: Kein Tag für Parteitaktik
Nach Hickhack im Vorfeld stimmen Grüne und Linke der Resolution von Schwarz-Rot gegen Antisemitismus und Hamas-Terror zu
Von Stefan Alberti
Auf den Besuchertribünen des Abgeordnetenhauses ist Beifall eigentlich verboten. An diesem Donnerstag aber schreitet kein Saaldiener ein, als in der ersten Reihe trotzdem geklatscht wird. Denn es ist der israelische Botschafter Ron Prosor, der dort mit anderen Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) beklatscht. Der hat gerade erneut den Hamas-Terror verurteilt und klargemacht: „Der Senat duldet keine Rechtfertigung und vor allem keine Verherrlichung der Taten der Hamas.“
Nicht nur Prosor sitzt in der ersten Reihe oberhalb der rund 150 Abgeordneten. Auch die Antisemitismusbeauftragten von Bund und Land sind da, ebenso Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Ein Blick in die Reihe hinter ihnen personifiziert, wovon Wegner und die Redner nach ihm sprechen, wenn es um die Gefahren für jüdisches Leben geht. Denn dort sitzen mindestens drei Personenschützer, vor dem Tribünenzugang stehen weitere – selbst im durch Eingangskontrollen geschützten Landesparlament gilt die Lage offensichtlich als gefährlich.
Eine Resolution gegen den Hamas-Terror soll nach der Rederunde beschlossen werden. Fraktions- und parteiübergreifend sollte das eigentlich passieren, als Koproduktion von CDU, SPD, Grünen und Linkspartei. Die AfD legte eine eigene Resolution vor. Doch dann mochte die CDU nicht mehr mit der Linksfraktion zusammen unter dem Text stehen, weil ihr deren Haltung in einem jüngsten Treffen angeblich nicht deutlich genug schien. Was sich allerdings am Donnerstag in der Rede von Linksfraktionschefin Anne Helm nicht wiederfindet.
Helm verurteilt den Hamas-Terror ohne Einschränkung: „Dafür gibt es keine Kontextualisierung, die das irgendwie erklärbar machen würde.“ Nur in anderen Worten hatte das kurz vor ihr auch CDU-Fraktionschef Dirk Stettner so ausgedrückt: Das Tun der Hamas „widert mich an, dafür gibt es keine Rechtfertigung“. Ein „Ja, aber die Israelis haben doch auch …“ dürfe es nicht geben.
„Schandfleck für Berlin“
Auseinander gehen die Meinungen beim Blick auf die pro-palästinensischen Demonstrationen in Berlin. Ein pauschales Verbot lehnt Helm ab. Unterbunden gehöre aber sehr wohl, wenn das Existenzrecht Israels in Frage gestellt oder der Hamas-Terror verherrlicht wird. Helm beruft sich dabei auf Herbert Reul, den CDU-Innenminister Nordrhein-Westfalens, der nach ihren Worten ein solches komplettes Verbot als rechtlich äußerst schwierig einstufte.
Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch nennt auf Angriffe gegen jüdisches Leben in Berlin, vor allem auf die Synagoge in der Brunnenstraße in Mitte in der Nacht zum Mittwoch, einen „Sündenfall“. Auch Wegner hat zuvor von einem „Schandfleck“ für Berlin gesprochen. Jarasch dankt ausdrücklich und nicht weniger als zuvor der Regierungschef der Polizei für ihr Engagement, als andere noch in Schockstarre gewesen seien. Sie spricht sich für eine konsequente Bestrafung der Täter aus, warnt aber auch vor Überreaktionen: Es zündele auch, „wer schwadroniert, in Deutschland geborene Jugendliche auszubürgern oder abzuschieben“.
Als die SPD-Fraktion dran ist, steht nicht – wie bei den anderen Fraktionen – der Vorsitzende am Rednerpult: Raed Saleh fehlt, laut Pressestelle krankheitsbedingt. Er wäre mit seinem Lebenslauf heute eine besondere Stimme gewesen: Saleh wurde 1977 in einem Dorf bei Nablus im Westjordanland geboren, kam mit fünf Jahren nach Berlin und setzt sich seit Jahren für den Wiederaufbau der Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg ein.
Die von CDU und SPD vorgelegte Resolution „Berlin steht an der Seite Israels“ bekommt schließlich auch die Stimmen von Grünen und Linkspartei, die vorher eine eigene, genau so überschriebene Resolution auf die Tagesordnung hatten setzen lassen. Sie setzen damit jenes Zeichen gegen Spaltung, das sich eine halbe Stunde zuvor Grünen-Fraktionschefin Jarasch in ihrer Rede gewünscht hatte: „Es ist jetzt keine Zeit für parteitaktische Spielchen.“
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