Papst besucht Brasiilen: Franziskus bei Jesus am Zuckerhut

Die Brasilianer lieben den Papst. Trotzdem sinkt die Zahl der Katholiken im Land immer weiter. Nicht alle freuen sich über den hohen kirchlichen Besuch.

Über einen Mangel an Fans kann sich der Papst in Brasilien nicht beklagen. Bild: dpa

RIO DE JANEIRO taz | Viel Jubel und einen herzlichen Empfang gab es für Papst Franziskus, als er am Montag Nachmittag in Rio de Janeiro landete. Er gilt als bescheiden und geht auf die Menschen zu, ganz so wie es die Brasilianer mögen und ganz anders als sein deutscher Vorgänger Benedikt XVI. Doch seine Mission ist schwierig, fast übermenschlich: Der Argentinier soll die katholische Kirche in Lateinamerika wieder attraktiv machen.

Er soll den stetigen Schwund der Gläubigen stoppen, die in Scharen zur Konkurrenz überlaufen, vor allem zu den evangelikalen Pfingstkirchen. Zwar ist Brasilien immer noch das Land mit den meisten Katholiken weltweit, doch ihr Anteil an der Bevölkerung geht bedrohlich auf die 50 Prozent-Marke zu.

Kaum in Rio angekommen, bereitete Franziskus seinen Leibwächtern nichts als Scherereien. Auf dem kurzen Weg zur Kathedrale verfuhr sich sein Konvoi und wurde im Stau von aufgeregten Gläubigen umringt. Statt die Fensterscheiben seines Kleinwagens hochzukurbeln, flirtete er mit den Fans und ließ sich sogar ein Baby reichen, um es zu küssen.

Dann stieg er in ein offenes Papamobil um, das gepanzerte hat er in Rom gelassen. Sichtlich genoss Franziskus das Bad in der Menge. Den Hunderttausenden am Straßenrand gefiel es auch, die Stimmung war ausgelassen, sogar die dominierenden Fahnen Brasiliens und Argentiniens flatterten friedlich nebeneinander. „Es ging viel zu schnell vorbei,“ klagte ein Pilger.

Sieben Tage wird der Papst in Brasilien bleiben. Anlass der Reise ist der Weltjugendtag, der am Dienstag Abend beginnt. Bis zu zwei Millionen Menschen werden zu den Messen und Veranstaltungen erwartet. Der 76-jährige Ehrengast hat sich ein Marathonprogramm vorgenommen: Er wird Favelas und Krankenhäuser besuchen, mit Politikern und Geistlichen konferieren und vor allem mit Jugendgruppen zusammentreffen.

Kreuzweg-Inszenierung an der Copacabana

Einziger Termin außerhalb Rios ist das Heiligtum Aparecida im Bundesstaat São Paulo, der wichtigsten Wallfahrtsort Brasiliens. Zurück in Rio de Janeiro, wird der oberste Katholik im Rahmen des Weltjugendtags auf dem Strand von Copacabana einer pompösen Kreuzweg-Inszenierung beiwohnen. Am anderen Ende der Stadt wird er danach prominentester Teilnehmer des weltweit größten Katholikentreffens sein und die Abschlusspredigt halten.

Nach dem rauschenden Empfang auf den Straßen ging es zum Gouverneurspalast, wo schon 600 Würdenträgern auf ihn warteten. Dort war es formaler, Franziskus wirkte schüchtern neben Präsidentin Dilma Rousseff. „Es ist eine doppelte Ehre, den ersten lateinamerikanischen Papst auf seiner ersten Reise in Brasilien zu begrüßen,“ sagte die Gastgeberin. Mit Bezug auf die Massenproteste gegen Korruption und schlechte öffentliche Dienstleistungen in Juni lobte sie „die Jugend, die sich für eine neue Gesellschaft engagiert. Demokratie macht Lust auf mehr Demokratie, und das ist eine gute Voraussetzung für den Weltjugendtag,“ so die brasilianische Präsidentin.

Demos gegen den Papst

Zur gleichen Zeit versammelten sich Hunderte Demonstranten auf einem Platz im gleichen Stadtteil. Soziale Bewegungen, GLBT-Gruppen und der brasilianische Ableger von Anonymous hatten zum Protest aufgerufen, nicht unbedingt gegen den Papst, aber gegen die hohen Kosten seines Besuchs, gegen Polizeigewalt und gegen den Gouverneur. „Ich küsse Männer, ich küsse Frauen, ich küsse wen ich will,“ skandierten die Demonstranten, lange Protestküsse gegen die herrschende Moral wurden bejubelt. Ein Transparent machte deutlich: „Es geht nicht um Religion, es geht um unsere Rechte.“ Am Ende kam es zu Auseinandersetzungen, die Polizei setzte wie gewohnt Tränengas und Gummigeschosse ein.

An diesem Tag hat Franziskus Boden gut gemacht, seine Kirche brachte ähnlich viel Menschen auf die Straße wie die Protestbewegung im vergangenen Monat. Doch darum geht es ihm nicht. Das Problem ist, dass auch in Lateinamerika, wo vier von zehn Menschen katholisch sind, immer mehr Gläubige der Kirche den Rücken kehren.

65 Prozent der Brasilianer bekannten sich im letzten Zensus von 2010 zum katholischen Glauben, doch zehn Jahre zuvor waren es noch 74 Prozent. Der Rückgang liegt vor allem an den unzähligen evangelikalen Kirchen und Sekten, die insbesondere in den Armenviertel enormen Zulauf haben. Jeder fünfte Brasilianer geht mittlerweile in protestantische Kirchen, deren Gottesdienste mit viel Musik und populären Predigten die Menschen mehr anziehen als die konservativen katholischen Riten. Zudem wird geschätzt, dass gerade mal jeder zehnte Katholik in einer Gemeinde aktiv ist.

Eine Umfrage von vergangener Woche beziffert die Zahl der Katholiken im größten Land Lateinamerikas mit nur noch 57 Prozent. Brasilien wird weltlicher, der wirtschaftliche Aufschwung der letzten 15 Jahre und das Internet hat auch das wertkonservative Landesinnere verändert. Franziskus mag vielleicht nett sein, aber seine traditionelle Glaubensauffassung wird die Brasilianer weder bekehren noch den rückschrittlichen Evangelikalen ausspannen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.