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Parlamentswahl in KirgisienEin Demokratietest für Zentralasien

Die Abstimmung am Sonntag entscheidet auch darüber, ob das Land in den Autoritarismus zurückfällt oder die Wende zur Demokratie schafft.

Erstmal picknicken. Und dann am Sonntag wählen. Foto: dpa

Berlin taz | Rund drei Millionen Kirgisen haben am kommenden Sonntag die Wahl. Doch bei dem Urnengang geht es nicht nur um die Frage, welche Parteien im neuen Parlament vertreten sein werden. Die Abstimmung wird auch ein Indikator dafür sein, ob das zentralasiatische Land seinen, wenn auch zaghaften, Reformkurs fortsetzen wird oder wieder in den Autoritarismus abgleitet.

Im Gegensatz zu den anderen diktatorisch regierten Staaten in der Region entledigten sich die Kirgisen in den vergangenen zehn Jahren zweimal ihres Präsidenten. 2005 erwischte es den Kleptokraten Askar Akajew, den aufgebrachte Volksmassen im Zuge der sogenannten Tulpenrevolution wegen angeblicher Wahlfälschungen aus dem Amt trieben.

2010 wurde Kurmanbek Bakijew gestürzt. Seine Regierungszeit war durch eine Dauerfehde mit dem Parlament geprägt, die Beschneidung bürgerlicher Freiheitsrechte sowie die Versorgung naher Verwandter mit lukrativen Posten in Politik und Wirtschaft.

Im selben Jahr stimmten die Kirgisen in einem Verfassungsreferendum für die Einführung eines parlamentarisch-präsidentiellen Systems mit einem rechtlich deutlich geschwächten Staatschef. Seit der Reform sind in dem Land Koalitionsregierungen an der Macht.

14 Parteien treten an

Das dürfte auch nach diesen Wahlen so bleiben. 14 Parteien bewerben sich um die 120 Sitze. Sie müssen landesweit mindestens 7 Prozent und in jedem Gebiet 0,7 Prozent der Stimmen erhalten, um in die Volksvertretung einzuziehen. Nicht mehr als 70 Prozent der Kandidaten einer Liste dürfen demselben Geschlecht angehören, mindestens 15 Prozent müssen Vertreter nationaler Minderheiten sein.

Stärkste Kraft könnten erneut die Sozialdemokraten (SDPK) des amtierenden Präsidenten Almasbek Atambajew werden. Dieser hat bislang mit seiner großangelegten Antikorruptionskampagne aber noch keine durchschlagenden Erfolge vorzuweisen. Und kirgisische Medien werfen dem Staatschef vor, die Opposition unter Druck zu setzen, um sich mehr Einfluss im Parlament zu verschaffen.

„Aber Atambajew und sein engster Kreis kontrollieren die Wirtschaft nicht in einem solchen Ausmaß wie die vorherigen Präsidenten. Das ist immerhin ein Fortschritt“, sagt die Zentralasienexpertin Erica Marat vom Stockholmer Institut für Sicherheit und Entwicklungspolitik.

Kaum Fortschritte gibt es hingegen bei dem Bemühen, die immer wieder aufflammenden Konflikte zwischen Kirgisen und der usbekischen Minderheit zu entschärfen. Im Juni 2010 waren im südkirgisischen Osch bei mehrtägigen schweren Zusammenstößen zwischen den beiden Ethnien Hunderte Menschen getötet worden.

Folter in Polizeigewahrsam

Nach Angaben der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) war es dabei unter anderem auch zu extralegalen Hinrichtungen, Folter in Polizeigewahrsam sowie der Verweigerung rechtsstaatlicher Verfahren gekommen. Bis heute habe sich die Regierung der Aufarbeitung dieser Verbrechen nicht angenommen, so HRW.

Angaben von Aktivisten zufolge wird die usbekische Minderheit bis heute diskriminiert. Im vergangenen März wurde die Nichtregierungsorganisation Bir Duino, die Usbeken in rechtlichen Fragen unterstützt, vom kirgisischen Geheimdienst überfallen.

Kritiker auf den Plan rufen auch zwei Gesetze nach russischem Vorbild. So müssen sich Organisationen, die Mittel aus dem Ausland bekommen, als „ausländische Agenten“ registrieren lassen. Propaganda für „nicht traditionelle sexuelle Orientierungen“ wird mit einer Haftstrafe geahndet.

Zu einer veritablen Belastungsprobe für die neue Regierung könnte auch die weitere Entwicklung in Russland werden, mit dem Kirgisien wirtschaftlich eng verbunden ist. Rund eine Million Kirgisen arbeitet im Nachbarland, Rücküberweisungen machen 32 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Die Wirtschaftskrise in Russland zwingt jetzt jedoch viele Gastarbeiter zur Heimkehr. Die Parteien haben die neue Klientel bereits für sich entdeckt. „Sie könnten versuchen, mit nationalistischen und populistischen Botschaften Stimmen zu bekommen“, sagt Erica Marat. „Das aber würde das Tempo der Reformen drosseln.“

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