Paralympics 2022 in Zeiten des Kriegs: Frontlinie bei den Spielen
Am Samstag werden die ersten paralympischen Medaillen vergeben. Fünf wissenswerte Dinge über die Pekinger Winterspiele.
Krieg und Paralympics
Eine zum Scheitern verurteilte Idee der paralympischen Spitzenfunktionäre war es diese Woche, den Krieg in der Ukraine von den Spielen in Peking fernzuhalten. Die Belaruss:innen und Russ:innen sollten trotzdem teilnehmen. Die ursprüngliche Idee der Paralympischen Spiele sowie deren Geschichte sind indes eng verknüpft mit den Kriegen auf der Welt. Sport als Mittel zur Rehabilitation von Kriegsversehrten hatte nämlich der vor den Nazis geflüchtete jüdische Arzt Ludwig Guttmann in einer Klinik in London erstmals etabliert. Im Jahr 1948 organisierte er erste Wettbewerbe neben dem Krankenhaus. Zu olympischen Ehren kam die Idee dann 1960 in Rom, als die Paralympischen Spiele ihre Premiere feierten. Eine wachsende Verbindung zwischen Militär und Paralympischen Spielen kann man etwa in den USA erkennen, seitdem 2004 das Nationale Olympische Komitee ein paralympisches Militärprogramm verabschiedete. Der Anteil paralympischer Teilnehmer aus dem US-Militär, die verwundet von ihren Einsätzen im Irak und in Afghanistan zurückkamen, stieg.
Der Ausschluss
Das Internationale Paralympische Komitee revidierte am Donnerstag seine Entscheidung vom Vortag und schickte in Peking die belarussischen und russischen Sportler:innen vor der Eröffnungsfeier auf die Heimreise. Das Russische Paralympische Komitee teilte mit, es halte sich das Recht vor, die Entscheidung beim Internationalen Sportgerichtshof CAS anzufechten. Sportlich wird die Abwesenheit der beiden erfolgreichen Nationen einiges durcheinanderwirbeln. Bei den Spielen 2018 in Pyeongchang belegte Russland mit 24 Plaketten den zweiten Platz im Medaillenspiegel. Belarus bestieg als Achter zwölfmal das Podest.
Das ukrainische Team
Die Ukraine zählt bei den Paralympics ebenfalls zu den Topnationen. Vor vier Jahren in Südkorea gewann man mehr Medaillen (22) als das deutsche Team. Nach Peking sind 20 Sportler:innen angereist. Die Präsenz des Teams in China sei auch ein Zeichen, dass die Ukraine als Staat besteht und bestehen wird, sagte Valerii Sushkevych, der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees der Ukraine. Es sei ein Wunder, dass das Team in Peking sei. Einige der paralympischen Sportler seien schon im Ausland gewesen, andere hätten vor den Raketen im Land fliehen müssen. Zudem habe man das notwendige Equipment für die Wettbewerbe aus dem Land schaffen müssen. Bei den Paralympischen Spielen werden für die Ukrainer:innen persönliche Erfolge zweitrangig sein. Es geht um mehr als den Sport, machte Sushkevych deutlich: „Es gibt eine Frontlinie im Krieg für unsere Soldaten und es gibt eine zweite Frontlinie hier in Peking.“
Spitzensport
Rund 650 Sportler:innen werden in 28 Wettbewerben an den Start gehen, die neben ihren Leistungen mit ihren Lebensgeschichten große Beachtung finden werden. Oksana Masters etwa, die für die USA im Skilanglauf und Biathlon antritt und aus der Ukraine stammt. Ihre verkürzten Gliedmaßen hat sie der Nuklearkatastrophe 1986 in Tschernobyl zu verdanken. Zehn paralympische Medaillen hat sie bereits gewonnen. Die letzten bei den Sommerspielen 2021 in Tokio im Radsport. Mit dem Kanadier Brian McKeever ist einer der erfolgreichsten Paralympioniken überhaupt im Nordic Paraski am Start. 17 Medaillen bekam er bislang überreicht. Sein Debüt feierte er in Salt Lake City 2002. Große Ambitionen hat auch die niederländische Fahnenträgerin und Para-Snowboarderin Lisa Bunschoten. In Pyeongchang gewann sie 2018 bereits Silber und Bronze, jetzt soll es Gold werden. Eine der größten deutschen Goldhoffnungen ist Anna-Lena Forster im Monoskibob.
Chinesischer Faktor
China hat bislang erst eine Medaille bei Paralympischen Winterspielen gewonnen (2018 Gold im Rollstuhl-Curling). Feiern lassen können sich Veranstalter und Regierung im eigenen Land wieder dafür, dass Peking die erste Stadt ist, die Winter- und Sommer-Paralympics austragen darf. Über die schweren Menschenrechtsverletzungen in China, den Gigantismus und die Naturzerstörung rund um die Wettbewerbsstätten spricht im Angesicht des Krieges in Europa niemand mehr. Mit einer Politisierung der Spiele ist dennoch zu rechnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut