Parteikongress in Nordkorea: Widersprüchliche Parteilinie
Auf dem Parteikongress in Nordkorea beschließen die Delegierten, das Atomwaffenarsenal auszubauen, aber es nicht zu einem Erstschlag zu nutzen.
Noch zu Beginn des großen Parteikongresses pries Machthaber Kim Jong-Un das Atomprogramm seines Landes. Mit dem vierten Atomtest des Landes im Januar und dem Start einer Langstreckenrakete habe Nordkorea der ganzen Welt „unseren unbeugsamen Geist und unsere unbegrenzte Kraft“ demonstriert, tönte er am Freitag lautstark. Er und sein Land würden sich von niemanden einschüchtern lassen. Schon in der Vergangenheit hatte er angekündigt, dass er atomare Erstschläge nicht ausschließe.
Doch bereits am Sonntag rudert der Diktator zurück. Nordkorea werde seine Atomwaffen nur dann einsetzen, wenn seine Souveränität von anderen atomar bewaffneten Staaten bedroht werde, soll er dem nordkoreanischen Staatsfernsehen zufolge gesagt haben. Er bezeichnete sein Land als einen „verantwortungsvollen Atomwaffenstaat“. Zudem kündigte er an, dass Nordkorea „seine Verpflichtung für die Nichtverbreitung von Atomwaffen erfüllen“ und sich für eine weltweite Abschaffung von Atomwaffen einsetzen werde.
Die 3.200 Delegierten beim Kongress bestätigten Kims widersprüchliche Linie anschließend. Das berichteten nordkoreanische Staatsmedien am Montag. Die Partei beschloss, die Atomstreitmacht Nordkorea solle „in Qualität und Quantität“ gestärkt werden. Doch Atomwaffen würden nur dann eingesetzt, wenn die Souveränität des Landes durch andere atomar bewaffnete Staaten bedroht werde, hieß es.
Parteitag in Nordkorea
Versöhnliche Töne richtete Kim auch an Südkorea. Er wolle sich für einen Dialog einsetzen. Er sehe die Notwendigkeit, „die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea grundlegend zu verbessern“. Auch mit anderen „feindlich“ angesehenen Ländern wolle er das Verhältnis verbessern, versicherte der Diktator.
Das sind Worte, auf die die Weltgemeinschaft seit Monaten wartet – denen zumindest aber die Südkoreaner keinen Glauben schenken. „Der Vorschlag Nordkoreas ist bloß Teil seiner Propaganda, die jeder Ernsthaftigkeit entbehrt“, erklärte das Vereinigungsministerium in Seoul umgehend. Das Regime in Pjöngjang spreche von einem innerkoreanischen Dialog. Zugleich baue es sein Atomwaffenarsenal aber immer weiter aus.
Auch China beteiligt sich an Sanktionen
Tatsächlich ist auf US-Satellitenaufnahmen zu sehen, dass sich Nordkorea seit Tagen auf einen weiteren unterirdischen Atomtest vorbereitet. Es seien Fahrzeuge auf dem Atomtestgelände in der nordostkoreanischen Provinz Hamgyong beobachtet worden, die wahrscheinlich als „Kommandozentrale“ dienen, heißt es auf der Webseite des US-Korea-Instituts. Auch das südkoreanische Verteidigungsministerium stellt sich seit Tagen darauf ein, dass noch während des Parteikongresses das Regime in Pjöngjang eine weitere Atombombe unterirdisch zünden könnte.
Nordkorea hat entgegen Beschlüssen der Vereinten Nationen seit 2006 bereits vier unterirdische Atomwaffentests ausgeführt und eine Reihe von ballistischen Langstreckenraketen in die Luft geschossen, von denen es mindestens eine auch ins All geschafft hat. Nach dem angeblichen Test einer Wasserstoffbombe Anfang des Jahres – dessen Durchführung international von Experten jedoch bezweifelt wird – verhängte der UN-Sicherheitsrat die bislang schärfsten Sanktionen, die je gegen ein Land verhängt wurden.
Selbst Nordkoreas zuletzt einziger Verbündeter China beteiligt sich. Das Verhältnis zwischen Peking und Pjöngjang ist zwar bislang nicht offiziell zu Bruch gegangen. Doch hinter den Kulissen ist zu vernehmen, dass auch die chinesische Führung nur noch wenig Einfluss auf das Regime in Pjöngjang ausübt.
Für den parteikongress hat die nordkoreanische Führung ausnahmsweise ausländische Journalisten ins Land gelassen. 130 Journalisten aus dem Ausland flogen ach Pjöngjang. Doch der Zugang zum Saal, in dem sich die Delegierten treffen, blieb ihnen verwehrt. Stattdessen mussten sie sich unter strenger Aufsicht mit Standrundfahrten begnügen. Ein BBC-Reporter, dessen Berichte der nordkoreanischen Führung missfielen, wurde bereits Freitag abgeführt. Er soll nun ausgewiesen werden.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung