der Union möglich, die Reformregierung zu dämonisieren, die rassistische Kampagne gegen den Doppelpass (Roland Koch etc.) inklusive. Falls sich jemand noch erinnern möchte!

Olaf Scholz sagte unmittelbar nach dem Wahltag, ihm komme es darauf an, dass die Regierungsparteien in vier Jahren auch wiedergewählt werden; und Robert Habeck, der intellektuelle Avantgardist dieses Jahres, ergänzte in diesem Kontext, es komme auf den Prozess im Miteinander an, auf das Zuhören und Verstehen. Das darf als politisches Denken genommen werden. Jusos und Grüne Jugend übten sich in – Antipolitik. Also kein Madigmachen bitte. Der Ton macht die Musik – und den Erfolg.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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13 Kommentare

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  • Ja, die ist man 64 Jahre alt, hat die 16 Jahre unter Merkel kaum ertragen und nun wagen die Jungen festzustellen, dass diese Ampel es nicht bringen wird. Wobei halt, alle die Punkte die Jan da so notiert hat, die wurden, soweit ich das mitbekommen habe, auch vom Parteinachwuchs für gut befunden. Aber mit einem Ersatzscheuer im Verkerhsministerium und weiteren klimapolitischen Entscheidungen, die wenig Hoffnung für ein schönes Leben in der Zukunft erwarten lassen, da muss man nicht wirklich freudig erregt sein ob der ach so tollen Ampel. Ich bin nur wenige Jahre jünger als der Jan, aber meine Erwartungen an die Ampel tendieren im klimapolitischen Bereich auch gegen null. Das Schlimmste: inzwischen erwarte ich mir von den bundesdeutschen Gerichten mehr als von den Grünen geschweige denn von der Ampel als Kollektiv. Wer hier hätte das vor 20 Jahren geglaubt?

  • Eigentlich könnten Grüne und SPD - bzw. erst Recht deren Jugend - sogar froh sein, dass es nicht zu einer Mehrheit gereicht hat, die ohne die FDP funktioniert. So hat man die Ausrede, warum manche Dinge, die sich theoretisch toll anhören, praktisch aber (noch) nicht funktionieren, nicht gemacht werden.

    Ich sehe da eigentlich eine gute Konzeption, die Grünen passen auf, dass man Wachstum nicht auf Kosten der Umwelt erzielt, die FDP, dass man die Wirtschaft nicht ruiniert, die für den Erhalt des Sozialstaats nun mal erforderlich ist und die SPD, dass das alles nicht auf Kosten der Armen geht.

  • Schnarch, alles schonmal dagewesen. Anno Helmut Schmidt gaben sich die Jusos maulradikal, um dann, erwachsen geworden, dieselbe Politik zu machen. Der Autor hat insofern recht, dass die Neoliberale FDP zum alleinigen Watschenmann gemacht wird für eine Politik, die aus den eigenen Reihen kommt. Man schaue sich mal Bdnwrtmberg unter König Kretsch an. Alles fürs Auto.... Soziales? Fehlanzeige! Diese unsoziale Beschäftigungsform wird jetzt noch ausgedehnt. Das hat gestern die Taz Autorin Ulrike Hermann im ARD Presseclub richtig kritiesiert: Weiterhin keine soziale Absicherung der Minijobber, kein Kurzarbietergeld.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Im Wahlkampf ging es richtigerweise um unsere Zukunft und Wege aus der menschengemachten Erderwärmung.



    Ein schneller Ausstieg aus fossilen Energieträgern, eine diesbezügliche Transformation der Gesellschaft und der Wirtschaft.



    Hier ist der Koaltionsvertrag der Ampel eine einzige Enttäuschung, teilweise verschlechtert sich die Situation gegenüber dem Status Quo sogar.



    Das wird auch nicht durch paternalistische Verweise auf mögliche Verbesserungen anderswo besser.

  • Immerhin finde ich "Ampel" für dieses Desaster eine hervorragende Metapher. Wenn die Ampel gelb (blinkt), ist sie in der Regel kaputt.

  • Wer sorgt denn für Stimmung?



    Für Aufbruchsstimmung?



    Olaf Scholz oder Jan Feddersen?



    In "#Lützerath leibt" ist immer wieder selbstorganisierte Stimmung.



    Dorfbewohner und Aktivist_innen sind verbunden;



    FFF und Ende Gelände verströmt, sodass die Politische Polizei jedes Mädchen einzeln protokollieren muss zu welchen Trefffen sie hingeht. Denn Ende Gelände sei extremistisch.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Eure Ampel muss grün werden…“ Das sind mir ja lustige Pappkamerad:innen. Eine Kreuzung, an der alle Ampeln auf grün stehen, ist doch eher der feuchte Traum der Neoliberalen.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @95820 (Profil gelöscht):

      Nachdem ich mich über das Bild amüsiert habe, nun mal weiter im Text. Bis zum Ende.



      „Robert Habeck, der intellektuelle Avantgardist dieses Jahres,“ Der Glühwein war eh noch zu heiß, darum ist es nicht schlimm, dass ich rein geprustet habe.



      Zur Sache: Selbstverständlich ist es ein Glück, dass wir die Stillstands- und Korruptions-Union losgeworden sind, aber darum dürfen wir doch nicht à la Habeck jede Unanständigkeit der Neoliberalen in Kauf nehmen.

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Tja - de lübsche Jung Harbie in den Augen von Gummibärchen JAF JAF -



        Oder - Stefan Reinecke zu Steini & Wölfie - der Interlektuelle inne taz - scheint‘s unstoppbar endgültig auf dem Weg zum Bayernkurier Immergriiens •

        Laßmer mal el classico der Binnendifferenz Pierre Bourdieu über Bande* höre:

        “ Sollen Intellektuelle Distanz halten? Oder Partei nehmen?

        Sich nur einzumischen, ist auch zu wenig. Es sind schon die Dichter und Denker, die Künstler und Kulturschaffenden, die zu einem Intellektuellen werden können - dann nämlich, wenn sie ihr Tätigkeitsfeld verlassen und mit dem Renommee, das sie in diesem Feld erworben haben, in einer politischen und moralischen Frage mahnend, protestierend, empört oder fordernd ihre Stimme erheben.

        Was aber bedeutet dies? Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat aus guten Gründen zwei Voraussetzungen genannt, die ein Intellektueller erfüllen muss, um Intellektueller zu sein: Er muss einem relativ autonomen, das heißt von der Ökonomie und Politik unabhängigen Feld des Wissens oder der Kultur angehören und dessen Gesetze akzeptieren; und er muss in eine politische Situation jene Kompetenz einbringen, die er in diesem Feld erworben hat.“

        kurz - Wer wollte widersprechen - oder Glühweinprusten stoppen? Nö - nich wa.



        Normal.

        unterm—— servíce —



        * Intellektuelle in der Politik



        Moralisten, schweigt!



        Weil sie selbst die Maßstäbe verloren hat, verlangt die Gesellschaft nach moralischer Deutung. In die Lücke stoßen gerne selbsterklärte Intellektuelle, die von der Sache kaum etwas verstehen, aber schnelle Urteile liefern. Wahre Denker widerstehen den Verführungen der Praxis.“



        Paul Liessmann



        www.spiegel.de/pol...eigt-a-790267.html



        &



        de.wikipedia.org/wiki/Intellektueller



        “ Intellektueller



        Mensch, der wissenschaftlich, künstlerisch, philosophisch, religiös, literarisch oder journalistisch tätig ist, dort ausgewiesene Kompetenzen erworben haben.“

        Sojet halt - wa

        • @Lowandorder:

          Volkers Mund 👄

          “Der Narr schüttet seine Weisheit auf einmal aus.



          Der Weise hält an sich.“



          &



          Der indische Philosoph und Dichter Tagore hat einmal gesagt: „Narren hasten, Kluge warten, Weise gehen in den Garten.“



          (Bin mit dem Herrn - “Ich träumte - das Leben sei Freude. Ich erwachte & sah -



          Das Leben ist Pflicht.“)*



          Nicht immer aus einem Dorf. Nunja.



          Aber ersteres ist doch schön gesagt &



          So erfreulich weit weg - vom journaille Worthülsensalat - wa!;))

          unterm——- *



          Hatte mein erster Schwiegervater - der unermüdliche Landarzt von Gnaden im Windfang hängen. Chapeau.

  • Zur Wahrheit gehört, dass die FDP eine gerechte Finanzierung der Klimapolitik blockiert, und damit jede Veränderung, die etwas kostet. Und zur Wahrheit gehört, dass ein korrupter CSU-Verkehrsminister von einem dubiosen FDPler ersetzt wird, der als Diesel-Fan schon mal deren steuerliche Entlastung ankündigt (anstatt das Dieselprivileg endlich abzuschaffen) und quasi das Signal gibt an alle automobilen Lobbyverbände: Bestecht mich möglichst großzügig! Und dann tanzt das undankbare Jungvolk nicht mal devot für die hingeworfenen Knochen? Und sorgt sich weiter um seine Zukunft? Sehr ungehörig, meint Opa Jan. Absolute Frechheit auch von der Jugend, der FDP eine gewisse Rechtslastigkeit zu unterstellen, nur weil diese ab und an mit der AfD paktiert oder sich von ihr zum Ministerpräsidenten wählen lässt. Der Österreicher würde sagen: Geh scheißn!

  • Also in einem bin ich mit Ihnen eins: gut, dass die Union mal weg ist. Möge sie so lange von der Macht wegbleiben, wie sie dran war.

    Aber der Rest?

    "...die Lindner-Jünger*innen, die Antisozialen."

    So haben sie sich doch bisher geriert, oder?

    Also ich bin ein alter Sack, aber ich denke, die Jungen Leute haben recht, die FDP misstrauisch zu beäugen. Wahlergebnis hin, Koalitionsfrieden her.

    Die FDP hat eine Chance, sich zu bewähren. Aber das mit-uns-keine-Steuererhöhung und mit-uns-keine-Geschwindigkeitsbegrenzung (echt jetzt?) lässt nichts gutes ahnen...

  • Sach mal so:

    Schon der 1. Absatz reicht - fast.



    Aber Däh! - Gönnerhaft a.E. zu den Erwachsenen => JAF JAF



    “ Das darf als politisches Denken genommen werden.“

    kurz - Einem ex-K-Grüppler Gummibärchen *aus Hummel Hummel!



    Sojet - Altersgemäßes - Altväterliches Bramarbasieren - wa!



    Sorry & mit Verlaub: Braucht kein 🐽 •



    Ins Stammbuch - servíce - Gern&Dannichfür!