Parlament in Bangladesch aufgelöst: Studenten für Yunus als Premier

Studenten in Bangladesch fordern, den „Bankier der Armen“, Nobelpreisträger Yunus, zum Chef einer Übergangsregierung zu machen.

Lächelnd vor dem Arbeitsgericht: Muhammad Yunus in Dhaka Foto: Mahmud Hossain Opu/ap

BERLIN taz | „Wir vertrauen Dr. Yunus,“ erklärte Asif Mahmud, einer der Führer der „Students against Discrimination“ (SAD) in Bangladesch, auf Facebook. Der wochenlange Protest der Studierenden gegen die als diskriminierend empfundene Quotenregelung für Jobs im Staatsdienst hatte sich zu einer Massenbewegung ausgeweitet und am Montag zum Sturz der autoritären Ministerpräsidentin Sheikh Hasina und ihrer Regierung geführt. Jetzt wird bis zu möglichen Neuwahlen ein vorübergehende Führung des Landes gesucht. Für Mahmud ist der 84-jährige Muhammad Yunus dafür prädestiniert.

Wie die von der jetzt einflussreich gewordenen SAD gewünschte Rolle Yunus genau aussehen soll, ist nicht ganz klar und dürfte nicht zuletzt auch von dem 84-Jährigen selbst abhängen. Nahid Islam, ein anderer SAD-Führer, wünscht sich Yunus eher „als leitenden Berater einer Interimsregierung.“ Doch auch er ist sich sicher: Der Friedensnobelpreisträger von 2006 sei nicht nur „international anerkannt“, sondern genießt auch „breite Akzeptanz“.

Laut der Studierendenorganisation hätten sie den Sozialunternehmer auch schon kontaktiert und die Zusage bekommen, dass er bereit stehe. Yunus hält sich noch zu einer medizinischen Behandlung in Paris auf und wolle nach Angaben seines Sprechers schnell nach Dhaka zurückkehren. Allerdings soll er noch keine entsprechende Anfrage vom Militär erhalten haben. Dieses hat nach der Flucht Hasinas vorübergehend die Macht in Bangladesch übernommen. Der Armeechef hat versprochen, zügig eine Übergangsregierung einzusetzen und darüber mit allen Kräften zu sprechen – mit Ausnahme von Hasinas Awami Liga.

Erfinder der „Mikrokredite“

Als Wirtschaftsprofessor hatte Yunus 1983 die Grameen Bank gegründet, die sich auf das von ihm propagierte und damals innovative Prinzip der Mikrokredite spezialisierte. So wurden Millionen armer Menschen, vor allem Frauen, erstmals kreditwürdig. Der „Bankier der Armen“, so der Spitzname des Mannes mit der sanften Stimme, nannte Mikrokredite eine „Perfektionierung der Struktur des Kapitalismus“.

Das Mikrokreditsystem gründet sich auf Frauengruppen, die sich eigens zusammenfinden und durch sozialen Druck dafür sorgen, dass die Kredite sinnvoll investiert und auch zurückgezahlt werden. Yunus und Grameen wurden so in Bangladesch mit Millionen Kunden einflussreich und Mikrokredite international zum gern kopierten Allheilmittel der Armutsbekämpfung verklärt. Erst langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass diese Kredite weder den Allerärmsten halfen, noch vor Überschuldung schützen. Vielmehr können sie auch ein Geschäftsmodell sein, das zu Missgunst in Gruppen und zu Suiziden Überschuldeter führen kann.

Als Yunus vor einigen Jahren die Gründung einer eigenen Partei erwog, verschlechterte sich sein Verhältnis zu Hasina. Sie drängte ihn aus der Leitung der Bank und versuchte ihn mit mehr als einhundert Gerichtsklagen auszuschalten. Diese waren nach Meinung vieler Beobachter an den Haaren herbeigezogen und dienten nur dem einzigen Zweck, seinen Einstieg in die Politik zu verhindern – und damit auch eine mögliche Kandidatur gegen Hasina.

Die ehemalige Premierministerin nannte ihn fortan „Blutsauger der Armen“ und warf der Grameen Bank Zinswucher vor. Im Januar wurde Hasina unter dem Boykott der Opposition wieder gewählt, und Yunus erstmals zu sechs Monaten Haft verurteilt. Er blieb aber zunächst auf Kaution frei. Jetzt bezeichnete er Hasinas Sturz als „zweiter Tag der Befreiung“ Bangladeschs.

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