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Partei-Querelen in HamburgSchaffen wir zwei, drei, viele BSW

An den Partei-Oberen vorbei gründen Parteimitglieder den Hamburger Landesverband vom Bündnis Sahra Wagenknecht. Nun droht Kuddelmuddel.

Bis Heiligabend müssen in Hamburg die Listen für die Bürgerschaftswahl stehen: Darum sahen sich sich BSW-Mitglieder unter Zugzwang Foto: Bihlmayerfotografie /imago

Hamburg taz | Eigentlich, davon gingen die Medien aus, war die für den vergangenen Sonntag geplante Gründungsversammlung für den Hamburger Landesverband vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) abgesagt und um eine Woche verlegt worden, weil die Alevitische Gemeinde die Räume gekündigt hatte. Doch nun hört man von den BSW-Mitgliedern Norbert Weber und Dejan Lazic, die Gründungsversammlung habe doch stattgefunden. Ein Schild an der Tür der Gemeinderäume habe auf den neuen Ort hingewiesen.

Und dort, in den Räumen am Hamburger Ballindamm, habe man mit sieben BSW-Mitgliedern und mehreren Gästen den Hamburger Landesverband des BSW gegründet und ihn „Bündnis für Vernunft und Gerechtigkeit“ genannt. Das Nachrichtenmagazin „t-online“ berichtete am Dienstagmittag zuerst über diese neue Wendung.

Die Absage der Gründungsversammlung hätten gar nicht alle Parteimitglieder mitbekommen, sagt Weber. Vom Bundesvorstand und den in Hamburg Einladenden habe sich auch keiner bemüht, zur Alevitischen Gemeinde zu kommen und mit den Leuten zu sprechen. Weber, der früher bei den Linken war, kritisiert die Top-down-Strukturen beim BSW.

Bundesvorstand lädt zur Gründung in Wandsbek ein

Gemeinsam mit Jurist Lazic hatte Weber bereits vor einer Woche angekündigt, gegen den Passus in der Parteisatzung zu klagen, nach dem nur der Bundesvorstand Mitglieder im BSW aufnehmen kann und dies zentral steuert. Das Ausmaß der Kontrolle des Parteivorstands widerspreche dem Grundsatz des Parteiengesetzes, das darauf abziele, sagt Weber, eine „demokratische Struktur in allen Ebenen der Partei sicherzustellen“.

Weber und Lazic hatten deshalb Anfang Dezember einen BSW-Bezirksverband Hamburg-Nord/Mitte gegründet, über den sie auch Mitglieder, die schon lange warten, aufnehmen und an den Bundesvorstand zur Aufnahme weiterleiten. In Hamburg werden laut Weber etwa 900 engagierte Menschen im Status der „Unterstützer“ gehalten, die weder aktives noch passives Wahlrecht haben. „Was sie machen dürfen ist, die Arbeit übernehmen und spenden“.

Am vergangenen Sonntag machten die Parteirebellen gleich Nägel mit Köpfen. Sie stellten nach der Gründung des Hamburger Landesverbandes gleich noch einen Kandidaten für die Bundestagswahl am 23. Februar auf. Dieser sei auch schon dem Hamburger Landeswahlleiter gemeldet worden.

Unterdessen lud der Parteisprecher vom „Bündnis Sarah Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“, Christian Posselt, die Medien zur „Gründungs- und Aufstellungsversammlung Hamburg“ ein. Die soll am Samstag, den 21. Dezember, im Bürgersaal Wandsbek stattfinden. Die Gründungsversammlung solle nur zu Beginn medienöffentlich sein, die Aufstellungsversammlung ganz öffentlich, so Posselt. Zur neuen Entwicklung gab er am Dienstag auf taz-Nachfrage bis zum Redaktionsschluss keine Stellungnahme ab.

Am vergangenen Samstag, anlässlich der Gründung des BSW-Landesverbandes Schleswig-­Holstein, hatte er erklärt, es liege im Verantwortungsbereich des Bundesvorstands, über die Aufnahme von Mitgliedern zu entscheiden, weil die Partei langsam wachsen wolle.

Im Zweifel gar keine Liste?

Die Frage ist, was nun passiert? Die Parteirebellen gründeten den Hamburger Landesverband gleich mit eigener Satzung und eigenem Schiedsgericht. „Das heißt: Wenn der Bundesvorstand damit nicht einverstanden ist, müssen sie sich eigentlich zuerst an das Schiedsgericht des Landesverbands wenden“, schreibt „t-online“. Der Schiedsrichter sei demnach ­Dejan Lazic.

Es handele sich bei der Landesverbandsgründung um eine Protestreaktion, sagt Weber. „Wir bekommen dafür viel Zuspruch aus anderen Landesverbänden.“ In Hamburg spitzt sich die Situation zu, weil die Bürgerschaftswahl vor der Tür steht. Um sich mit einer Liste von Kandidaten dafür anzumelden ist nur noch bis Heiligabend Zeit.

Lange schien es, als habe die Bundesebene kein Interesse daran, in Hamburg, wo das BSW bei den Umfragen derzeit nur bei vier Prozent liegt, überhaupt anzutreten. Doch bei der nun auf Samstag verschobenen Versammlung soll es nun auch um die Hamburg-Wahl gehen. Und auch die Rebellen überlegen, sich für die Bürgerschaft aufzustellen.

Wenn nun am Wochenende der geplante Gründungsparteitag stattfinden und eigene Kandidaten für Bundestag und Bürgerschaft aufstellen sollte, gäbe es zwei konkurrierende Listen einer Partei. Der Landeswahlleiter erklärte auf taz-Nachfrage, er nehme erstmal alle Wahlvorschläge an. Über so einen Fall müsste dann aber in Hamburg die Landeswahlkommission und im Bund die Bundeswahlkommission entscheiden.

In einem vergleichbaren Fall bei der Bürgerschaftswahl in Bremen, wo die AfD mit zwei Listen antrat, entschied die dortige Wahlkommission, dass keine der Listen antreten dürfen. Das schreit aus Sicht des BSW nach einem Kompromiss.

„Wir haben Gesprächsbereitschaft signalisiert und bitten seit Monaten beim Bundesvorstand um einen Termin“, sagt Weber. Sie hätten dort in Berlin bisher lediglich im Mai einen Termin gehabt und da verabredet, dass weitere Gespräche vor Ort in Hamburg folgen sollen. „Danach haben wir nichts mehr gehört.“

Zwar habe Wagenknechts Ehemann, Oskar Lafontaine, ab dem Bundesparteitag am 12. Januar eine andere Aufnahmepraxis in Aussicht gestellt. Aber bis dahin, sorgt sich Weber, „sind alle Schlüsselpositionen längst mit eigenen Leuten besetzt“.

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