Papst Franziskus und Homosexualität: Die Mode Christentum
Einst galt er als liberal, jetzt hält Papst Franziskus Homosexualität für eine „Mode“. Das ist geschichtsvergessen und populistisch.
In einem Interview bezeichnet Papst Franziskus Homosexualität als „Mode“. Allerdings ist diese älter als die Institution, deren Oberhaupt er ist.
Er scheint sich im Halbjahresrhythmus zu Fragen der geschlechtlichen Orientierung äußern zu wollen – oder zu müssen. Im Sommer erst hatte Papst Franziskus den Eltern dieser Welt den wohl gut gemeinten Rat mit auf den Weg gegeben, ihre Kinder, sollten sie homosexuelle Neigungen zeigen, zum Psychiater zu schicken. Damit wusste er sich in guter Gesellschaft mit den für ihre homophoben Ansichten bekannten Evangelikalen. Anschließend revidierte er seine Aussage.
Doch jetzt legte Franziskus noch einmal nach, in einem Interview, das heute in einem Buch auf Spanisch erscheint. „In unseren Gesellschaften scheint es gar, dass Homosexualität eine Mode ist, und diese Mentalität beeinflusst auf gewisse Weise auch die Kirche“, wird er zitiert. In der Kirche habe diese Art von Zuneigung aber keinen Platz, lautet sein Urteil.
Man kann zum Umgang der katholischen Kirche, der mutmaßlich größten schwulen Undercover-Organisation der Welt, sehr viel sagen, womöglich bleibt dem Papst gar nichts anderes übrig, als die offizielle Sprachregelung zu wählen, Homosexuelle hätten bei ihnen nichts verloren. Andernfalls hätte die Kirche ein noch größeres Problem, wie sie Dinge wie den Zölibat rechtfertigen soll.
Populistisch argumentiert wie Trump
Was an der aktuellen Äußerung von Franziskus aber erstaunt, ist seine Wortwahl. Wenn er davon spricht, dass Homosexualität in unseren Gesellschaften eine „Mode“ sei, scheint er damit ein jüngeres Phänomen zu meinen. Etwas, mit dem sich die katholische Kirche, folgt man seiner Überlegung, erst seit einiger Zeit konfrontiert sehen dürfte.
Man braucht jedoch kein allzu umfassendes Geschichtswissen, um darauf zu stoßen, dass es gleichgeschlechtliche Liebe schon um einiges länger gibt als die katholische Kirche. Das antike Griechenland mag als Beispiel genügen. „Homosexualität“ ist als Begriff zwar nicht so alt wie die Arten des Begehrens, die darunter fallen, doch selbst wenn Franziskus diesen Unterschied im Sinn gehabt haben sollte, käme er mit seiner „Mode“-Klassifizierung nicht sonderlich weit.
Umgekehrt könnte man sagen: Das Christentum ist eine Mode, in historischer Perspektive allemal, und steckt zudem in einer Krise. Wenn Franziskus so argumentiert wie aktuell, stellt er sich dann rhetorisch auf eine Stufe mit Populisten wie Donald Trump, die Kritik an sich selbst kurzerhand in einen Vorwurf an die „Gegenseite“ ummünzen.
Vom liberalen Papst Franziskus, als der er zu Beginn seines Pontifikats wahrgenommen wurde, ist so immer weniger zu erkennen.
Eines Tages, er ist vermutlich nicht mehr fern, wird man beim Gedanken an Franziskus vielleicht wehmütig an Benedikt XVI. zurückdenken.
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